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Wirtschaft und Umwelt
Weltwassertag 2013 - Auftakt der Kampagne des Berliner Wassertisches:
"Berlin sagt: Veolia adieu!"
Von Ulrike von Wiesenau

Auf der zentralen Kundgebung zum Weltwassertag am Brandenburger Tor haben AktivistInnen des Berliner Wassertisches, Bürgerinitiativen, NGOs, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen ihre große Besorgnis über den Umgang mit Wasser durch Politik und Wirtschaft zum Ausdruck gebracht. Der Berliner Wassertisch und sein Vokalensemble, die Camerata "Veolia adieu" (Veolia, der Lenz ist da), haben den Berlinerinnen und Berlinern die neue Kampagne "Veolia adieu oder: Warum Veolia Berlin verlassen muss" vorgestellt. Die Demonstration im Anschluss an die Kundgebung führte zu Veolia Wasser Deutschland, Unter den Linden. Ein unsouveräner Konzern hatte neben Polizeischutz im Hause eigens die Aufzüge verbarrikadiert, kein Vertreter des Unternehmens fand sich zu einem Gespräch bereit.


"Veolia adieu" - Aktivisten des Berliner Wassertisches demonstrieren vor Veolia Wasser Deutschland, Unter den Linden.
Alle Bilder: Berliner Wassertisch
 
Veolia sagt: "Als privater Partner können wir unser Fachwissen im Wasser- und Energiemanagement einbringen und den Kommunen helfen, ihre Kosten zu senken und ihre Belastungen in einem erträglichen Maß zu halten." Fakt ist: In Berlin sind nach 13 Jahren "Öffentlich-Privater Partnerschaft" (PPP) die Wasserpreise um über 35% gestiegen, die Berliner zahlen im deutschen Städtevergleich die höchsten Wasserpreise. Das Bundeskartellamt hat deshalb am 5.Juni 2012 eine Preissenkungsverfügung gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wegen"missbräuchlich überhöhter Trinkwasserpreise" erlassen. Aufgaben der Nachhaltigkeit wie Netzrehabilitation, Energieeffizienz und Reinigungsqualität werden darüber hinaus nur unzureichend angegangen.
 
Veolia sagt: "Gute Perspektiven für die Beschäftigten. Arbeitsplatzsicherheit ist gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten ein hohes Gut. Wir garantieren die Übernahme aller Mitarbeiter vom bisherigen Netzbetreiber und schließen betriebsbedingte Kündigungen aus." Fakt ist: Drei Wasserwerke wurden geschlossen und der Personalbestand der Berliner Wasserbetriebe wurde seit 1999 um mehr als 2000 Beschäftigte reduziert.
 
Veolia sagt: "Die Kommune hat das Sagen. Veolia Wasser bietet flexible und maßgeschneiderte Modelle einer Zusammenarbeit an, je nach dem konkreten Bedarf und den spezifischen Anforderungen vor Ort. Der Einfluss der Kommune ist vertraglich garantiert, die Rollen sind klar verteilt: Die Kommune gibt die strategische Richtung vor, trifft wichtige Investitionsentscheidungen und legt die Grundversorgungstarife fest."Fakt ist:Die Gewinne sind zu Gunsten des privaten 'Partners' ungleich verteilt, das Land Berlin haftet für die Gewinne von Veolia und hat sich obendrein seiner Entscheidungsbefugnisse beraubt, denn die betriebliche Führung liegt, auch nach dem überteuerten Rückkauf der Anteile von RWE, beim privaten Minderheitseigner Veolia. Das Land hat, obwohl es nun mit 75% der Anteile Mehrheitseigner ist, weiterhin nichts zu sagen.
 
Veolia sagt: "Gerade in der Hauptstadt war die Diskussion um die Berliner Wasserverträge ...von Vorurteilen bestimmt... obwohl bereits alle Vertragsunterlagen vollständig im Internet standen." Fakt ist: Der Vertrag zwischen den Privaten und dem Senat zur Teilprivatisierung wurde erst 2011 veröffentlicht, nachdem die Offenlegung der Verträge durch den Berliner Wasser-Volksentscheid erzwungen wurde. Auch der Vertrag zwischen Senat und der RWE-VEOLIA-Beteiligungs-GmbH zur Übertragung der 100%-igen Geschäftsführung blieb verborgen. Volle Transparenz gibt es bis heute nicht.
 
