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Krieg und Frieden
Ein ZDF-Interview mit dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad
Ja, wie ticken Sie denn?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender führt ein Interview mit der deutschen Bundeskanzlerin und kommentiert dieses abschließend mit den Worten: „Wir haben die Äußerungen von Frau Merkel wiedergegeben, damit deutlich wird, wie diese Frau tickt.“ Ist ein derartiges Verhalten im Umgang mit führenden Politikern vorstellbar? In der Regel nicht. Aber es gibt Ausnahmen. Insbesondere Feindbilder verlangen danach. Einen solchen Fall konnten die Fernsehzuschauer am 19. März 2012 im ZDF erleben, als nach einem Interview mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zu hören war: „Wir haben (seine Äußerungen) wiedergegeben, damit deutlich wird, wie einer der umstrittensten Politiker der Welt tickt.“


Claus Kleber und Präsident Mahmud Ahmadinedschad beim Interview in Teheran
(Alle Fotos aus ZDF-Sendungen)


Nehmen wir ein anderes Beispiel: CNN führt ein Interview mit US-Präsident Obama und kommentiert unmittelbar im Anschluss: „Wir haben die Äußerungen unseres Präsidenten wiedergegeben, damit deutlich wird, wie dieser Kriegsverbrecher tickt.“ Ist das denkbar? Wohl kaum. Ganz anders im Falle Ahmadinedschad. Nach dessen Schluss-Statement war aus dem off zu hören: „Freundliche Worte, die nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ahmadinedschads Äußerungen zum Holocaust in Deutschland strafrechtlich relevant sind. Wir haben sie wiedergegeben, damit deutlich wird, wie einer der umstrittensten Politiker der Welt tickt.“

Den Holocaust geleugnet?

Die Stimme aus dem off enthält zudem eine gravierende Unterstellung. Es wird nahe gelegt, der iranische Präsident habe den Holocaust geleugnet. Auch in den über das Interview berichtenden Medien wird diese Behauptung erhoben, z.B. im "Tagesspiegel" am 21.3.2012. Dort erscheint das Interview von Claus Kleber und er wird gefragt: „Ahmadinedschad hat in dem Gespräch erneut den Holocaust als Lüge bezeichnet. Warum haben Sie nicht widersprochen?“ Statt die in dieser Frage enthaltene falsche Behauptung zu korrigieren, bestätigt Kleber sie, indem er sagt: „Weil ich mir von vornherein vorgenommen hatte, nicht in diese Falle zu tappen. Eine Debatte über den Holocaust hätte ihm die Gelegenheit gegeben, seinen Mist voll auszubreiten.“ Er scheint sich genötigt zu sehen, nach einem beleidigenden Wort wie "Mist“ zu greifen – offensichtlich, um von seiner Falschaussage abzulenken.

Aber das ist kein Einzelfall. Die Medien sind voll von Behauptungen der Holocaust-Leugnung. Einen propagandistischen Höhepunkt hat dabei die „taz“ zu bieten. Sie operiert in einem Kommentar vom 20.3.2012 mit folgendem Text: „Vor allem leugnete das iranische Staatsoberhaupt den Holocaust in einer so stumpfen Art und Weise, dass einem die Spucke wegblieb. So etwas hat es im deutschen Fernsehen zur besten Sendezeit noch nicht gegeben... Und der Irre aus Teheran ist so von Judenhass zerfressen, dass er selbst sechs Millionen tote Juden noch entehren will, indem er den Mord an ihnen leugnet.“ Und in ihrem "Bericht" vom gleichen Tag belegt sie den Vorwurf der Holocaust-Leugnung auch noch mit einem falschen Zitat: Der iranische Präsident habe gesagt, Israel sei ein künstliches Land, „entstanden durch eine Lüge mit dem Titel Holocaust“.

Was hat Ahmadinedschad nun aber tatsächlich geäußert? Auf Klebers Frage „Bezeichnen Sie Israel als ein künstliches Land?“ antwortet er: „Ja sicher. Das wissen Sie auch... das wissen auch die anderen. Wie ist dieser Staat, dieses Regime zu stande gekommen? Das ist eine kolonialistische Planung gewesen, das weiß jeder. Entstanden durch eine Lüge. Die sind niemals Herrscher dieses Landes gewesen.“ Ahmadinedschad erläutert also, wie der Vorwurf der Lüge zu verstehen ist. Seiner Meinung nach ist die historische Darstellung falsch. Er bezweifelt den historischen Legitimationsanspruch Israels. Und er sagt weiter: „Die haben eine Geschichte mit dem Titel Holocaust gemacht. Und die Schäden, die Kosten dafür müssen die Palästinenser bezahlen. Während das palästinensische Volk überhaupt keine Rolle dabei gespielt hat...“ Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Wort "Lüge“ auf den Holocaust bezieht, insbesondere auch deshalb nicht, weil die Verurteilung des Umstandes, dass die Palästinenser indirekt unter dem Holocaust zu leiden haben, dessen Existenz impliziert.

