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Kultur und Wissen
Zum Buch „DAS ELFTE GEBOT: ISRAEL DARF ALLES“ von Evelyn Hecht-Galinski
Angriff auf die Gehirnwäsche
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

„Es wird darin die Wirklichkeit beschrieben.“ So charakterisiert Evelyn Hecht-Galinski selbst ihr Buch DAS ELFTE GEBOT: ISRAEL DARF ALLES. Das klingt einfach, ist aber ein extrem hoher Anspruch. Denn dessen Einlösung setzt voraus, dass die Gehirnwäsche, die auf uns seit Jahrzehnten einwirkt, ausgeschaltet wird. Und in der Tat: Evelyn Hecht-Galinski unternimmt einen Angriff auf diese Gehirnwäsche. Es ist zu wünschen, dass das Buch so viele Menschen erreicht, dass es zur Keimzelle einer geistigen Revolution wird, die das durch Gehirnwäsche geschaffene Gebäude einer zionistischen Ideologie zum Einsturz bringt und eine Gesellschaft entstehen lässt, die als menschenwürdig bezeichnet werden kann.


Evelyn Hecht-Galinski an der Kölner Klagemauer für Frieden und Völkerverständigung am 17.11.2010 – sie schreibt eine Karte mit dem Motto ihres Vaters „Ich habe Auschwitz nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen.“ (Alle Fotos: arbeiterfotografie.com)


Was macht die Gehirnwäsche aus, der Evelyn Hecht-Galinski zuleibe rückt? Die Gehirnwäsche hat es sehr weitgehend geschafft, Nationalismus und Rassismus, ja vielleicht sogar Faschismus im Falle Israel als etwas Positives oder zumindest zu Tolerierendes erscheinen zu lassen. Das ist phänomenal. Und die Gehirnwäsche hat zum Ergebnis, dass Gleichheit und Brüderlichkeit im Falle Israel als etwas vollkommen Abwegiges empfunden werden. Auch das ist verblüffend. Menschen, die sich ansonsten als Humanisten verstehen, werfen, wenn es um Israel geht, alle ihre Prinzipien über Bord. Nicht so Evelyn Hecht-Galinski.

EIN Staat für alle

Sie macht in sehr klaren Worten deutlich, wie absurd die Verkehrung der Werte ist. Es gehe um die Frage, wie „man den Palästinensern zu Gerechtigkeit verhelfen kann, dass sie frei und demokratisch leben können, wie es jedem jüdischen Israeli zugestanden wird. Und das ist nach realistischer Sicht der Dinge nur noch in einem Staat Palästina/Israel möglich - mit Gleichberechtigung für alle Religionen, Rassen und politischen Weltanschauungen.“ „Richtig, richtig! Also die Einstaatenlösung, ein Staat für alle Völker, Rassen und Religionen, demokratisch.“ Das, was heute in Israel/Palästina herrscht, ist demgemäß alles andere als eine Demokratie. Es ist absurd, ein Regime, wenn es sich auch noch so oft als die „einzige Demokratie im Nahen Osten“ bezeichnet, als solche gelten zu lassen. „Merke, was also unterscheidet die 'einzige Demokratie' und eine Diktatur voneinander? NICHTS! Beide unterdrücken unrechtmäßig mit aller Willkür und Macht.“


Palästina-Solidaritätskonferenz "Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Zukunft" in Stuttgart, 26.-28.11.2010 - mit dabei: Evelyn Hecht-Galinski


Um einer Gehirnwäsche entgegen zu wirken, ist es wichtig, der anderen Seite die Begriffe zu entreißen und sie neu zu besetzen. Genau das tut die streitbare Publizistin Evelyn Hecht-Galinski.

Die Begriffe besetzen

Bewusst spricht sie immer wieder vom „israelischen Regime“, um dessen menschenverachtendes Verhalten deutlich werden zu lassen - z.B. auch in folgendem Zusammenhang: „Das israelische Regime hat es von Beginn an verstanden, die Opferrolle zu spielen, umzingelt von Feinden. Denn merke: 'Wer auf einer Insel lebt, sollte sich das Meer zum Freund machen'. Genau das Gegenteil ist der Fall! Der jüdische Staat hatte und hat nur eine Intention: Israel muss 'araberrein' werden. Dem müssen wir entgegenwirken und es nicht weiter tolerieren, dass Israel mit einem Tsunami von unzumutbaren Maßnahmen auch den letzten Palästinensern jeglichen Lebensraum entzieht.“

Oder ein weiteres Beispiel: „Das israelische Regime... führt einen Krieg 'mit Gottes Hilfe', der Geheimdienst Mossad führt Aktionen mit dem Namen 'Zorn Gottes' durch... So war es nur folgerichtig, dass israelische Journalisten den ehemaligen Geheimdienstchef Dagan fragten, ob vielleicht 'Gott' bei den vielen 'Unfällen' rund um das iranische Atomprogramm seine Hand im Spiel hatte. Dagan bejahte das. Der heimliche 'Gotteskrieg' [gegen Iran] mit bei Attentaten zu Tode gekommenen Atomforschern ist voll im Gange, ebenso der Computerkrieg; jetzt fehlt Israel nur noch der 'richtige' Krieg zu seiner 'Endbefriedigung'.“