Veolia sagt: "Wir sind attraktive Partner für den Standort und das Land Berlin". Fakt ist: Die Erfahrungen mit der Berliner Teilprivatisierung, der grössten innerhalb der EU, zeigen, dass die sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaft (PPP) in Berlin in Wirklichkeit nur der garantierten Rendite von Veolia dient, die öffentliche Hand aber das Nachsehen hat. Investitionen in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur passen nun einmal nicht zu schnellem Gewinn, es gibt einen grundlegenden Widerspruch zwischen dem Streben eines Großunternehmens nach betriebswirtschaftlicher Rentabilität und einer am Gemeinwohl orientierten, demokratischen Wasserversorgung. Das macht Veolia unattraktiv für Berlin.

Das Vokalensemble des Berliner Wassertisches, die Camerata "Veolia adieu", und Teilnehmer der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor
 
Die geplante neue EU-Konzessionsrichtlinie hat die Interessen von Konzernen wie Veolia im Blick. Über diesen von Lobbyisten in der EU vorangetriebenen Umweg könnte es zur Privatisierung der gesamten Wasserversorgung kommen, denn selbst wenn Stadtwerke der Kommune gehören, müsste nach der neuen Richtlinie die Konzession für die Wasserversorgung komplett neu ausgeschrieben werden, sofern das Stadtwerk einen privaten Anteilseigner hat, auch Strom oder Gas verkauft oder mehr als 20% seines Umsatzes außerhalb der Gemeindegrenzen erwirtschaftet. Wenn Veolia seine Anteile an den Berliner Wasserbetrieben behält, greift also die neue Konzessionsrichtlinie, die Berliner Wasserversorgung wäre damit einer vollumfänglichen Privatisierung anheim gegeben. Das macht Veolia noch zusätzlich unattraktiv für Berlin.
 
Die Ausgangskonstellation ist nicht kongruent, doch wie es anders gehen könnte zeigt das Beispiel von Paris. Am 1.Januar 2010 entzog die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft den Konzernen Veolia und Suez die Konzession, die Wasserversorgung kam in städtischen Besitz zurück. Mit "Eau de Paris" wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet. Ein partizipatives Kontrollgremium, »l'observatoire parisien de l'eau«, sichert nun die demokratische Kontrolle. In diesem Kreis werden die Zukunftsentscheidungen für das Pariser Wasser getroffen. Die Stellvertretende Bürgermeisterin von Paris, Anne Le Strat, zieht folgendes Resumé: "Wir konnten eine achtprozentige Preissenkung für Trinkwasser durchführen, es ist wieder möglich, langfristig zu planen, und die Gewinne können endlich wieder in die Infrastruktur der Wasserversorgung fließen, anstatt in die Hände der Aktionäre. Außerdem hat die Rekommunalisierung auch positive Effekte auf die Sozialpolitik, weil es wieder möglich ist, günstigere Tarife für sozial schwache Menschen anzubieten. Rekommunalisieren ist also auch sozialer."
 
Wann reisen Vertreter des Senats zur Beratung nach Paris? Wasserbetriebe in öffentlicher Hand mit einem partizipativen Kontroll-Gremium sind ein Zukunftsmodell, gerade auch für Berlin. (PK)

 
Gefahr droht unserem Wasser - weltweit!
 
In der Pressemitteilung zum Weltwassertag am 22. März 2013 finden Sie folgenden Text:
Auf der zentralen Kundgebung zum Weltwassertag am Brandenburger Tor haben AktivistInnen des Berliner Wassertisches, Bürgerinitiativen, NGOs, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen ihre große Besorgnis über den Umgang mit Wasser durch Politik und Wirtschaft zum Ausdruck gebracht. Der Berliner Wassertisch und sein Vokalensemble, die Camerata "Veolia adieu" (Veolia, der Lenz ist da), haben den Berlinerinnen und Berlinern die neue Kampagne "Veolia adieu oder: Warum Veolia Berlin verlassen muss" vorgestellt. Die Demonstration im Anschluss an die Kundgebung führte zu Veolia Wasser Deutschland Unter den Linden. Ein unsouveräner Konzern hatte neben Polizeischutz im Hause eigens die Aufzüge verbarrikadiert, kein Vertreter des Konzerns war zu sprechen.
 
Aus der Fülle der Redebeiträge seien folgende Zitate festgehalten:

Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW): "Wir brauchen alle Wasser zum Überleben. Deshalb müssen endlich Schritte folgen, Wasser als Allgemeingut in der deutschen Verfassung, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und den europäischen Verträgen zu garantieren."
 
