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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Lokales
Rede für die Coordination gegen BAYER-Gefahren und Kritische AktionärInnen
„Mir ist schlecht!“
Von Axel Köhler-Schnura

Meine Damen und Herren, wir haben heute schon viel zu 150 Jahren BAYER gehört und wurden von Herrn Wenning sogar zu Champagner zum 200-jährigen Jubiläum eingeladen. Nun, mir persönlich ist angesichts des Konzern-Jubiläums keinesfalls nach Champagner zumute! Im Gegenteil, mir ist geradezu schlecht angesichts der Art und Weise, wie der Konzern mit seiner Geschichte umgeht. Jubelgerede von tollen Produkten, tollen Entwicklungen und supertollem BAYER-Konzern. Kein Wort zu den Kehrseiten.

Axel Köhler Schnura, einer der Gründer der CBG
Foto: Anabel Schnura
 
Selbst wenn es sich um veritable Konzernverbrechen handelt wie etwa Zwangsarbeit, Chemische Waffen, Kriegstreiberei, Unterstützung des Hitler-Faschismus, aktive Beteiligung am Holocaust, Produktionskatastrophen, gefährliche Produkte oder ruinöse Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen. Auch zu den ganz alltäglichen Kehrseiten kein Wort: Lohndumping, Kinderarbeit, miese Arbeitsbedingungen, Gesundheitsgefährdung, Plünderung der Ressourcen, ökologischer Raubbau etc.
 
Herr Dekkers, wann endlich öffnen Sie die Archive für eine unabhängige Firmengeschichte? Seit 35 Jahren, seit 1978 bereits, fordern wir dies und nichts geschieht. Wenn über Umsätze und Gewinne gesprochen wird, muss auch über die Kehrseiten dieser Gewinne gesprochen werden. Nun noch eine Frage zu einem ganz besonders verbrecherischen Teil der Firmengeschichte. Dazu möchte ich Sie, Herr Dekkers, ganz persönlich ansprechen. In wenigen Tagen wird in den Niederlanden das gesamte Land für 2 Minuten stillstehen. So wie all die Jahre seit 1945 erinnert sich Ihre Heimat mit diesem Gedenken an den faschistischen Überfall.
 
Herr Dekkers, Sie wissen besser als jeder andere hier im Saal, was dieser barbarische Raubkrieg für die Niederlande bedeutete: Unvorstellbares Leid und Elend - Tausende tote Soldaten, zehntausende Hungertote, etwa 100 Tausend verschleppte und ermordete niederländische JüdInnen, barbarische Plünderung des Landes, die die Bevölkerung u.a. zwang, Baumrinde zu essen.
 
Herr Dekkers, Sie sind Niederländer und wissen, welche Verantwortung BAYER über die IG FARBEN für den Faschismus trägt mit der Finanzierung von Hitler, der Kumpanei mit der SS, mit der Beteiligung am Holocaust etc. Heute führen Sie den Konzern. Deshalb meine Frage: Wie können Sie als Niederländer es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, dass anlässlich der Bestandsaufnahmen des Konzerns zu seinem 150 jährigen Bestehen erneut diese Konzernverbrechen keinerlei Erwähnung finden?
 
Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen: In den 150 Jahren seiner Firmengeschichte war der Konzern noch nie gezwungen, seine Hauptversammlung anonym durchzuführen. Keine BAYER-Fahne vor der Tür, kein BAYER-Transparent über dem Eingang. Weshalb? Weil der Konzern nicht wollte, dass sein Logo neben dem riesengroßen Protest-Transparent zu sehen ist, das draußen vor der Türe 20, 30 Meter breit vom Dach herabhängt und die Verantwortung des Konzerns für das weltweite Bienensterben anprangert.
 
Meine Damen und Herren, wie toll ist denn ein Jubiläum tatsächlich, wenn der Konzern an den Börsen Rekorde feiert, aber immer mehr in die gesellschaftliche Kritik gerät? Meine Damen und Herren, dazu passt auch, dass heute der allererste Redebeitrag hier im Saal bereits den Finger in die Wunde legte. Um was ging es? Ich möchte dazu einmal so beginnen: Meine Damen und Herren hier im Saal, können Sie sich noch erinnern, wie Herr Wenning, wie Herr Schneider und wie auch Herr Dekkers in den vergangenen Jahren auf die vielfach vorgetragene Kritik zu Yasmin und Yaz reagiert haben? Unsere Behauptungen wären haltlos, hieß es. Yasmin und Yaz wären sichere Produkte, wurde - auch heute bereits wieder - gesagt. Es fiel der zynische Satz, die Risiken stünden im angemessenen Verhältnis zum Erfolg des Produkts. Also auf gut deutsch: Profite sind wichtiger als Menschenleben und Gesundheit. Das Handelsblatt schreibt in seiner aktuellen Ausgabe von gestern, 20.200 Frauen hätten bisher gerichtlich und außergerichtlich Ansprüche gestellt. Mit 5.700 davon habe BAYER sich mit 1,2 Milliarden Dollar verglichen. Meine Damen und Herren, ich wiederhole: 20.200 Frauen haben bereits Schäden bis hin zum Tod erlitten. 1,2 Milliarden Dollar wurden bereits gezahlt. Und ich füge hinzu: Ein Ende dieser Pharma-Katastrophe ist nicht abzusehen.
 
