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Aktueller Online-Flyer vom 19. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Waldbesetzer/innen im Hambacher Forst rufen zu Klimaschutz von unten auf
Klimaschutz von oben demaskiert sich
Von Hildegard Miensopust

Wie jeden Dezember, dokumentierten die Staaten der UN-Klimakonferenz auch dieses Jahr in Doha ihre Unfähigkeit effektive Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen, während Wissenschaftler/innen immer eindeutiger zu der Erkenntnis kommen, dass wir uns zwischen einem kapitalistischen Wirtschaftssystem und einer bewohnbaren Erde entscheiden müssen. Gleichzeitig setzen in Deutschland staatliche Organe alles daran, den Widerstand gegen das größte Klimakiller-Projekt in ganz Europa – das Rheinische Braunkohlerevier - zu verhindern und zu kriminalisieren. Die Besetzer/innen aus dem Hambacher Forst rufen deshalb dazu auf, sich keine Illusionen mehr über staatlichen Klimaschutz zu machen, sondern sich jetzt gegen die menschengemachte Klimazerstörung von oben zu organisieren.
 

Besetzer/innen aus dem Hambacher Forst 
NRhZ-Archiv
Die neue Studie des Weltkli-marates der Vereinten Nationen (IPCC) wirft einen düsteren Ausblick auf die Zukunft der Erde. Bis 2100 wird sich das Klima um 3-5 Grad Celsius erwärmen, wenn es nicht sehr schnell zu einer drastischen Reduktion des globalen CO2-Ausstoßes kommt. Bei einer solchen Erwärmung ist mit massiver Wüstenausbreitung und einem Anstieg des Meeresspiegels zu rechnen. Durch beides werden in großem Maßstab bisher bewohnbare Landstriche unbewohnbar. Die Auswirkungen werden zuerst die Menschen im globalen Süden treffen, die am allerwenigsten verantwortlich sind für den menschengemachten Klimawandel. Selbst das Best-case-Szenario der Studie geht von einer Erwärmung von 2 Grad Celsius bis 2100 aus. Allerdings wurden alle Szenarien unter der Annahme gemacht, dass ein wachstumsbasiertes, kapitalistisches Wirtschaftssystem Bestand haben wird.
 
Davon gehen auch die „Staatenvertreter“ aus, die sich alljährlich zur Klimakonferenz treffen. Dass auch dieses Jahr in Doha nichts beschlossen wurde, was auch nur annähernd in die Richtung einer Lösung des Problems gehen würde, überrascht wenig, ist doch dort die Rolle der Politiker/innen, sich zwar verbal zum Klimaschutz zu bekennen, sich aber praktisch gegen alle CO2-Vorgaben für den eigenen Industriestandort zu wehren. Denn die Profite
eines Industriestandortes sind national, während die Auswirkungen durch das dort erzeugte CO2 global sind. Also sollen am besten immer die anderen einsparen. Die Grundlage dieser Problematik sind wertbasierte Wirtschaftssysteme, in denen nicht produziert wird, um konkrete Bedürfnisse zu stillen, sondern, um einen Profit zu erzielen, und zwar in der Konkurrenz zu anderen - sowohl bei den Unternehmen als auch den Staaten.
 
Das Einzige, was in Doha am Ende entschieden wurde, ist, dass das Kyoto-Protokoll bis 2020 weitergeführt werden soll. Das aber ist kein Erfolg für den Klimaschutz. Beim Emissionshandel des Kyoto-Protokolls geht es nämlich darum, eine weitere Ressource dem kapitalistischen Wettbewerb zuzuführen, um damit Geld zu machen.
 
„Wir erinnern uns an einen Vorschlag der Jugend-Umwelt-Bewegung der 90er Jahre“, sagt Svenja, die auch im Winter vor Ort ist, um den Hambacher Forst vor dem Braunkohlerevier von RWE zu retten. „Dort wurde vorgeschlagen, dass nicht Staaten oder Konzernen Verschmutzungsrechte zugeschrieben werden sollen, sondern jedem einzelnen Menschen - und zwar die gleiche Menge. Das würde die Entscheidungsgewalt mehr in Richtung der Einzelnen verlagern und einen Geldtransfer von reichen Firmen in Richtung armer Menschen veranlassen. Das wäre zwar keine komplette Lösung des Problems - die nur darin liegen kann, wertbasiertes Wirtschaften zu überwinden - aber es wäre ein Schritt in eine richtige Richtung - im Gegensatz zum durchgesetzten Emissionshandel, der ein Konzept im Sinne der Wirtschaft ist.“
 
Durch das Verhalten der staatlichen Behörden im Hambacher Forst wird das unterstrichen, was die staatlichen Vertreter/innen bei den Verhandlungen aufs Neue klargemacht haben: Es wird keinen staatlichen Klimaschutz geben, im Gegenteil ist der Staat mit seinen Repressionsorganen stets auf der Seite jener, die Profite mit der Klimazerstörung machen. Das beste Beispiel dafür ist das Verhalten der Polizei Rhein-Erft, die mehrfach mit illegalen Mitteln versuchte, die Neubesetzung am Rande des Hambacher Forstes zu verhindern, und dazu sogar den legalen Eigentümer der Wiese festnahm.
 
Für die Besetzer/innen im Hambacher Forst ist all das nicht überraschend. Die Analyse, dass es keinen Klimaschutz von oben geben wird, war bereits die Grundlage für die Besetzung des Waldes. Die Besetzer/innen hoffen aber, dass die Kombination der oben beschriebenen Ereignisse und Gegebenheiten mehr Menschen klarmacht, dass es notwendig ist, selbst aktiv zu werden.
 
„Wir rufen jetzt dazu auf, sich keinen Illusionen mehr hinzugeben über einen Klimaschutz von oben oder einen Klimaschutz innerhalb eines wachstumsorientierten und wertbasierten Wirtschaftens. Stattdessen müssen wir uns jetzt organisieren, um vor Ort - an den Orten der Zerstörung – den Wahnsinn zu stoppen“, sagt Svenja. „Wir erhalten viel Zuspruch für unseren Widerstand im Rheinischen Revier. Das Wichtige ist aber, dass sich dieser Widerstand vervielfältigt. Klimazerstörung findet an vielen Orten statt, und überall ist direkter Widerstand notwendig und machbar!“
 
„Wir müssen uns aber auch fragen, wie wir unsere Leben so organisieren können, dass sie klimagerecht gestaltbar sind. Wir müssen gemeinschafliche und klimaneutrale Techniken des Lebens und des Wirtschaftens wieder neu erlernen“, sagt Tom von der Besetzung. Beides - sowohl die Organisation des Widerstandes gegen RWE als auch das Erlernen eines klimagerechten Lebens - soll auf der Neubesetzung im Hambacher Forst passieren.
 
Beteiligt euch oder schafft ähnliche Orte! (PK)
 
Weitere Informationen: http://hambacherforst.blogsport.de/
 


Online-Flyer Nr. 385  vom 19.12.2012



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