NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

Fenster schließen

Sport
EM-Qualifikationsspiel der DFB-Frauen in Karaganda endete 7:0 (3:0)
Eurasisches Intermezzo
Von Bernd J.R. Henke

Sichtlich zufrieden präsentierte sich kurz nach dem Spiel auf der Pressekonferenz der neue kasachische Trainer Kaloyan Petko. Die schmerzhafte 17:0 Niederlage unter der Ägide seines Vorgängers aus dem Vorjahr in Wiesbaden war vergessen. Trainer Petkov gelang im Gegensatz zu seinem Vorgänger eine bessere taktische Einstellung seiner Mannschaft gegenüber der Nummer 2 der FIFA/Coca-Cola Weltrangliste. Weniger Tore trotz totaler Feldüberlegenheit der Deutschen war die Folge.

Celia Okoyino da Mbabi - Führungsspielerin im Weltklasseformat
Foto: A2 Bildagentur (Archiv)
 
Der kasachische Sport orientiert sich weitgehend nach Europa sowie zum großen Nachbarn Russland. Sehr bekannt ist in Deutschland seit Jahren der Radsportstall Astana, der bei allen Rundfahrten in Westeuropa zu finden ist. Im Jahr 2002 wechselte auf eigenem Antrag der Kasachische Fußballverband (Qasagstannyng Futbol Federazijassy) vom Asiatischen Fußballverband (AFC) in die Mitgliedschaft der UEFA. Seitdem gehören im Fußball eurasische Fernreisen zum Pflichtprogramm europäischer Spitzenmannschaften.
 
Die Fußballerinnen des zentralasiatischen Kasachstan, dessen Staatsgebiet ausschließlich in Asien liegt, fühlen sich dem europäischen Frauenfußball und seinem Spielsystem besonders eng verbunden. Sie teilen damit eine Passion wie die Sportlerinnen aus der Türkei, Israel, Aserbaidschan und Armenien, deren Staatsgebiete geografisch in Asien liegen. Im Frauenfußball belegt Kasachstan Platz 71 der FIFA/CocaCola Weltrangliste, bei den Männern nur Nummer 142.

Trainer Kaloyan Petko
Foto: Konstantin Pavlenko
 
Petkov beschönigte damit keineswegs die 7:0 Niederlage im „Shakhter Stadion“ von Karaganda. „Es ist noch zu früh über Fortschritte zu sprechen. Wir haben oft zuhause unser Spiel verloren, zugestanden mit nicht so vielen Toren. Die meisten von ihnen haben sicherlich bemerkt, dass wir extrem defensiv gespielt haben. Aber vergessen sie bitte nicht, wie stark das deutsche Team ist. Wir sind noch nicht in der Lage einen Angriffsfußball gegen sie zu spielen. Aber unser Team befindet sich erst im Aufbau.“
 
Das deutsche Trainerinnenteam Silvia Neid und Ute Ballweg nahm trotz des total hohen und überlegenden 7:0 Rekordsieges dieses Spiel überraschenderweise ziemlich ernst. Eigentlich hätte Deutschland mit einer B-Elf, quasi mit einer U-23, antreten können, um die notwendigen drei Pflichtpunkte nach Hause zu holen.


 Fatmire Bajramaj und Saule Karibayeva (11)
 Foto: Konstantin Pavlenko
 
Vorausgegangen war eine sehr intensive Trainingswoche in der Sportschule Duisburg-Wedau. Danach hatte man freitags am Düsseldorfer Flughafen früh morgens gegen 6:45 Uhr eine Chartermaschine mit dem Sonderflug AB 1250 bestiegen. Nach sechs Stunden Flug und einer angenehmen Reise landete die 38-köpfige DFB-Delegation mit 21 Spielerinnen und einem 17 Personen umfassenden Betreuerstab pünktlich um 16.45 Uhr Ortszeit in der viertgrößten Stadt Kasachstans.

