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Sport
11 Fragen an Steffi Jones, DFB-Direktorin für Frauen-, Mädchen- und Schulfußball
„Spielen lassen!“
Von Annemarie Fischer

Die Autorin des Porträts der 111mal als Nationalspielerin, sechsmal als deutsche Meisterin, dreimalige Europameisterin, Weltmeisterin 2003 und US-Meisterin 2003 berühmt gewordenen Fußballspielerin Steffi Jones in dieser NRhZ-Ausgabe, hat mit ihr auch ein Interview gemacht, das Sie jetzt hier lesen können. – Die Redaktion.


„Gesicht der WM“ - Gastgeberin Steffi Jones
Foto: A2 Bildagentur Hartenfelser, Frankfurt
Annemarie Fischer: Wenn Sie eine Anfrage von Eltern bekommen würden, dass die Tochter unbedingt Fußballspielen will – was würden Sie Ihnen aus Ihrer persönlichen Erfahrung und aus Ihrer jetzigen beruflichen Perspektive heraus antworten?
 
Steffi Jones: Spielen lassen! Der Fußball hat mir so viel gegeben und mich geprägt. Ohne Fußball wäre ich heute wohl nicht da, wo ich bin. Ich möchte hier nur kurz auf meine Lebens-geschichte eingehen: Ich bin in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen; ich habe einen älteren Bruder, der zwanzig Jahre mit seiner Drogensucht gekämpft hatte, ich habe einen jüngeren Bruder, der leider im Irak-Krieg beide Beine verloren hatte. Durch meinen ganzen Lebensweg hindurch war der Fußball für mich ein Auffangbecken – durch meine Anfangsjahre hinweg, als Mädchen aufzuwachsen, das als „Mischling“ ständig gehänselt wurde.
Ich weiß, was einem der Fußball geben kann, neben all den wunderbaren Titeln. Ich bin dankbar dafür, dass ich Fußball spielen durfte und miterleben darf, was Fußball geben und wie Fußball verbinden kann.
 
Welche globale Bedeutung hinsichtlich Bilanz und Resonanz hatte die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Lande?
 
Die Weltmeisterschaft hat einen weltweiten Schub ausgelöst. Wir stehen im regen und ständigen Austausch insbesondere mit europäischen Vereinen und mit den USA und Japan. Das japanische Team hatte 20.000 Zuschauer beim Training – dies zeigt, wie erfolgreich die WM war. Fußball verbindet und bringt Internationalität und Austausch mit.
 
Welchen Effekt hat die Weltmeisterschaft auf den Fußballalltag der Vereine?
 
Wir haben einen Imagegewinn für den Frauenfußball erreicht und den Stellenwert in der Gesellschaft erhöht. Außerdem ist die Zuschauerentwicklung in der Frauen-Bundesliga positiv: Im Durchschnitt verfolgen knapp 40 Prozent mehr Zuschauer die Spiele.
 
Welchen Status hat die Frauen-Bundesliga im internationalen Vergleich?
 
Unsere Liga zählt mit zu den besten der Welt. Viele Spielerinnen ausländischer Verbände haben Verträge bei Bundesligisten, und die deutschen Mannschaften haben großen Erfolg im internationalen Vereinswettbewerb – dies zeigt, wie stark sie sind.
 
Der breitere Bekanntheitsgrad der Spielerinnen geht auch mit höherer Vermarktung einher – worin sehen Sie, auch im Hinblick auf Ihre eigene Medienerfahrung, Nutzen und Gefahren für die Spielerinnen? Sind Mädchen und Frauen in Bezug auf ihr Medienimage "verletzlicher“? Wie wirkt der DFB hier beratend?
 
Mit den Beratern sind wir im ständigen Austausch. Ich fordere unsere Spielerinnen auf, sich in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit einzubringen, um sich und unseren Sport zu präsentieren. Viele machen das ja schon sehr gut. Es muss selbstverständlich immer im Einklang mit Sport und Training stehen.
 
Ihr eigener Weg zum Fußball und der vieler Spielerinnen begann einst zusammen mit den „Jungs“. Betrachten Sie Frauenfußball immer noch als „eigenes Gewächs“ auf dem Fußballrasen? Wie erklären Sie sich, dass die Berichterstattung über den Frauenfußball immer noch getrennt vom Männerfußball – gesondert unter der Rubrik „Frauen“ – stattfindet?
 
