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Arbeit und Soziales
Schweizer Top-Manager verdienen im Schnitt 73-mal mehr als Geringverdiener
„1:12 Initiative für gerechte Löhne“
Von Heinrich Frei

Am 24. November 2013 wird in der Schweiz über die „1:12 Initiative für gerechte Löhne“ der Jungsozialisten, der JUSO, abgestimmt. (1) Dieses Volksbegehren fordert: Topverdiener in einem Unternehmen sollen nicht mehr als 12-mal mehr verdienen als der am schlechtesten entlohnte Mitarbeiter. Der Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) hatte am 23. Januar 2012 zudem eine Mindestlohn-Initiative eingereicht, über die später abgestimmt wird. (2)


Quelle: http://www.juso.ch/de/
 
Der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck hält die Initiative der Schweizer Jungsozialisten für ein taugliches Rezept gegen Lohnexzesse. Sie könne die Marktwirtschaft retten, denkt er. Für Flassbeck ist auch ein Mindestlohn absolut notwendig. (3) Flassbeck war bis 1999 Staatssekretär unter SPD-Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine und von 2003 bis Ende 2012 Chefökonom der Unctad, der UNO.
 
Heute verdient ein Top-Manager in der Schweiz im Schnitt 73-mal mehr als die Frau oder der Mann mit dem kleinsten Lohn in seiner Firma. Die Jungsozialisten fordern deshalb: "Niemand soll in einem Jahr weniger verdienen als der Top-Manager im gleichen Unternehmen in einem Monat!
 
Mit der 1:12 Initiative" Richtung Sowjet-Kommunismus-Diktatur?
 
Sowohl das 1:12 Volksbegehren der Jusos wie die Mindestlohn-Initiative des Gewerkschaftsbundes werden hart bekämpft. Der Teufel wird an die Wand gemalt: Es heisst: Der Novartis-Konzern Chef Joe Jimenez und Daniel Vasella müssten diese Millionen „Entschädigungen“ bekommen, damit sie weiter bei uns arbeiten. Diese Topleute seien „unersetzlich“, sagt man. Die Apparatschiks der Konzerne kämpfen wie der eidgenössische Freiheitsheld Wilhelm Tell gegen ein obrigkeitliches „1:12 Lohndiktat“ der Jusos. Es wird gewarnt: Mit der 1:12 Lohndiktatur der jungen Sozialisten und der Mindestlohn-Initiative des Gewerkschaftsbundes würde die Schweiz einen Schritt machen in Richtung Sowjet-Kommunismus-Diktatur. Die Folge wäre auch, wird behauptet: Viele Firmen würden aus der Schweiz abwandern. Das Erfolgsmodell Schweiz, mit seinem Wohlstand und seiner tiefen Arbeitslosigkeit, würde zerstört. Der Wirtschaftsstandort Schweiz würde geschwächt und es würde zu milliardenhohen Ausfällen bei Steuern und Sozialversicherungen kommen.
 
Wird die Nein-Kampagne erfolgreich sein?
 
Die Nein-Propaganda-Maschine gegen das „1:12 Lohndiktat“ ist jetzt angelaufen. Flächendeckend wird in den Medien von berufener Seite vor dieser schädlichen Initiative gewarnt. Die Profis der Werbeindustrie, Hermann Strittmatter (Werbeagentur GGK) und Konsorten werden es vielleicht schaffen, dass die Mehrheit der Schweizer zur Volksinitiative „1:12 für gerechte Löhne“Nein stimmen wird. Mit der Swissair Werbekampagne hatte Strittmatter seinerzeit erfolgreich dazu beigetragen, dass noch mehr Leute mit der helvetischen Fluggesellschaft sinnlos in der Welt herum gejettet sind, während wir Kafferahm-Alu-Deckeli sammelten um die Umwelt zu schonen. (Die Swissair, mit Managern die damals Millionen kassierten, machte später Konkurs, und wurde dann für ein Trinkgeld 2005 von der Lufthansa übernommen)
 
Referenden und Volksinitiativen sind in der Schweiz eine Goldgrube für die Werbebranche, für Verleger und Druckereien. Falls es diese Volksrechte noch nicht geben würde, müsste man sie der Werbebranche, den Verlegern und Druckereien zuliebe einführen.
 