Kostas Papanastasiou, Schauspieler, Sänger und Poet, Mitbegründer des Griechenland-Solidaritätskomitees Berlin, ergreift das Publikum: "Für uns alle ist Wasser nicht nur ein öffentliches Gut, es ist ein Symbol für Gerechtigkeit und Freiheit. Mit seiner Privatisierung verkauft unsere Regierung unser kulturelles Erbe und unsere Seele."
 
Dorothea Härlin vom European Water Movement fordert: "Wir wissen, dass hinter der Einbeziehung des Wassers in die EU-Richtlinie die massive Lobbyarbeit von Veolia und Suez stecken. Die Kampagne 'Veolia adieu' hat deshalb Bedeutung weit über Berlin hinaus."
 
"Berlin sagt 'Veolia adieu', weil ein unauflösbarer Widerspruch besteht zwischen dem Streben eines Großunternehmens nach betriebswirtschaftlicher Rentabilität und einer am Gemeinwohl orientierten, demokratischen Wasserversorgung", kommentiert Ulrike von Wiesenau, Pressesprecherin des Berliner Wassertisches.
 
Wirtschaftsexpertin Gerlinde Schermer stellt klar: "Rendite passt nicht zum Wasser."
 
"Daseinsvorsorge darf nicht Profitinteressen unterworfen werden, sondern muss dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger dienen und unter demokratischer Kontrolle stehen", erklärt Laura Valentukeviciute von Gemeingut in BürgerInnenhand.
 
"Millionen Frauen weltweit fordern sauberes Trinkwasser, das sie bezahlen oder selber besitzen können, in Kooperativen oder in gut geführten Stadtwerken", erinnert Eva Quistorp, Gründungsmitglied der Grünen und ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments.
 
Anna Bugey, engagiert bei GegenStrömung: "Der Belo Monte Staudamm ist nur ein Beispiel von vielen für den verantwortungslosen Umgang mit unseren Wasserressourcen. Staudämme sind klimafeindlich, sie zerstören natürliche Flussläufe und bedeuten für viele Menschen den Verlust ihrer Heimat und Lebensgrundlagen."
 
Sabrina Schulz, Koordinatorin der Forschungsgruppe Getidos und des "Big Jump Challenge", weiß, dass saubere Flüsse und Seen auch ein Anliegen junger Leute sind: "Hunderte Jugendliche werden am 16. Juni 2013 in ihren Flüssen und Seen baden und mit dieser Aktion deutschlandweit zu mehr Gewässerschutz aufrufen."
 
Jens-Martin Rode vom Berliner Energietisch: "Genau wie der Wassertisch fordert auch der Energietisch: Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand und sollte nicht den Gewinninteressen Privater unterworfen werden. Wir fordern deshalb die Stromnetze zurück von Vattenfall und wollen auch bei der Energieversorgung wieder Verantwortung übernehmen."
 
 
Weltwassertag 2013 am Brandenburger Tor mit:
Mathias Ladstädter (ver.di), Christa Hecht (AöW, Allianz öffentliche
Wasserwirtschaft), Dorothea Härlin (EWM, European Water Movement),
Kostas Papanastasiou (Griechenland-Solidaritätskomitee Berlin);
Jens-Martin Rode (Berliner Energietisch), Dr.Motte .urbanaid, Susanne
Jacoby (Campact), Michael Bender (Grüne Liga), Attac Berlin, Laura
Valentukeviciute (Gemeingut in BürgerInnnenhand (GiB)), Getidos und
 "Big Jump Challenge", Initiative gegen den Staudamm von Belo Monte ,
 GegenStrömung gegen Staudämme in der Türkei, Eva Quistorp (Frauen für
 den Frieden), Thomas Schmidt (Genossenschaft von unten), Forum Umwelt
 und Entwicklung, Rebecca Sommer (EarthPeople), Ecomujer, ASW
(Aktionsgemeinschaftsolidarische Welt), IPPNW, und der Unterstützerkreis des europäischen Bürgerbegehrens „Wasser ist Menschenrecht" (www.right2water.eu/de)
 
Gerlinde Schermer: 0177 24 62 983
Ulrike von Wiesenau: (030) 781 46 04
 
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Info mailing list
Info@berliner-wassertisch.net
http://berliner-wassertisch.net/mailman/listinfo/info


Online-Flyer Nr. 399  vom 27.03.2013



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