Wir wollen den Frauen- mit dem Männerfußball nicht vergleichen. In einer frühen Entwicklungsphase ist es von Vorteil, wenn Mädchen mit Jungs zusammenspielen, um so Zweikampfhärte, Schnelligkeit und Durchsetzungsfähigkeit zu trainieren. Hinzu kommt, dass viele Mädchen keine Möglichkeit haben, in ihrem Alter eine reine Mädchenmannschaft zu finden, aber Fußball spielen wollen. Dass ist dann nur in gemischten Mannschaften möglich. Dass die Berichterstattung getrennt vonstatten geht, liegt in der Natur der Sache: Bei Frauen- und Männerfußball handelt es sich um zwei zwar nicht vollständig voneinander getrennte, aber eigenständige Sportarten.
 
„Pyros“, „Ultras“, Integrationsprobleme – Phänomene, die der Frauenfußball nicht kennt. Es gibt auch wahrnehmbare Unterschiede in der Fan- und Vereinskultur – insbesondere in der facettenreiche(re)n Geschlechts- und Altersstruktur sowie der internationale(re)n Fan-Community. Betrachten Sie den Frauenfußball als eine eigenständige Kultur?
 
Die Zuschauerstruktur beim Frauenfußball setzt sich anders zusammen als bei den Männern. Bei uns kommen sehr viele Familien und junge Mädchen in die Stadien. Das ist charakteristisch für den Frauenfußball und macht auch die besondere Stimmung in den Stadien aus.
 
Von DFB-TV wird jeden Sonntag ein Spiel der Bundesliga live im Netz übertragen – wie schätzen Sie den Stand der Einbindung von regionalen Medienpartnern ein, damit auch weitere Vereine auch im Internet-Live-Stream und im Fernsehen verfolgbar sind?
 
Die regionale Berichterstattung war schon immer regelmäßig vorhanden. Vor allem unser Partner ARD mit seinen Landesrundfunkanstalten berichtet regelmäßig über die Frauen-Bundesliga, das freut uns natürlich sehr. Gerade nach der WM spüren wir jedoch einen deutlichen Anstieg der Berichterstattung vor allem in den elektronischen Medien.
 
Was ist die DFB-Medienstrategie für den Mädchen- und Frauenfußball im Hinblick auf die virtuellen Kommunikationswege, die in der Frauenfußball-Community besonders stark ausgeprägt sind?
 
Wir haben eine sehr erfolgreiche Facebook-Seite – „Frauenfußball-Nationalmannschaft“ – die fast 70.000 Freunde hat und auf der alle Facetten des Frauenfußballs thematisiert werden. Zudem nutzen wir unseren twitter-Kanal „DFB_Frauen“ mit mehr als 7000 Followern zur Kommunikation mit den Fans im Netz.
 
Was kann der DFB für die Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs tun? Gibt es schon Pläne und Projekte von und mit Vereinen und Einzelpersonen?
 
Wir haben nach der WM zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht und die Frauen-, Mädchen- und Schulfußball-Direktion erarbeitet - gerade ein Gesamtkonzept. Eines unserer Ziele ist es, jedem Mädchen, das Fußball spielen will, dies auch wohnortnah in einem Verein zu ermöglichen.
Wir wollen die Mitgliederzahlen halten. Dies betrachte ich als eine große Herausforderung. Als Schlüssel hierfür sehe ich die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden und die Kooperation zwischen Schulen und Vereinen. Angesichts der demographischen Entwicklung sehe ich weiterhin großes Potenzial im Frauenfußball.
 
Was sind die Ziele Ihrer Arbeit, die Sie sich persönlich gesetzt haben und die Sie in Ihrer DFB-Arbeit erreichen wollen?
 
Wir wollen die Mitgliederzahlen halten, Integration fördern, in Zusammenarbeit mit den Vereinen die Strukturen in der Frauen-Bundesliga professionalisieren, die Talentförderung optimieren, und die Frauen-Nationalmannschaft in der Weltspitze halten.
 
Das NRhZ-Fußball-Feuilleton bedankt sich bei Ihnen für das Gespräch! (PK)


Online-Flyer Nr. 338  vom 25.01.2012



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