NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

Fenster schließen

Lokales
Bis zu 8 Millionen Euro gehen von Köln zurück nach Brüssel
Der Mülheim 2020-Skandal
Von Heinz Weinhausen

Nach eigenen Berechnungen werden zurzeit nur 32 der 40 Millionen Euro an Fördergeldern abgerufen werden. So wurde das wichtige Bildungsbüro, das zentrale Wirtschaftsbüro um die Hälfte der Laufzeit und um die Hälfte der Gelder gekürzt, das eSports-Projekt gecancelt, das Bau-Recycling-Projekt wurde aufgegeben. Das Projekt »Neue Arbeit für Mülheim« steht vor dem Aus. Nun drohen bis zu 8 Millionen Euro einfach zu verfallen. Es kann nicht sein, dass die Stadt auf der einen Seite einen harten Sparkus fährt und sich auf der anderen Seite unfähig zeigt, Fördermillionen abzurufen.

Schon im Februar 2010 zeigten sich BesucherInnen der Eröffnungsveranstaltung von Mülheim 2020 skeptisch.
NRhZ-Archiv
 
Das können immer weniger Bürger begreifen, denn das Geld fehlt im Viertel, so z.B. beim Kulturbunker, der weggespart werden soll. Hauptgrund für die Verzögerungen und Ausfälle ist das umständliche Ausschreibungsverfahren, welches die Verwaltung auf Betreiben von Michael Zimmermann, SPD, OB Roters (Mülheim 2020 Chefsache!) und Bürgeramtsleiter Oster gewählt hat: Alle Projekte wurden europaweit ausgeschrieben. Dadurch wurde die Umsetzung um Jahre verzögert, das Ziel, Mülheim 2020, unseren Stadtteil an den städtischen Durchschnitt heranzuführen, rückte in weite Ferne. Mülheim stürzt weiter ab (siehe auch den Brief einer Mülheimer Bürgerin im Folgenden)
 
Der SSM hat inzwischen durch ein Rechtsgutachten nachweisen lassen, dass für die meisten Projekte im sozialen und kulturellen Bereich ein einfaches Verhandlungsverfahren genügt. Das wichtige Projekt »Sprachförderung für Kitas«, welches Roters und Oster bereits aufgegeben hatten, konnte auf diese Weise durch Bürgerengagment noch nachträglich gerettet werden.
 
Stadtintern Konsequenzen gezogen
 
Inzwischen wurden klammheimlich intern die Konsequenzen gezogen. OB Roters hat das zuständige Dezernat für Stadtentwicklung, das er sich 2010 persönlich zugeordnet hatte, an den neuen Baudezernenten Höing zurückgegeben, Michael Zimmermann hat sein Ratsmandat und den Job als SPD-Fraktionsgeschäftsführer aufgegeben und eine Stelle in der Verwaltung angetreten. So braucht er sich den beschämenden Ergebnissen seiner Amtszeit als Ratsvertreter für Mülheim nicht im Wahlkampf zu stellen. Projektleiter Hans Oster haben sie ratlos mit der Amtsleiterin Kröger zurückgelassen.
 

Lieber eine Stelle in der Verwaltung
angetreten – Ex- SPD-Ratsmitglied
und -Fraktionsgeschäftsführer Michael
Zimmermann
NRhZ-Archiv
Um das Mülheim 2020-Programm noch zu retten, macht der SSM nun folgende Vorschläge:
 
1) Aufstockung des Verfügungsfonds

Die Mülheimer Bürgerinnen und Bürger, die Initiativen und Vereine haben in den letzten Jahren eindrucksvoll gezeigt, dass sie in der Lage sind, sehr kurzfristig eine bunte Mischung von Projekten umzusetzen und die Gelder des Verfügungsfonds Mülheim auszuschöpfen. Deswegen wurden diese schon im Jahre 2011 beträchtlich aufgestockt. Allein im November 2012 wurden im Veedelsbeirat 12 Bürger-Projekte bewilligt. Mit einer weiteren Aufstockung des Verfügungsfonds auf bis zu 5 Millionen Euro kann ein Verfall der Mülheimer Fördergelder zum Segen des benachteiligten Stadtteiles verhindert werden.
 
2) Ersatzprojekt Baurecyclinghof
Im „Baustoff-Recycling und Second-Hand-Baumarkt“ sollten Langzeitarbeitslose wieder dauerhafte Arbeit finden. Das Projekt wurde seitens der Verwaltung auf die lange Bank geschoben, bis ergänzende Jobcenter-Gelder nicht mehr greifbar waren. Dass es auch hätte anders gehen können, zeigt das erfolgreiche Projekt der Stadtteilmütter, das die Arbeitsamtgelder noch nutzen konnte.
Seit September 2011 (!) verspricht die Verwaltung ein Ersatzprojekt. Dies gilt es nun zügig umzusetzen. Unverständlich bleibt dabei, dass die Verwaltung verschweigt, was das für ein Projekt werden soll und wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden können.