Am Ball Babett Peter, bedrängt von den Verteidigerinnen Nadezhda Alyakina (5) und Marina Volkova (12), im Hintergrund stehend Lena Goeßling
Foto: Konstantin Pavlenko
 
Sichtlich war die Bundestrainerin bemüht, die geschenkte Zeit mit intensiven Vorbereitungen zu nutzen, den Kader wieder zu vergrößern sowie den Stammspielerinnen anzuzeigen, dass es in der Zukunft keine Erbhöfe geben wird. Mit der genesenen Kim Kulig, Simone Laudehr, Viola Odebrecht, der wieder nominierten Nadine Kessler sowie der defensiv als auch offensiv einsetzbaren Lena Goeßling hatte Bundestrainerin Silvia Neid gleich fünf Kandidatinnen für das deutsche Mittelfeld mit ins ferne Kasachstan einfliegen lassen.
 
Auf die Frage, ob sich das kasachische Team gegenüber dem ersten Qualifikationsspiel im November gegenüber Deutschland in verbesserter Verfassung gezeigt hätte, antwortete die deutsche Bundestrainerin dem gegnerischen Trainer zugewandt: „Heute war ihr Team sehr gut in der Defensive. Auch ihre Torhüterin spielte sehr gut und rettete so manch schwierigen Ball.“ Torhüterin Alexandra Grebenyuk war anstatt Torfrau Oksana Zhleznyak, die in Wiesbaden im Vorjahr so glücklos war, eingesetzt worden. Und wie man sah mit Erfolg. Trainer Kaloyan Petkov zählte zu den Besten seines Teams die blonde russischstämmige Stürmerin Maria Yalova. Hervorzuheben aus dem deutschen Angriff, so meinte er, wäre vor allem die Stürmerin Fatmira Bajramaj, die die aktivste Spielerin gewesen sei. Trotzdem wäre es der kasachischen Abwehr für einige Zeit recht erfolgreich gelungen, sich dem Torhunger der Frankfurter Weltklassestürmerin zu erwehren.


Babett Peter im Zweikampf mit Begaim Kirgizbaeva (8)
Foto: Konstantin Pavlenko
 
Er betonte weiter, dass das Auftreten seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit generell Anerkennung zu verdienen hätte. Die Kasachinnen versuchten sogar mit Gegenangriffen zu kontern. Maria Yalova versuchte ihr Bestes in der Offensive. Aber sie wurde immer durch zwei deutsche Abwehrspielerinnen streng markiert.
 
Zur Freude der deutschen Fans führte die deutsche Nationalelf nach acht Minuten durch ein frühes Tor von Celia Okoyino da Mbabi. Mit couragierter Hingabe versuchten die Kasachinnen ein weiteres Tor zu vermeiden. Die deutsche Mannschaft hatte mehrere Chancen durch Fatmire Bajramaj und Anja Mittag zum Torerfolg. Aber die Kasachinnen widerstanden. Der 21-jährigen kasachischen Mittelfeldspielerin Madina Zhanatayeva vom Verein BIIK Kazygurt aus Shymkent gelang es im Gegensatz zum Hinspiel, die Wendekreise von Celia Okoyino da Mbabi und Simone Laudehr zu neutralisieren und deren Spielfluss ein wenig zu stören.
 
Andererseits gab es in der Offensive kein Durchkommen für Maria Yalova. Nach einer halben Stunde war die Kasachin gezwungen ins Mittelfeld zurückzugehen, da der deutsche Angriff immer druckvoller spielte und durch Viola Odebrecht und ein sehenswertes Kopfballtor durch Celia Okoyino da Mbabi zwei weitere Tore zum 0:3 Halbzeitstand gefallen waren.

Rückflug nach Hause
Foto: DFB
 
Die Teams gingen mit Toren von da Mbabi 8 (0:1), Odebrecht 33 (0:2) und wiederum da Mbabi 42. (0:3) in die Pause. Nach der Pause erhöhte die in Schweden spielende Anja Mittag 55. (0:4). In der 63. Minute schoss die Abwehrspielerin Bianca Schmidt aus 14 Metern aus halbrechter Position zum 0:5 ein. Es war für die Neu-Frankfurterin das erste Tor in der Nationalmannschaft.
 
