NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 13. November 2024  

Fenster schließen

Medien
Zur Entpolitisierung der Feature-Programme im WDR durch Frau Piel
Der Kahlschlag
Von Alexander Goeb

Ich unterstütze das Schreiben der Erstunterzeichner aus Anlass einer erneuten Programm-Reform an die Intendantin des WDR vollinhaltlich. Ich bin seit über 30 Jahren freier Mitarbeiter des WDR und anderer ARD-Sender und habe so allerlei erlebt in dieser Zeit. Besonders bemerkenswert und skandalös war die Zerschlagung der Redaktion "Politisches Feateure“ kurz nach dem plötzlichen Tod des verantwortlichen Redakteurs Ansgar Skriver Ende 1997, für dessen Programm ich über zehn Jahre gearbeitet hatte.
 

Monika Piel – inzwischen auch noch
ARD-Vorsitzende
NRhZ-Archiv
Auf meine damaligen Proteste hin wurde mehrfach versichert, dass politische Feature-Sendungen natürlich weiterhin ins Programm kämen. Jedoch zeigte die Praxis nach dem Tode Skrivers, dass das Feature-Programm des WDR, von anderen Sendern will ich mal ganz schweigen, massiv entpolitisiert worden ist. Ich behaupte einfach mal, dass der Hintergrund der ist, dass die WDR-Oberen politische Beurteilungen und Einschät-
zungen, auch wenn sie in die Form eines Features gegossen wurden, nicht mehr unkalkulierbaren "freien Mitarbeitern“ überlassen wollten.
 
Ein Beispiel füge ich gerne an. Ich hatte 1995 den Auftrag, für die Redaktion von Ansgar Skriver ein Feature über die Situation in Palästina zu realisieren. Es war die Zeit nach den Oslo-Verträgen. Wie ich später erfuhr, hat Skrivers vorgesetzte Chefredaktion zunächst versucht, den Auftrag zu verhindern bzw. rückgängig zu machen. Skriver konnte das abwehren. Nach Ablieferung des Features erteilte die Chefredaktion dem in Jerusalem zuständigen WDR-Korrespondenten einen themengleichen Auftrag und versuchte dann das vom Korrespondenten produzierte Feature in das Feature-Programm des Saarländischen Rundfunks zu schleusen, vermutlich um zu zeigen, so macht man es richtig und so mein WDR-Feature noch in Nachhinein zu verhindern oder überflüssig zu machen. Auch dieser Coup glückte damals nicht. Der zuständige SR-Feature-Redakteur, dem auch mein WDR- Feature vorlag, beugte sich dem politischen Druck ebenfalls nicht, sondern sendete das Feature, das ihm als das bessere erschien, das war das des „freien Mitarbeiters“
 
Solche Attacken gegen die Redaktion von Skriver haben sich - wie ich weiß - oft wiederholt und es ist anzunehmen, dass Skriver daran gesundheitlich zerbrochen ist. Der damalige Intendant Pleitgen hielt noch eine gefühlsvolle Grabrede ehe die Reaktion Skrivers zerschlagen wurde.
 
Auch beim "Kritischen Tagebuch“ war für die WDR-Reformer nach der Pensionierung des Redakteurs Eberhard Rondholz nichts eiliger, als den Sendeplatz komplett zu schließen.
 
Dass es anderswo noch schlimmer aussieht, macht die Zustände beim WDR nicht strahlender. Natürlich ist es besonders erwähnenswert, dass beim Hessischen Rundfunk, der ein großes und traditionsreiches Feature-Programm hatte, das einst von Alfred Andersch aufgebaut worden war, ebenfalls 1998 die Sense an das Feature-Programm gelegt wurde – nach der vorzeitigen Pensionierung des Feature-Reakteurs Peter Strauß. Auch für Strauß habe ich zehn Jahre politische Features geliefert. Der HR-Reformer Hans Sarkowicz sagt mir damals zwischen Tür und Angel, dass er sowie keinen Wert mehr auf Vorschläge von Autoren lege. Die Redaktion denke sich ihre Themen selbst aus und suche sich dann diejenigen Autoren aus, die sie für geeignet halte, ein Thema zu realisieren. Das HR-Feature ist mittlerweile nur noch als Spurenelement zu erkennen. (PK)
 
Alexander Goeb ist Reporter und Autor und lebt in Frankfurt am Main
 

Hinweis der Initiative Kultur für den Rundfunk
 
Mit einiger Freude konnte die Initiative Kultur für den Rundfunk vergangenen Donnerstag schon 3500 Unterschriften unter ihren Offenen Brief an die Intendantin des Westdeutschen Rundfunks vermelden.
 