Meine Damen und Herren, das zu unseren „haltlosen Behauptungen“. Aufgrund der von BAYER zu leistenden Entschädigungen ist sogar bereits die Versicherung ausgestiegen, wie dem Geschäftsbericht zu entnehmen ist. Und was sagte Herr Dekkers vorhin? Wenn ich es richtig erinnere, dann meinte er: Wir werden die Rückstellungen jeweils der aktuellen Lage anpassen. Es ist also noch lange nicht Schluss mit 1,2 Milliarden Dollar. Meine Damen und Herren, ich denke: Nicht unsere Fragen, Fakten und Darstellungen sind "haltlos“, sondern das Verhalten der Verantwortlichen im Konzern ist haltlos. Es ist arrogant, kaltschnäuzig und verantwortungslos. Tatsache ist, die Verantwortlichen im Konzern lassen massenhafte Gesundheitschädigungen und auch den Tod von Menschen zu, anstatt aus unseren Hinweisen die einzig angemessenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie verweigern Entschädigungen und sogar den hier auf der Hauptversammlung anwesenden Opfern eine persönliche Entschuldigung. Das ist allerunterste Schublade, wie man heute zu sagen pflegt. Herr Dekkers, ich frage in diesem Zusammenhang: Wann nehmen Sie Yasmin und Yaz endlich vom Markt? Wann entschädigen Sie die Opfer angemessen und gerecht - auch außerhalb der USA? Und wann entschuldigen Sie sich öffentlich?
 
Meine Damen und Herren, ich könnte hier noch sehr viele aktuelle Probleme der Geschäftstätigkeit benennen, bei denen Vorstand und Aufsichtsrat ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung nicht gerecht wurden. Allein die Redezeit erlaubt es nicht.
Doch möchte ich zum Schluss meines Beitrags noch zu einer anderen Verantwortung kommen. Zur Verantwortung der AktionärInnen. Klar, die Profite des Konzerns sind mit den GroßaktionärInnen, den sogenannten Investoren, abgestimmt. Diese tragen in gleicher Weise wie Vorstand und Aufsichtsrat die Verantwortung und gehen für Profit und Dividende über Leichen - mitunter im wahrsten Sinn des Wortes. Doch Sie, meine Damen und Herren KleinaktionärInnen hier im Saal, Sie sollten sich nicht von 150-Jahr-Propaganda und Profitversprechen blenden lassen und sich Ihrer Verantwortung tatsächlich stellen. Stimmen Sie nachher bei den Abstimmungen mit uns Kritikern und unseren Gegenanträgen.
 
Deshalb jetzt meine bzw. unsere Gegenanträgen. Die Gegenanträge stellen mit mir die Coordination gegen BAYER-Gefahren, der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre sowie viele hundert AktionärInnen, die mich bzw. uns persönlich dazu beauftragt haben. Insgesamt vertrete ich alleine ca. 25 Tausend übertragene Aktien.
Zunächst zum Gewinnantrag: Wir beantragen die Kürzung der Dividende auf 10 Cent je Aktie. Die frei werdenden Gelder sollen verwendet werden
- für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne;
- für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind;
- für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards
- und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Opfer bzw. deren Angehörige und Nachkommen.
Es sei wie jedes Jahr angemerkt, daß wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, doch nach der Lage der Gesetze ist das nicht möglich.
 
Meine Damen und Herren, wir stellen weiterhin die Anträge, den Vorstand nicht zu entlasten und auch dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Wir begründen diese Nicht-Entlastungen damit, dass beide Gremien ihrer Verantwortung im dargelegten Sinne in keiner Weise gerecht wurden und uns zudem hier im Saal in die Irre führen.
 
Meine Damen und Herren, bitte lassen Sie sich nicht von Geld und Dividende leiten. Sie tragen als AktionärInnen Verantwortung für die gesellschaftlichen und ökologischen Folgen der Tätigkeit dieses Konzerns. Stimmen Sie deshalb bitte mit uns bei ALLEN Anträgen mit NEIN. Stärken Sie so mit ihren Aktien das wichtige Signal für soziale Sicherung, Umweltschutz und Menschenrechte. Sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, aber dennoch mit uns stimmen wollen, so lassen Sie bitte Ihre Aktien nicht von BAYER unten am Ausgang vertreten, sondern von uns. Lassen Sie sich auch nicht von BAYER-Mitarbeitern bedrängen, die Ihnen die Stimmrechte abfordern, wenn Sie den Saal verlassen. Es ist Ihr gutes Recht, uns Ihre Stimmrechte zu übertragen. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links. Vielen Dank. (PK)

Axel Köhler-Schnura ist einer der Gründer und ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) aktiv. Ausserdem ist er Gründungsmitglied des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.


Online-Flyer Nr. 404  vom 01.05.2013



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