Gegen den Holocaust als Waffe

Es ist unzweifelhaft richtig: die Palästinenser sind nicht für den Holocaust, also den Massenmord der Nazis an den Juden, verantwortlich. Und es ist nicht einzusehen, warum sie aus dem Land, in dem sie Jahrhunderte gelebt haben, vertrieben werden, warum sie für die Verbrechen der Nazis bezahlen sollen. Einzig die Formulierung „Die haben eine Geschichte mit dem Titel Holocaust gemacht“ gibt zu denken. Aber auch das ist - wenn wir uns vergegenwärtigen, was Norman Finkelstein in seinem Buch "Die Holocaust-Industrie" geschrieben hat - nicht falsch. Norman Finkelstein - dessen Eltern, Maryla Husyt und Zacharias Finkelstein, als polnische Juden im Dritten Reich verfolgt und interniert wurden, überlebten das Warschauer Ghetto, das Konzentrationslager Majdanek und das Konzentrationslager Auschwitz und nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA auswanderten - schreibt, dass „DER HOLOCAUST eine von Ideologie geprägte Darstellung der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ist... DER HOLOCAUST ist kein willkürlich zusammengestelltes, sondern vielmehr ein in sich stimmiges Konstrukt. Seine zentralen Dogmen stützen wichtige politische und Klasseninteressen. Tatsächlich hat DER HOLOCAUST sich als unentbehrliche ideologische Waffe erwiesen. Durch deren Einsatz hat eine der stärksten Militärmächte der Welt mit einer erschreckenden Menschenrechtsbilanz sich in die Rolle eines »Opfer«-Staates versetzt... Die Berufung auf DEN HOLOCAUST war deshalb ein Trick, jeglicher Kritik an Juden die Legitimation zu entziehen“ Also hat die israelische Propaganda laut Finkelstein in der Tat eine Geschichte vom Holocaust entstehen lassen, die dazu dient, die Verbrechen der Nazis zu instrumentalisieren, indem sie zur Legitimation neuer Verbrechen - insbesondere der an den Palästinensern begangenen - missbraucht werden.

Wichtig scheint in diesem Zusammenhang zudem, sich folgendes vor Augen zu führen: DER HOLOCAUST wird - nach Norman Finkelsteins Darstellung - erst im Juni 1967 als Instrument der Politik entdeckt. Bis dahin spielte er nur eine geringe Rolle. Juni 1967 ist übrigens der wahrscheinliche Zeitpunkt für die erstmalige Einsatzbereitschaft der israelischen Atomwaffen, was 1986 durch Mordechai Vanunu, einen ehemaligen Techniker des Negev Nuclear Research Center öffentlich bekannt wurde. Und der Begriff Holocaust wurde erst am 22. Januar 1979, als in Deutschland die US-amerikanische Fernsehserie HOLOCAUST begann in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt. Das alles deckt sich mit den Äußerungen Ahmadinedschads im ZDF-Interview und zeugt von dessen historischem Wissen.

Ahmadinedschad interviewt seinen Interviewer

Besonders spannend und aufschlussreich wird das Interview, als Ahmadinedschad die Rollen tauscht und den ZDF-Mann befragt. Ein Beispiel gleich zu Beginn:

KLEBER: „Menschen in Europa, speziell in Deutschland, schauen mit großer Spannung auf diese Region im Moment und fürchten, dass ein Krieg möglich sein könnte. Haben Sie eine Botschaft in diesem Zusammenhang heute?“


Mahmud Ahmadinedschad tauscht die Rollen und stellt selbst Fragen


AHMADINEDSCHAD: „Können Sie uns sagen, Kriegsgefahr von welcher Seite und warum?“

KLEBER: „Sie wissen so gut wie ich, dass Israel mit einem Angriff auf Iran droht, wenn sich die Frage des Nuklearprogramms nicht anders lösen lässt.“

AHMADINEDSCHAD: „Warum muss Israel drohen?“

KLEBER: „Weil Iran bis heute sich weigert, sein Atomprogramm restlos offenzulegen.“