Über das ganze Gesicht strahlte Kim Kulig, als sie in der 66. Minute für Anja Mittag eingewechselt wurde. Es war ihr Comeback in der Nationalmannschaft - rund 14 Monate nachdem sie sich beim WM-Viertelfinale gegen Japan einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Kim Kulig: "Ich bin sehr glücklich, dass ich spielen durfte. Das war ein langer Weg zurück.“

Im Flugzeug las Kim Kulig Literatur für ihr Fernstudium in Sportmanagement. "Kim hat eine unheimlich positive Ausstrahlung – schon jetzt wieder. Sie wird sich in den kommenden Wochen und Monaten weiter verbessern, derzeit fehlt es ihr zum Beispiel noch ein bisschen an der Handlungsschnelligkeit. Aber sie ist eine Persönlichkeit, die unserer Mannschaft auch außerhalb des Spielfelds gut tut“, so Bundestrainerin Silvia Neid.
Foto: DFB 
 
Die Umklammerung der kasachischen Mannschaft in der eigenen Hälfte wuchs von Minute zu Minute. Dass die Kasachinnen mit den bis dato fünf Gegentoren noch gut bedient waren, belegt die UEFA-Spielstatistik: Diese weist ein Torschuss-Verhältnis von 35:0 zu Gunsten der deutschen Mannschaft auf. Kritisch meinte die Bundestrainerin: „Wir haben eine gute Spielanlage gezeigt, den Gegner laufen lassen, das Spiel gut verlagert, das Tempo hoch gehalten. Die Entschlossenheit vor dem Tor hat gefehlt. Im Strafraum waren wir nicht präsent genug oder haben den Moment zum Torabschluss nicht immer gut gewählt.“
 
Doch kurz vor Schluss gelang der deutschen Mannschaft die Erhöhung des Ergebnisses. Mit Martina Müller 86. (0:6) und Lena Goeßling 87. (0:7) konnte die deutsche Mannschaft ihre Bilanz noch einmal aufpolieren. Nach dem 7:0-Erfolg bleiben die Deutschen in Gruppe 2 der EM-Qualifikation weiter ungeschlagen. Mittlerweile stehen acht Siege und ein Unentschieden aus neun Spielen zu Buche. Dazu ein überragendes Torverhältnis von 54:3 Treffern.

"Ich bin um 4.40 Uhr aufgestanden", so Martina Müller, "habe dann eine schnelle Dusche genommen und ein wenig gefrühstückt. Es war genug Platz da, jeder hatte eine Sitzreihe mit drei Plätzen für sich, da konnte man sich hinlegen.“
Foto: DFB
 
Tore: da Mbabi 8 (0:1), Odebrecht 33 (0:2), da Mbabi 42 (0:3), Mittag 55 (0:4), Schmidt 63 (0:5), Muller 86 (0:6), Goessling 87 (0:7)
 
Kasachstan: Grebenyuk, Zhanatayeva, Alyakina, Zholchiyeva, Kirgizayeva, Krasyukova, Yalova, Karibayeva (Idiatullina46), Myasnikova, Birvagen, Vyldanova (Alimkulova 84)
Reserve: Zheleznyak, Tsevan, Volkova, Mamedova, Aitymova
 
Deutschland: Angerer, Schmidt, Bartusiak, Peter, Laudehr, Behringer, Mittag, da Mbabi, Odebrecht (Krahn 46), Bajramaj, Goeßling
Reserve: Schult, Kulig, Kessler, Müller, Huth, Kemme
Schiedsrichterin: Monica Larsen (Norwegen)

Weltklasse und immer mehr die Seele der deutschen Offensive – wie einst Birgit Prinz: Fußballerin des Jahres Celia Okinyo da Mbabi
Foto A2 Bildagentur (Archiv)
 
Fotobearbeitung: Dietmar Tietzmann, Frankfurt (PK)


Online-Flyer Nr. 373  vom 26.09.2012



Startseite           nach oben