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Internationaler Soldatengottesdienst im Hohen Dom zu Köln am 10. Januar 2013
Kardinal Meisners Aufruf zum Widerstand
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am 10. Januar 2013 war es wieder soweit. Im Kölner Dom kamen im Rahmen des so genannten Weltfriedenstags Teile der Bundeswehr und anderer NATO-Streitkräfte zum alljährlichen Soldatengottesdienst zusammen. Unter dem Motto "Selig, die Frieden stiften" sprachen im Dom Joachim Kardinal Meisner und Bundeswehrführer Thomas de Maiziére. Vor dem Dom marschierten Nonnen mit Maschinengewehren und Schildern. Vielfältige Formen des Protests gegen das Militär-Spektakel zogen vor der Kölner Kathedrale die Aufmerksamkeit auf sich. Aber Kardinal Meisner ging über die Forderungen der Protestierenden unerwartet weit hinaus.


RIP: Der Friede ruhe in Frieden
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com (Klaus Franke)


„In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher“ – Meisners Nonnen-Garde marschiert


Schlachtruf von Meisners Nonnen-Garde: „Kundus beginnt im Dom.“
 

Joachim Meisner, Kardinal von Köln und Kundus


Schlachtruf von Meisners Nonnen-Garde: „Kampfnonnen statt Drohnen.“


Unter weiten Gewändern ist die Waffe vor Missbrauch sicher.


Kardinal Meisner: keine Indoktrination mehr. Sich den Gesetzen des Stärkeren „nicht einfach unterwerfen“.
 

Kameraden, höret die Botschaft: „Jeder mit Blut befleckte Mantel wird ein Fraß des Feuers“


Nie mehr Kriegshetze und Kriegslügen


Kameraden, höret die Botschaft: „Du zerbrichst das drückende Joch und den 
Stock des Treibers.“


Keine Raub-, Mord- und Plünderungskriege mehr (wie in Jugoslawien, Afghanistan, Libyen,…)


Die Garden des Friedens mit altmodischem Weihrauchkesselchen (statt Luftgewehr von Weihrauch)


Frieden im Namen Christi – Pfeifkonzert für den Kardinal des Widerstands


Limousinen der gesegneten Militärs mit Friedensauftrag


Meisners Nonnen-Garde versteht sich als „Söldner Gottes“


RIP: Der Frieden ruhe in Frieden. Akzeptiere nicht die „Macht des Stärkeren“!


„Wieder einmal segnet Kardinal Meisner die katholischen und andere christliche NATO-Soldaten. Die Perversion des weltweiten Kriegseinsatzes von deutschen Soldaten im Auftrage der NATO und anderer internationaler Aktionen geht weiter. Kardinal Meisner segnet es ab. Die unheilige 2000jährige Allianz von Thron und Altar wird damit fortgesetzt. Die BRD ist aktiver Partner der weltweiten Kriegseinsätze (jüngster Fall, die Stationierung von Raketen auf dem Gebiet der Türkei gegenüber Syrien). Jeder friedensbewegte Mensch, der dagegen ist, dass das Leben der deutschen und anderer NATO-Soldaten nicht sinnlos für Kriege - außerhalb einer Landesverteidigung geopfert werden sollen - und dies noch mit dem Segen der Kirche - sollte sich hier frei nehmen und unsere Aktion... unterstützen.“ So hieß es in einem Aufruf zum Protest gegen den 36. Internationalen Soldatengottesdienst im Hohen Dom zu Köln. [1]

Friedenspreis für Kardinal Meisner

Doch es kam anders als erwartet. Kardinal Meisner hat in seinem Kanzelwort an die Soldaten im Januar 2013 Gedanken formuliert, die kaum jemand für möglich gehalten hätte. Er stellt „das eingespielte Machtgefüge dieser Welt in Frage“. Er akzeptiert nicht die „Macht des Stärkeren“. Er ruft dazu auf, sich den Gesetzen des Stärkeren „nicht einfach zu unterwerfen“. Und er geht noch einen Schritt weiter. Er vergleicht die Situation heute mit dem Hitler-Faschismus. Er beschreibt den Widerstand gegen das Hitlerregime als Vorbild für den erforderlichen Widerstand heute. Er formuliert damit einen Gedanken, der in der Vergangenheit als Relativierung und Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus verurteilt worden wäre. Damit macht er deutlich, wie ernst die Situation heute ist. Es erscheint unumgänglich, Joachim Kardinal Meisner für die Auszeichnung mit einem der vielen renommierten Friedenspreise vorzuschlagen.