AHMADINEDSCHAD: „Zeigen die Zionisten Klarheit und Transparenz in ihrer Nuklearfrage? Sie haben mehr als 250 atomare Sprengköpfe! Ist das kein Problem, wenn sie so ausgestattet sind?“

KLEBER: „Israel gehört nicht zum Atomwaffensperrvertrag. Es hat keine vertragliche Verpflichtung, das offen zu legen. Iran hat diese Verpflichtung.“

AHMADINEDSCHAD: „Das heißt, jeder der nicht Mitglied von NPT-Vertrag [Atomwaffensperrvertrag] ist, ist frei zu tun, was er will?“

KLEBER: „So ist das wohl.“

Damit machte Claus Kleber den Irrsinn der "westlichen" Argumentation in einem Maße deutlich, das ihm wahrscheinlich später beim Nachdenken kaum lieb gewesen sein dürfte. Es gelang ihm nicht den Präsidenten vorzuführen. Eher war das Gegenteil der Fall.

Als Ahmadinedschad auch noch die Frage stellte: „Warum haben ein paar Zionisten das Recht, allen anderen Menschen zu drohen? Gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Zionisten über allen internationalen Regelungen und Gesetzen und Vorschriften stehen?“, gab es von Claus Kleber keine Antwort mehr, nur noch ein nervöses Augenzucken.


Interviewer Claus Kleber


Der Präsident widersprach auch weiter erfolgreich verschiedenen Facetten der gegen sein Land gerichteten Propaganda und entzog ihr damit den Boden. Als Kleber ihn darauf ansprach, er habe gesagt, Israel werde „von der Landkarte verschwinden“, erklärte Ahmadinedschad, dass es ihm um das Ende von „Besatzung und Verbrechen“ gehe, um das Ende des israelischen Terrors gegen die Palästinenser.

Zum Thema Atomwaffen, deren Entwicklung Iran unterstellt wird, sagte er unmissverständlich: „Wir sind prinzipiell gegen diese nuklearen Bomben. Das ist eine unmenschliche, unmoralische Waffe.“ Wer danach strebe, sei „zurückgeblieben“.

Zuschauer-Reaktionen

Eine Reihe von Zuschauer-Reaktionen zeigte anschließend, dass das Interview - aus dem Blickwinkel der Kriegstreiber - erheblich nach hinten losgegangen ist. Diese Kommentare sind in unabhängigen youtube-Veröffentlichungen des Interviews zu finden. Beim ZDF selbst sucht man vergeblich nach Stimmen des Fernsehpublikums. Deshalb hier einige Zitate:

„Für das, was Ahmadineschad gesagt hat, Daumen hoch und Respekt! Er hat hier eindrucksvoll bewiesen, was ein Reporter darf und was nicht! ER DARF: die Propagandaleier weiter kurbeln, um die Kriegshetze voran zu treiben. ER DARF NICHT: zulassen das jemand hier unbequeme Fragen aufwirft und Zusammenhänge bis weit in die Geschichte hinterfragt, die unerwünscht für die Kriegstreiber sind!“

„Lieber Herr Kleber, schämen Sie sich, denn selbst als eine Marionette waren Sie schlecht. Man sieht es wieder ganz klar, dass das ZDF nur beauftragt wurde, einen abscheulichen Angriffskrieg gegen den Iran salonfähig zu machen.“

„Ich finde das sehr plausibel, was der iranische Präsident da sagt. Es ergibt eine sehr bedeutende Logik. Wie kann man beweisen, dass man keine Atombombe baut? Gar nicht. Der Präsident sagt ja, dass er der IAEA vollen Zugang gewährt hatte. Diese hat dann die Namen der Wissenschafter hinterrücks veröffentlicht, woraufhin dann die Wissenschaftler ermordet wurden. Das ist Verrat.“

„Gegen Ahmadinedschads vernünftige Antworten hat irgendwie kein Reporter eine Chance!“

„Eigentlich sollte man Claus Kleber danken. Noch nie war es so deutlich, dass freier Journalismus in Deutschland nur eine Illusion ist wie in diesem Interview. Danke“

Wie "unsere" Medien ticken


Sehr wahrscheinlich war sich das ZDF der Brisanz des Interviews bewusst und hat es deshalb erst spät in der Nacht gesendet. Claus Kleber über Ahmadinedschad: „Ja, von diesem Mann geht eine böse Faszination aus, und das hat man so deutlich bisher im deutschen Fernsehen wohl noch nicht gesehen.“ Man ahnt in den Führungsetagen der Medien wohl, dass das Publikum nicht so dumm ist, wie man es gerne hätte, und dass es erkennen könnte, wer hier welches Spiel treibt.