Wie viel kassieren heute die Topverdiener in der Schweiz?
 
Der Amerikaner Brady Dougan, Chief Executive Officers (CEO) der Schweizer Bank Crédit Suisse bezog 2012 ein Salär von 7,8 Millionen Franken. Seit er das Steuer der Bank 2007 übernommen hat, ist der Aktienkurs dennoch um 72 Prozent gefallen. Dougan „verdiente“ 116-mal mehr als die Angestellten in seiner Bank die am wenigsten verdienten. Bei der Crédit Suisse verdiente Dougan aber nicht am meisten. Sein Top-Mann, Antonio C. Quintella, arbeitete in diesem Etablissement anscheinend so gut, dass er 2012 mit 15,6 Millionen Franken entschädigt werden musste. (4)
 
Minimal 22 Franken pro Stunde für jede Arbeiterin und jeden Arbeiter: eine freche, unverschämte Forderung? Antonio C. Quintella verdient bei der Crédit Suisse in der Stunde rund 8.000 Schweizer Franken und in jeder Minute 135 Franken. Ein Minutenlohn von 135 Franken ist 6-mal mehr als Mindeststundenlohn von 22 Franken der jetzt vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund mit der Volksinitiative eingefordert wird. Ist der Stundenlohn eines CEO einer Bank von über 8000 Franken wirklich angemessen? Ist es frech, unverschämt und wirtschaftsschädigend, wenn jetzt der Schweizerische Gewerkschaftsbund mit seiner Volksinitiative einen minimalen Stundenlohn von 22 Franken einführen möchte?
 
Working poor in der Schweiz verdienten 577-mal weniger als Quintella
 
10 Prozent der Arbeiter und Angestellten in der Schweiz verdienten 2012 weniger als 3953 Franken im Monat. Bei vielen war somit dieser Lohn über 400-mal kleiner als Antonio C. Quintella bei der Crédit Suisse in einem Monat kassierte. Wer in der Schweiz weniger als 2250 Franken pro Monat verdient (4000 Franken für eine Familie), gilt als arm. 2250 Franken im Monat sind 577 mal weniger als Antonio C. Quintella bei der Crédit Suisse „verdiente“. Rund 120.000 Personen in Helvetien, in einem der reichsten Land der Welt, die einer Arbeit nachgingen, haben 2010 unter der Armutsgrenze gelebt. Sie gelten als so genannte Working poor. Die Armutsquote unter den Erwerbstätigen betrug in der Schweiz 2010 3,5 Prozent.
 
Der Österreicher Severin Schwan, CEO beim Pharmariesen Roche mit Sitz in Basel, verdiente 2012 über 12,5 Millionen Franken. „Damit sei er zufrieden“, sagte er – obwohl sein Konkurrent Joseph Jimenez beim Pharmariesen Novartis mehr kassierte. Die Gage von Schwan bei Roche war damit 261 höher als der Lohn des Mannes oder der Frau, die in seiner Firma am wenigsten verdienten.
 
Ernst Tanner, der Chef der Schokoladenfabriken Lindt & Sprüngli bezog 2012 ein Salär von 6,9 Millionen Franken. Das war 230-mal mehr als ein Angestellter mit dem tiefsten Lohn bei Lindt & Sprüngli erhielt. „Ich leite eines der erfolgreichsten Unternehmen und bin jeden Franken wert“, rechtfertigte sich Tanner. – „Wenn die Arbeiterinnen der Schokoladefabrik Lindt & Sprüngli in Kilchberg am Zürichsee früher das Abteil des Zuges betraten in dem ich sass, machte sich jeweils ein nicht unangenehmer Geruch von Schokolade breit." Ernst Tanner, der Chief Executive Officers (CEO) der Schokoladenfabrik Lindt & Sprüngli riecht vermutlich nicht nach Schokolade… (PK)
 
(1) http://www.juso.ch/de/1-zu-12-Initiative
(2) http://www.mindestlohn-initiative.ch/
(3) Tages Anzeiger, 21. Oktober 2013
(4) http://www.handelszeitung.ch/toploehne
 
Heinrich Frei ist Vizepräsident des Fördervereins “Neue Wege in Somalia“. Email: heinrich-frei@bluewin.ch.
 


Online-Flyer Nr. 430  vom 30.10.2013



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