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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Die Internationale Liga für Menschenrechte gratuliert Dr. Rolf Gössner - Teil III
Worte der Huldigung
Von Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin

Im Namen des Vorstands, der Mitglieder und sicher aller Freunde und Freundinnen der Internationalen Liga für Menschenrechte, Deutsche Sektion der Féderation des Ligues des Droits de l‘Homme sowie der Association Européenne Pour la Defense des Droits de l’Homme, gratuliere ich Dir, lieber Vizepräsident und Rechtsanwalt, verehrter kritischer Publizist und Grundrechtsanalyst, gefragter Politikberater und Menschenrechtsaktivist von ganzem Herzen anlässlich der Verleihung des Kölner Karls-Preises, der von der Neuen Rheinischen Zeitung gestiftet wurde, und in diesem Jahr zum dritten Mal verliehen wird.

Kölner Karls-Preis-Verleihung an Rolf Gössner im Weissen Holunder
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com

Wir sind stolz auf Dich! Wir bewundern nicht erst seit dem letzten Jahr– das weißt Du – Deinen Mut. Es machen sich möglicherweise nicht viele ZeitgenossIinnen klar, welch starke Nerven es braucht, allein schon, um „Geheimdienstexperte“ zu werden. Diese Titulierung las ich neulich in einem Steckbrief „Dr. Rolf Gössner“.
 
Du bist aber nicht nur Geheimdienstexperte. Du fändest es sicher zu langweilig, die geheimen Dienste bloß zu erforschen, sie wissenschaftlich zu sezieren und die Befunde über ihre Organisations- und Funktionsweise als Expertisen zu publizieren.
 
Du hast Dich vielmehr, und das macht Deinen Zweitjob, oder ist es Dein Erstberuf? so gefährlich, Du hast Dich, auf die „De-maskierung“ dieser Dienste spezialisiert.

Peter Kleinert führt durch das Programm des Abends im Weissen Holunder


Weit und breit der Einzige, der die kriminellen Energien jener, vom Staat bezahlten, als „Verfassungs“-, „V“-Schutz, oder – ganz kurz – „VS“ bezeichneten, vorgeblich öffentlich und doch nie offen, sondern immer verdeckt, versteckt aus dem Hinterhalt agierenden Agentur unentwegt ans Tageslicht bringt, vermochtest Du lange, lange bevor wir von jenem NS-Untergrund hörten, der Deutschland durchziehe, unser aller Unbehagen, auf die Frage zu lenken, ob das „V“ im Namen des besagten Geheimdienstes gar nicht für „Verfassung“, sondern vielmehr für „Verbrechen“ und „Verbrecher“ stehe. 
Wie recht Du im Nachhinein hattest, unsere Sorgen nicht zu beschwichtigen, sondern mit jeder De-Maskierung eher zu verstärken und auf jene unbequeme Fragen zu lenken, die uns bewogen, nicht von jenem Geheimdienst abzulassen und wachsam zu bleiben, ist nun allenthalben klar geworden. Jene, die an höchster Stelle berufen wären, seine Machenschaften zu kontrollieren, sprechen nun, entsetzt über die Aufdeckung von zehn abscheulichen Mordfällen, von „Rechtsterrorismus“. Dabei müssten sie doch  
Prof. Fanny-Michaela Reisin - Präsidentin der           wissen,dass mit plakativen Internationalen Liga für Menschenrechte                   Wortschöpfungen dem 
                                                                                Grundübel nicht
                                                                                beizukommen ist.
 
Inzwischen denken Untersuchungsausschüsse auf Landes- und Bundesebene darüber nach, ob es sich beim VS nicht um einen vom Staat bezahlten Verbrechens- und Verbrecherschutz handelt. Das Problem, dass diese Ausschüsse zum Scheitern verurteilt sind, weil Geheimdienste ihre „Dienste“ eben qua Definition geheim halten, ist den in Sachen Demokratieschutz einschlägig erfahrenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sicher schon aufgestoßen. Thematisiert wird es nicht. Eher tabuisiert. Die Unbeholfenheit im Umgang mit dem VS soll nicht offenkundig werde.
 
Du de-maskiert indes, in der Dir eigenen stillen, vielleicht nicht ganz furchtlosen, und doch beherzten Entschlossenheit, die Dir eingedenk der Befunde über die Ungeheuerlichkeiten, ja, über regelrechte Verbrechen im Namen der Verfassung als Rechtsanwalt so selbstverständlich erscheint. Uns verlangt Deine Zivilcourage und Prinzipienfestigkeit höchste Anerkennung ab.
 
Dir ist es ernst mit der demokratischen Verfassung. Daran besteht kein Zweifel. Wenn der Buchstabe „V“ und selbst das Wort „Verfassung“ von denen, die sie in dieser Republik zu schützen vorgeben, nicht so beschädigt wäre, stünde Dir die Titulierung „Verfassungsanwalt“ am besten an.
 