Das lässt sich auch aus der Tatsache schließen, dass das ZDF die Ausstrahlung des Interviews mit Beiträgen umgab, die den Zuschauer in einer bestimmten Weise konditionieren sollten. Das „Interview wird in ausgewogene Iran-Berichterstattung eingebettet“, formulierte das ZDF diese Strategie.

In einem heute-journal-Beitrag äußerte sich Claus Kleber über das Interview und projizierte sein eigenes Ich auf das Gegenüber, indem er über den iranischen Präsidenten sagte: „Man hat das Gefühl, der hört gar nicht zu. Der versteht gar nicht, wie wir die Situation im Moment sehen... Er ist ein Mann, der eine Maske bleibt für mich. Und ich weiß nicht, was wirklich dahinter steckt.“ In einem anderen heute-journal-Beitrag wurden ohne eine Spur von Distanzierung Israels Pläne zum Angriff auf Iran vorgestellt.


So bereitete das ZDF im heute-journal zur Einstimmung auf das Interview seine Zuschauer auf einen Angriffskrieg gegen Iran vor.


Es war insgesamt in der Tat ein bemerkenswertes Interview, das die intellektuelle und moralische Überlegenheit Ahmadinedschads deutlich werden ließ. Wie die Damen und Herren "unserer" Medien ticken? Offenbar weitgehend im Gleichschritt mit denen der "westlichen" Politik. Das hat das ZDF unfreiwillig weitgehend beantwortet. (PK)


Quellen:

Das ZDF-Interview mit dem iranischen Präsidenten als Video:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/nachrichten#/beitrag/video/1598064/Ahmadinedschad:-Atomwaffen-unmoralisch%22
http://www.youtube.com/watch?v=5uE4TXyAKjc
http://www.youtube.com/watch?v=P2VJIOR8I3s

Transkript des ZDF-Interviews mit dem iranischen Präsidenten:
http://frankinformiert.wordpress.com/2012/03/23/zdf-interview-claus-kleber-mit-m-ahmadinedschad-komplett-im-wortlaut/

Video des ZDF-heute-journal-Beitrags „Irans gefährliches Spiel mit der Bombe“ vom 19.3.2012
„Die Zeichen am Golf stehen auf Konfrontation: Iran hält an seinem Atomprogramm fest - niemand weiß, ob Ahmadinedschad die Bombe bauen will oder nicht. Israel bringt seinen Verbündeten USA in Zugzwang.“
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/nachrichten#/beitrag/video/1597504/Irans-gef%C3%A4hrliches-Spiel-mit-der-Bombe

Video des ZDF-heute-journal-Beitrags „Claus Kleber nach dem Interview“ vom 19.3.2012
„ZDF-Moderator Claus Kleber erzählt im Auto nach dem Interview mit Irans Präsident Ahmadinedschad, wie er das Gespräch empfunden hat.“
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1598088/Claus-Kleber-nach-dem-Interview

„Ahmadinedschad-Interview: Fragen nicht abgestimmt - Interview wird in ausgewogene Iran-Berichterstattung eingebettet“
ZDF-Meldung, 19.03.2012
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/26/0,3672,8497018,00.html

„Unwidersprochener Judenhass - Kleber hätte Ahmadinedschad widersprechen müssen“
Philipp Gessler in 'taz', 20.03.2012
http://www.taz.de/!90016/

„Der iranische Präsident im ZDF-Interview - Ahmadinedschad bleibt sich treu“
'taz', 20.03.2012
http://www.taz.de/!89963/

„Irans Präsident leugnet Holocaust im deutschen TV“
'Die Welt', 19.03.2012
http://www.welt.de/politik/ausland/article13931142/Irans-Praesident-leugnet-Holocaust-im-deutschen-TV.html

„Ich wollte keine Holocaust-Debatte“
Interview des 'Tagesspiegel' mit Claus Kleber vom ZDF, 21.03.2012
http://www.tagesspiegel.de/medien/tv-interview-mit-ahmadinedschad-ich-wollte-keine-holocaust-debatte-/6351706.html

Die Holocaust-Industrie - Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird
Norman G. Finkelstein, Piper, München 2001

Online-Flyer Nr. 347  vom 28.03.2012



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