Die Unterschriftenliste liest sich wie ein who is who der deutschen Kulturszene.
 
Zu den Unterzeichnern gehört Jochen Grote, der Geschäftsführende Direktor der Düsseldorfer Oper ebenso wie der Oberspielleiter des Hamburger Ohnsorg-Theaters Frank Gruppe, der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins Rolf Bolwin oder der Kölner Kunstprofessor und Kurator Kaspar König. Der Protestbrief wird zum Beispiel unterstützt von den Schriftstellern Elke Heidenreich, Ulla Lenze, Bora Cosic, György Dalos, Christoph und Jacob Hein, Navid Kermani, Sten Nadolny oder Richard David Precht; die Wissenschaft ist u. a. durch Martin Dannecker, Prof. Dr. Klaus Kreimeier, Prof. Dr. Hans-Joachim Lenger, Prof. Dr. Manfred Schneider oder Wolfgang Sofsky vertreten. Bei den Verlegern gehören Christoph Links, Volker Dittrich oder Dietrich zu Klampen dazu, bei den Schauspielern Maren Eggert, Rudolf Kowalski oder Janina Sachau. Die Journalisten Franziska Augstein und Heribert Prantl unterstützen das Protestschreiben ebenso wie die Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs (Frankfurt/Main) oder Hermann Ott (Wuppertal).
 
Die Autorin Carolin Emcke oder der Schriftsteller und Journalist Mathias Greffrath gehören ebenso zu den Unterzeichnern wie Michael Serrer, der Leiter des Düsseldorfer Literaturbüros, der Theaterwissenschaftler und Publizist Ivan Nagel, der Liedermacher und Maler Dieter Süverkrüp, der Historiker Wolfram Wette oder die Theaterregisseure Roberto Ciulli, Schorsch Kamerun, Stephan Suschke und Daniel Wetzel - und die Kabarettisten und Kleinkünstler schließlich werden u.a. von Tina Teubner, Rainer Pause oder Wilfried Schmickler vertreten.
 
Ebenfalls unterzeichnet hat das WDR-Rundfunkratsmitglied Anjara I. Bartz, Opernsängerin und Ensemble-Sprecherin der Oper Bonn.
 
Beispielhaft zu nennen sind außerdem Peter Liebermann, Vorsitzender des Vereins EL-DE-Haus e.V.; Thomas Thorausch, stellv. Leiter des Deutsches Tanzarchiv Köln; Willi Oberländer, ver.di Gewerkschaftssekretär Düsseldorf; Dr. Armin Raab, Wissenschaftlicher Leiter des Joseph Haydn-Institut, oder Jürgen Krönig, Autor und Korrespondent in London.
 
Anlass für diese Mitteilung der "Radioretter" ist nicht nur die ständig steigende Zahl von Unterzeichnern, sondern auch die Tatsache, dass sie neue Veröffentlichungen zu vermelden haben:
 
Einen Brief von freien Autoren des WDR zur Unternehmenskultur des Senders oder einen Offenen Brief von Professor Dr. Hans-Joachim Lenger an den WDR-Hörfunkdirektor zu seinen Erfahrungen mit der vom WDR behaupteten Transparenz.
 
Am Freitag vergangener Woche tagte wieder der WDR-Rundfunkrat - und die "Radioretter“ hoffen, dass die Rundfunkratsmitglieder den von Bürgerinnen und Bürgern aus allen Teilen der Gesellschaft und in jeder Altersklasse unterstützten Aufruf der Medien- und Kulturschaffenden hörten - und sich rechtzeitig über die Fakten und Hintergründe der geplanten Reformen informierten. Es geht um Grundsätzliches: Wohin steuert der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk und kann er bei weiterem Abbau von Qualitätsjournalismus noch seine Rolle in einer demokratischen Gesellschaft wahrnehmen? (PK)
 
Aktuelle Infos und Möglichkeiten für Solidaritätsunterschriften unter 
http://www.die-radioretter.de/cms/front_content.php


Online-Flyer Nr. 344  vom 07.03.2012



Startseite           nach oben