Die Bezeichnung „Zorn Gottes“, die Evelyn Hecht-Galinskis aufgreift, ist ein Codewort für die mörderischen Aktionen, die vom Geheimdienst Mossad nach dem Attentat von München 1972 durchgeführt worden sind – ein Ereignis, das mit seiner spezifischen Interpretation ähnlich wie die Operation 9/11 in die Gehirne der Menschen gehämmert worden ist. In diesem Zusammenhang kennzeichnet sie beiläufig das Olympia-Attentat, das der palästinensischen Sache schweren Schaden zugefügt hat, als von „palästinensischen Freiheitskämpfern“ verübt. Dass bei einem solchen Attentat ebenfalls „Gott“ seine Hände im Spiel gehabt haben könnte, scheint selbst Evelyn Hecht-Galinski nicht in den Sinn zu kommen. Dabei gibt es durchaus Indizien, die das nicht abwegig erscheinen lassen (siehe „Das machen wir selbst“ oder „False Flag Terror").

Der anti-iranischen Kriegspropaganda den Boden entziehen

Ein weiterer Begriff, der Teil der Gehirnwäsche ist, ist der Begriff „Verteidigung“, wenn Angriff gemeint ist. Auch in dieser Hinsicht nimmt Evelyn Hecht-Galinski kein Blatt vor den Mund, z.B. im Falle des von Israel geplanten Angriffs auf den Iran, der als (präventive) Verteidigung verbrämt wird. Sie spricht ohne Umschweife von einem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ und lässt sich nicht durch die Propaganda aufs Glatteis führen, die der Öffentlichkeit weismachen will, der Iran wolle Israel (mit Atomraketen) auslöschen. Sie macht die immer wieder propagierte Verkehrung der Bedrohungssituation nicht mit. So wie es Günter Grass erkannt hat, ist auch für Evelyn Hecht-Galinski klar: die Bedrohung geht von Israel aus, nicht vom Iran.

„Warum dämonisiert man immer den iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad, der nur unbequeme Wahrheiten ausspricht?“ „Da wird dann mit den altbekannten Stereotypen von Falschaussagen gearbeitet wie: 'Wenn Iran die Atombombe hat, wird es das vollenden, was Hitler nicht geschafft hat?' Eine Attacke wird gerechtfertigt, mit dem Satz: 'Was lehrt der Holocaust? Wir müssen leben!' Oder es wird mit den bekannten Unwahrheiten und bewussten Falschübersetzungen von Reden von Ahmadinedschad gearbeitet wie: 'Auslöschung von der Landkarte' und anderem Schwachsinn. Hier wird also eine gezielte Rhetorik - den Holocaust missbrauchend - eingesetzt. Erfunden von Israel-Lobbyisten und Thinktanks weltweit. Nicht der Iran als Atommacht ist die Bedrohung, sondern Israel mit seinen mindestens 200 Atomwaffen am Boden, zur See und in der Luft - zu benutzen um Iran, oder andere Gegner zu vernichten... Das Aufputschen und Anheizen der Kriegstrommel gegenüber dem Iran mit falschen Behauptungen und Unwahrheiten muss endlich aufhören. Lassen wir uns durch die Gehirnwäsche gewisser Medien und Politiker nicht mehr 'verbrodern' und verblöden.“

Israel boykottieren!

Evelyn Hecht-Galinski stellt sich kompromisslos der Instrumentalisierung des Holocaust und dessen Missbrauch für die Rechtfertigung neuer Verbrechen entgegen. Auch der trickreichen Argumentation, besonders Deutsche dürften wegen ihrer Vergangenheit nicht zum Boykott gegen Israel aufrufen, leistet sie keine Folge. Sie hat sich das Motto ihres Vaters, des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland zueigen gemacht: „Ich habe Auschwitz nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen.“ Deshalb plädiert sie ohne wenn und aber für BDS (Boykott, Kapitalentzug und Sanktionen) gegen Israel.

„Wir alle sollten uns ein Beispiel nehmen an den Aktivisten, die anlässlich des Konzertes 'Last Nights of the Proms' den Auftritt des israelischen Orchesters massiv störten und es zum Abbruch brachten. Überlassen wir das 'Boykottfeld' nicht allein dem Zentralrat und Israel und seinen Lobbyisten und Diasporabrigaden. Soll Boykott immer nur ein Tabu-Thema sein, wenn es Israel betrifft? Ist das die 'werteorientierte Politik' der wir dank Graumann (Dieter mir graut vor Dir) verbunden sein sollen und müssen? Ich sage nein und nochmals nein!!!!“

Mit Ilan Pappe und Gilad Atzmon für eine humane Welt

„Unverblümt und eindringlich, mutig und wahrhaftig“ - so beschreibt der ins Exil getriebene israelische Historiker Ilan Pappe das Buch von Evelyn Hecht-Galinski im Vorwort. Und der israelische Musiker Gilad Atzmon, der das Nachwort geschrieben hat, sieht, dass sich in ihrem Werk „die unschätzbare Stimme einer Humanistin“ Ausdruck verschafft.