Es ist nicht der rechte Ort und Zeitpunkt hier und heute die von Dir aufgedeckten Straftaten aufzuzählen, die von jenen, so genannten V-Männern – (das Wort Vertrauen, will mir nicht über die Lippen gehen) in staatlichen Diensten im Laufe der Jahre begangen wurden.
 
Wir sind uns in der Liga darüber einig: Naziverbrechen und völkischer Rassismus in staatlichen Diensten bleiben Naziverbrechen und völkischer Rassismus! Auch von V-Männern des VS begangen, müssen sie geahndet werden.
 
Auf Deine Empfehlung hin, gingen wir Ende letzten Jahres dazu über, jenen staatlichen Dienst in Anführungsstrichelchen zu schreiben oder gar nicht von „Verfassungsschutz“, sondern nur noch vom „innenministerialen Sicherheits- und Geheimdienst (ISGD)“ zu sprechen.
 
Nach der Aufdeckung der unsäglichen Nazimordserie – Du hattest dies alles schon lange angemahnt und irgendwie auch geahnt, dass es sich so oder so ähnlich mit den V-Männern verhalten müsse –, sagtest Du mir öfter, Du hättest Dir immer gewünscht, dass der ISGD im großen Maßstab überführt werde und habest stets auf die Abschaffung dieser kriminellen Agentur hingewirkt, damit ein transparenter, wirklicher Schutz der Demokratie möglich werde. Und dann
Fanny-Michaela Reisin bei ihrer Huldigung                    fügtest Du sichtlich
                                                                                     bestürzt hinzu, Du könnest Dich aber jetzt so gar nicht über diese bitteren Aufdeckungen freuen, hättest Dir nie träumen lassen, dass die allgemeine Überführung des VS so ein Albtraum sein würde.
 
Ich habe aus Deinen Worten gehört, dass Dein Gewissen Dich plagte, nicht mehr geschrieben und noch lauter gegen diese, höchst virulente rechte Gefahr im Staatsgewande angeredet zu haben, als Du dies eh schon getan hattest.
 
Es ist ja nicht nur und nicht in der Hauptsache die Gefahr von Rechtsextremen, wie uns immer suggeriert wird, damit unser Blick von jenem in staatlichem Auftrag agierenden VS in der Mitte der Gesellschaft ab- und auf ihre äußersten Ränder hingelenkt werde. Es ist, das weißt Du, lieber Rolf, am besten, die im Gewande des „Verfassungsschutzes“ daher kommende von Staats wegen genährte Gefahr des Nazismus und völkischen Rassismus, die uns mit größter Sorge erfüllen sollte.
 
Ich denke, die heutige Verleihung des Karls-Preises, unsere aller Anwesenheit hier im Kölner Weißen Holunder sowie die vielen Einladungen, die Du jetzt – immerhin auch von etablierten Medien wie „die Zeit“, dem ZDF und vom WDR erhältst, um öffentlichkeitswirksam vor dieser und anderen Gefährdungen der Verfassung zu warnen, sind beredte Zeugnisse: Du hast Dir große Verdienste in Sachen Schutz der Demokratie und Verfassung erworben!
 
Es ist, wenn das Haupthaar erste Grautöne zeigt und schütter wird, durchaus an der Zeit, hin und wieder inne zu halten, Getanes und Geleistetes Revue passieren zu lassen und zu sagen: Es war nicht genug, was ich tun konnte, es war aber gut, dass ich tat, was ich zu tun vermochte.
 
In diesem Sinne wünsche ich Dir und uns, lieber Verfassungsanwalt (1), gutes Gelingen bei allem, was Du förderhin zu de-maskieren, zu überführen und unschädlich zu machen planst! (PK)
 
(1) Es wäre ja gelacht, wenn wir die wichtigen Wörter und Institute der demokratischen und sozialen Bewegungen ohne Weiteres oder gar widerstandslos her gäben.
Wir halten den Begriff „demokratische Verfassung“ in Wort und Sinn fest! Und wir verteidigen ihn weiterhin!
Es war übrigens immerhin kein geringerer als der alte Karl Marx, der – ich glaube im 18. Brumaire oder in den Klassenkämpfen in Frankreich – davon sprach, dass eben die zur demokratischen Verfassung zugehörige bürgerliche Demokratie(2) dem Wasser gleiche, in dem der Revolutionär schwimme.
 
(2) Gleichwohl war es mein bewusster Entschluss, hier nicht über die Einlassungen des Namensgebers für den heute an Dich verliehenen Preis zu den bürgerlichen Rechten oder politischen Freiheiten und schon gar nicht über seine geringschätzigen Äußerungen zu den Menschenrechten zu räsonieren.
Deine kritischen Publikationen und vor allem Deine rückhaltlose Konsequenz beim De-Maskieren, er bezeichnete dergleichen altmodisch als „Entlarven“, hätten Dir sicher ein ermutigendes Augenzwinkern beschert.

Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin ist Präsidentin der Deutschen Sektion der Internationalen Liga für Menschenrechte


Online-Flyer Nr. 355  vom 23.05.2012



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