Insgesamt leitet Kardinal Meisner die Notwendigkeit zum Widerstand gegen das Machtgefüge dieser Welt wie folgt her: „Als Einzelner kann ich scheinbar wenig tun in einer globalisierten Welt, in der wir vielfach abhängig sind von den Entscheidungen wirtschaftlicher und politischer Herrscher. Allen Menschen ist aufgetragen, als Friedensstifter das Miteinander in ihren Gemeinschaften und Nationen zu prägen... Frieden stiften heißt ja nicht nur Streit vermeiden, sondern aktiver Einsatz für den Frieden. Frieden stiften in der Perspektive der Seligpreisungen heißt, schon die Gründe und Ursachen für den Unfrieden aus der Welt zu schaffen. Friedensstifter sind alles andere als harmlos! Sie richten sich nicht ein in der Welt, wie sie nun mal ist, sondern bleiben unruhig über den Streit in aller Welt. Sie stellen das eingespielte Machtgefüge dieser Welt in Frage. Friedensstifter setzen der wirklichen Macht des Stärkeren schon dadurch Grenzen, dass sie sich seinen Gesetzen nicht einfach unterwerfen. Menschen wie die Märtyrer im Hitlerregime, etwa Maximilian Kolbe, Nikolaus Groß und viele andere, haben uns das überzeugend vorgelebt.“ [2]

„Jeder mit Blut befleckte Mantel wird ein Fraß des Feuers“

Und auch Bundeswehrführer Thomas de Maiziére wächst über sich hinaus und macht den Völkern, die von den scheinbar übermächtigen Kriegsapparaten von USA und NATO bedroht und angegriffen werden, Mut, das drückende Joch zu zerbrechen – wie am Tag von Midian, als scheinbar Unterlegene einen übermächtigen Gegner besiegten. Er sieht, wie die übermächtigen von Blut befleckten Kriegsapparate der USA und der NATO ein Ende finden – wie sie ein „Fraß des Feuers“ werden.

Er trägt diese Gedanken in den Worten Jesajas vor. Wörtlich: „Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers. Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.“ [3]

Kardinal von Köln und Kundus

Doch dann sind aus dem Munde von Kardinal Meisner die folgenden Sätze zu hören: „Den Frieden zu fördern, ist und bleibt unsere Aufgabe. Das [Zweite Vatikanische] Konzil mahnt deshalb namentlich die Soldaten, sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker zu betrachten. Der Zweck ihres Dienstes ist die Festigung des Friedens... Nur wo Soldaten und Soldatinnen – oft unter Einsatz des eigenen Lebens – ihren Dienst für die Mitmenschen so tun, wo sie den Menschenrechten zur Geltung verhelfen, wo sie den Terrorismus abwehren, da wirken sie in Wort und Tat für den Frieden.“ [2]

Das klingt so, als würde er sich selber und Bundeswehrführer Thomas de Maiziére widersprechen. Das klingt so, als würde er die Soldaten der Bundeswehr und der NATO anfeuern anstatt zum Widerstand aufzurufen. Spricht der Kardinal mit zwei Stimmen? Nein! Das wird deutlich, wenn wir uns vor Augen führen, wer die größten Terroristen auf der Welt sind, wer zurzeit die größte Zahl von Toten auf der Welt zu verantworten hat. Das sind eindeutig die Kräfte, die den so genannten "Krieg gegen den Terror" führen und – mit militärischen Mitteln – die Schaffung eines Neuen Nahen und Mittleren Ostens betreiben, dessen „Geburtswehen“ – wie Ex-US-Außenministerin Condoleezza Rice es nennt – wir zurzeit erleben.[4] Mehr als 1,7 Millionen Tote haben USA und NATO in Afghanistan, Pakistan und Irak auf dem Gewissen. [5] Deshalb ist klar: Kardinal Meisner ruft zum Kampf gegen diesen Terrorismus auf. Und er sagt dies einem Teil der für diesen Terror Verantwortlichen – denen, die vor ihm auf den Kirchenbänken sitzen – auf den Kopf zu.

Auf dem Dom-Vorplatz marschieren die Nonnen mit ihren Maschinengewehren im Gleichschritt. „Kundus beginnt im Dom“ – ist ihr Schlachtruf.(PK)


Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann sind Mitglieder des Aachener Friedenspreis e.V. und des Bundesverbands Arbeiterfotografie. Der Artikel ist ein Vorabdruck aus Ausgabe 4 (März 2013) der Quartalspublikation DAS KROKODIL.


Hinweise:

[1] Aufruf des Deutschen Freidenker-Verbands (DFV), Ortsverband Köln, zum Protest gegen den 36. Internationaler Soldatengottesdienst im Hohen Dom zu Köln
http://www.scharf-links.de/168.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=31516&cHash=9622fe2f99

[2] Rede von Joachim Kardinal Meisner beim Soldatengottesdienst am 10.1.2013
http://www.kmba.militaerseelsorge.bundeswehr.de/...pdf

[3] Lesung von Bundeswehrführer Thomas de Maiziére beim Soldatengottesdienst am 10.1.2013
http://www.kmba.militaerseelsorge.bundeswehr.de/...pdf

[4] The world may be seeing the „birth pains of a new Middle East“ [Die Welt kann die Geburtswehen eines neuen Mittleren Ostens sehen]
US-Außenministerin Condoleezza Rice gemäß DPA, 21.07.2006
http://news.monstersandcritics.com/northamerica/article_1183030.php/Mideast-bound_Rice_rejects_quick_truce_seeks_broad_solution

[5] IPPNW-Pressemitteilung vom 18.5.2012
Body Count - Opferzahlen nach 10 Jahren "Krieg gegen den Terror"
http://www.ippnw.de/startseite/artikel/a8966af902/body-count-opferzahlen-nach-10-ja.html



Online-Flyer Nr. 390  vom 23.01.2013



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