Ilan Pappe: „Evelyn Hecht-Galinski duldet nicht, dass der Diskurs der Komplexität, der in Deutschland vom offiziellen Israel und seinen Vertretern so oft benutzt wird, die simple und brutale Realität vor Ort verdeckt. Diese direkte Haltung der Autorin entlarvt die Doppelmoral und die beschämenden Positionen deutsch-jüdischer Organisationen wie des Zentralrats der Juden in Deutschland... Das Ausmaß der Ablehnung, die von ihren Kritikern benutzte Sprache – die an die erinnert, die von den politischen Kräften während Deutschlands schlimmster und dunkelster historischer Periode gegen Juden verwendet wurde – sind Zeugnis dafür, wie groß Evelyn Hecht-Galinskis Einfluss auf die öffentliche Diskussion über Israel und Palästina in Deutschland mittlerweile ist.“

Gilad Atzmon: „Letztlich definiert sich Israel... als jüdischer Staat, ein Staat, der aus Flugzeugen, die mit jüdischen Symbolen versehen sind, Bomben auf unschuldige Zivilisten abwirft, und als wäre das noch nicht genug, begeht Israel solche grässlichen Untaten im Namen des jüdischen Volkes. Diese beunruhigenden Tatsachen dürfen wir nicht ignorieren, und deshalb müssen jetzt gerade Juden Stellung gegen Israel beziehen. Und das ist exakt die Rolle, die Evelyn Hecht-Galinski auf sich genommen hat. Sie verzichtet auf alle Privilegien, die sich aus ihrer familiären und ethnischen Herkunft ergeben. Sie lotet ihr Recht aus, die schwierigsten Fragen aufzuwerfen. Sie stellt humanistische Erwägungen über jüdische Interessen. Das ist eine äußerst ungewöhnliche Haltung, die unter den Juden alles andere als populär ist... Evelyn Hecht-Galinski... ist ganz sicher zuallererst Humanistin. Sie ist eine unschätzbare Stimme und gesellt sich zu der wachsenden Zahl von Juden, die sich von 'Stammesdenken', Chauvinismus, Überlegenheitsdünkel und Auserwähltsein verabschiedet haben. Evelyn Hecht-Galinski ist eine entscheidend wichtige Stimme am richtigen Ort und zur richtigen Zeit. Trotz aller Widerstände kämpft sie für eine bessere Welt – und dafür bewundere ich sie.“

Das sind zwei Einschätzungen, die Evelyn Hecht-Galinskis ELFTES GEBOT sehr weitgehend und zutreffend charakterisieren.

Weitere Bücher überflüssig machen

Mittlerweile sind zahlreiche weitere Texte entstanden – zum großen Teil wie die, die in das Buch eingeflossen sind, für die NRhZ. So hat sie zum Fall Günter Grass Stellung genommen und, nachdem der wegen seines Warnschreis zur Verhinderung des Überfalls Israels auf den Iran von Israel zur persona non grata erklärt worden ist, diesen Vorgang wie folgt kommentiert:

„Günter Grass hat nur gesagt, was gesagt werden muss und was alle demokratischen Deutschen schon lange sagen sollten. Also trifft uns alle der israelische Propaganda-Bann. Gerade wir in Deutschland wissen, wohin das führt. Diese zionistische Regierung steht in der Nachfolge einer unsäglichen Tradition der Vergangenheit, die längst überwunden sein sollte. Nicht wir, die die israelische Politik kritisieren, begehen Unrecht, sondern das rassistisch-faschistische Regime der Liebermäner, Jischais, Netanjahus und anderer israelischer Extremisten. Unerwünscht sollten diese Politiker in Deutschland sein und nicht mit allen Ehren empfangen werden. Diesen Politikern des israelischen Unterdrückungs-Systems sollte man die rote Karte zeigen und nicht den roten Teppich ausrollen… Betrachten wir also uns alle als in Israel unerwünschte Personen und boykottieren wir Reisen in dieses 'Scheinheilige Land'“.

Ein weiterer Band gegen die Gehirnwäsche könnte also entstehen. Zu hoffen ist das nicht. Zu hoffen ist, dass Evelyn Hecht-Galinskis vorliegendes Buch in einer Weise wirkt, dass ein zweites überflüssig wird.



Evelyn Hecht-Galinski: "DAS ELTE GEBOT: ISARAEL DARF ALLES“, Palmyra Verlag, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-930378-86-9, 224 Seiten, EUR 17,90

Online-Flyer Nr. 350  vom 18.04.2012



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