4) Projekt »Neue Arbeit für Mülheim« realisieren
Hier sollen für an den Rand gedrängte Menschen dauerhafte Niedriglohnarbeitsplätze geschaffen werden. Zum Ende der Ausschreibung im Juni 2012 war kein Angebot eingegangen. Sofort hätte das »Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb« wie bei dem Projekt »Sprachförderung in den KITAs« begonnen werden können. Stattdessen vertrat die Stadt die umstrittene Meinung, dass eine Klage vor dem Vergabegericht abzuwarten sei. Diese ist zwischenzeitlich abgewiesen, womit der Weg frei ist für ein zügig durchgeführtes direktes Verhandlungsverfahren.
 
4) Internationales Geschäftshaus
Die Initiative »Internationales Geschäftshaus« verfolgt das Ziel, ein Geschäftshaus für Gewerbetreibende mit und ohne Migrationshintergrund in zentraler Lage in Mülheim zu errichten, für dessen Realisierung die Initiative keine Fördermittel benötigt.
Die Stadtverwaltung hat seit vier Jahren den Auftrag, dafür einen geeigneten Standort zu finden. Nichts ist passiert. Wie beim Rheinboulevard sollte die Stadt Grund erwerben.
Die Stadt Köln kauft ein Grundstück auf der Industriebrache »Alter Güterbahnhof« und die Sache wäre geritzt.
 
Brief von Cornelia Specks
 
Über den Niedergang der Berliner Straße im Gebiet von Müllheim 2020 schreibt die gebürtige Mülheimerin Cornelia Specks, Hauseigentümerin in der Berliner Straße am 8.2.d.J. an die Mitglieder des Kölner Vereins »Heimat für alle Köln«:
 
»Nachdem ich letzte Woche von Mo - Mi in der Berlinerstr. 58 in Köln Mülheim war, hatte ich genug Gelegenheit, die Zustände auf den Straßen ringsum in Ruhe zu betrachten und mußte mal wieder feststellen, dass sich auch, trotz meiner regelmäßigen Briefe ans Ordnungsamt, nicht viel geändert hat. Ich zählte auf knapp 1 Quadratkilometer 7 Wettbüros und Spielhallen (alles auf der Berliner- und in der Von Sparr-Straße, davon sind neu seit letztem Sommer 3, und eines, was 6 Monate geschlossen war, wurde im Januar wiedereröffnet.) Zudem gibt es in diesem Gebiet mindestens 7 Cafes teilweise als Kulturverein bezeichnet, in denen auch um Geld gespielt wird oder entspr. Automaten hängen.
 
Herr Yolcu, unser netter türkischer Mieter, erzählte mir, dass mindestens zwei der Wettbüros einem türkischen Obst- und Gemüsegroßhändler aus Köln gehören. Eines davon belegt die gesamten ehemaligen Räumlichkeiten eines mittelgroßen Supermarktes in der Von Sparr-Straße.
Weiterhin konnte ich beobachten, wie nachmittags um 16 Uhr vor dem Haus Berlinerstr.62 zwei doch augenscheinlich Prostitiuierte Bargeld in großen Scheinen von ihrer »Chefin« vor einem großen dunklen Taxi in die Hand gedrückt bekamen (die beiden Frauen, von denen eine gerade mal 18 Jahre alt schien und dann mit ins Taxi stieg) kamen aus dem hier gerade genannten Miethaus, in dem sich auch eine Spielbank befindet.
 
Auf den Gehwegen rund um die Kreuzung Berlinerstr./Von Sparr-Straße werden von 13 Uhr mittags bis 22 Uhr abends Drogen in jeglicher Form (Tüten mit weißem Pulver oder bunten Pillen) gehandelt. All das, während jede Menge Schulkinder im Alter von 6 bis 17 Jahren von der Schule nach Hause kommen.
 
Ich mußte deshalb leider nochmal (wie alle 4 - 6 Monate) die Polizei informieren, was ich wirklich nicht gerne tue. In Herrn Yolcus gut geführtem Imbiss auf der Berlinerstr.60 wird Herr Yolcu fast täglich um Geld von Männern angebettelt, von denen er sicher weiß, das es auch Familienväter sind und dass sie dieses Geld direkt in die nächste Spielothek bzw. ins nächste Wettbüro tragen. Im Dezember kamen ab Monatsmitte täglich ca. dreimal diese Männer zu Herrn Yolcu und haben teilweise regelrecht um Geld gefleht...
 
Zeitgleich wird hier in der MüTZe und an der Antoniuskirche dreimal pro Woche kostenlos Essen und Lebensmittel an Bedürftige ausgegeben. Und jede Woche sind es mehr Menschen, die dieses Angebot wahrnehmen.
 
Mehr als nur ein paar Haus- und Grundbesitzer, Geschäftsleute, Mieter als Bewohner und »brave« Erwerbstätige, die Sozialeinrichtungen, Schulen und Kindergärten und die ärztliche Gemeinschaftspraxis im Lidl-Haus sind mit diesen Zuständen in keiner Weise einverstanden. Der Umbau der Berlinerstrasse wird an diesen Zuständen nichts ändern, behaupte ich.« (PK)
 
 
Heinz Weinhausen ist seit vielen Jahren aktiv im SSM, www.ssm-koeln.org, Düsseldorfer Str. 74, 51063 Köln


Online-Flyer Nr. 394  vom 20.02.2013



Startseite           nach oben