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Lokales
Strategie des Vertuschens funktioniert nicht mehr in Gummersbach
Interview mit "Schmutzfink" Lothar Gothe
Von Peter Kleinert

Nachdem wir in der NRhZ-Ausgabe 329 einen Artikel des Öko-Bauern Lothar
Gothe über das skandalöse ,,Schafprojekt im Oberbergischen" veröffentlicht hatten, gingen die offenbar dafür Verantwortlichen bei der Kreisverwaltung in Gummersbach, ihr Gutachter, ein Anwaltsbüro und am Ende sogar Landrat Hagen Jobi nacheinander empört an die Decke. Öko-Bauer Gothe und der Redaktion wurden wegen "rechtswidrigen Verhaltens" zur Wiedergutmachung aufgefordert. Bevor wir uns dazu entschließen, hier erst mal ein Interview mit dem Öko-Bauern u.a. mit dem Hinweis auf seinen bevorstehenden Auftritt in der nächsten Kreistagssitzung. – Die Redaktion

"Alt-68er" Lothar Gothe (rechts) auf der Montagsdemo für Atomausstieg in Bergneustadt Frühjahr 2011
Foto: Lars Oberndorf
 
Peter Kleinert: Ihr Artikel in der NRhZ 329 über ,,Das Schafprojekt im Oberbergischen" (1) war ja recht erfolgreich. Zuerst ein Anruf vom Oberbergischen Kreis (OBK) in der Redaktion, in dem Sie als "Schmierfink" bezeichnet wurden - später wurde das nach einer Mail von mir an den Landrat Hagen Jobi per Mail korrigiert, und Sie wurden in einer weiteren Mail "nur" noch "Schmutzfink" genannt. Dann kam eine "Gegendarstellung", des von Ihnen kritisierten Gutachters Galunder, in der dieser - ohne einen einzigen Beweis vorzutragen - behauptet, Ihre "Behauptungen zu meiner Person entsprechen nicht der Wahrheit. Es handelt sich hierbei schlichtweg um eine Lüge. Ich bin weder befangen noch sind in meinem Gutachten Manipulationen enthalten." Was haben Sie gedacht, als ich Ihnen diese Post zukommen ließ?
 
Lothar Gothe: Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, daß die bisherige Strategie des Totschweigens und Vertuschens nun nicht mehr funktioniert. Die Nerven der beteiligten Herrschaften liegen blank, weil ihnen der Skandal außer Kontrolle geraten ist.
Als im Sommer 2009 bei der Vor-Ort-Kontrolle durch die Experten der Landwirtschaftskammer festgestellt wurde, daß durch die unsachgemäße Bewirtschaftung des Schafprojekts 70 % des geschützten Grünlands (49 Hektar) zu Brachlandsteppen verkommen waren, hat man offensichtlich gemeinsam beschlossen, dieses katastrophale Ergebnis geheim zu halten. Es bestätigte ja die jahrelangen zurückgewiesenen Vorwürfe der Kritiker vollständig.
Um die weiter anhaltende Kritik zum Verstummen zu bringen, beschloß dann vor einem Jahr der Umweltausschuß das Gutachten und erteilte dem zutiefst befangenen Galunder den Auftrag. Da in Wahrheit ja das Gutachtenergebnis der Fachbehörde vorlag, war Sachaufklärung ja gar nicht mehr nötig. Nach heutigem Wissenstand muß man annehmen, daß dieses Vorgehen der weiteren Vertuschung des Natur“schutz“skandals diente. Galunders Gutachten attestierte durchweg guten oder sehr guten Pflegezustand, damit wurde die Angelegenheit niedergeschlagen.  

Lothar Gothe besichtigt das einst geschützte Grünland, das jetzt Schafflächen in verheerendem Pflegezustand darstellt
Foto: privat
 
Da die Feststellungen der Landwirtschaftskammer augenscheinlich richtig sind, kann das Ergebnis des Galunder-Gutachtens nur vollkommen falsch sein. Keiner in dieser "Schafs-Omerta“ hat wohl damit gerechnet, daß ich erstens mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes die Herausgabe der unterdrückten Information einklagen würde und daß ich zweitens damit Erfolgs haben könnte.
Jetzt drehen sie am Rad und haben faktisch rein gar nichts entgegenzusetzen, siehe Galunders "Gegendarstellung“.
 
Peter Kleinert: Keineswegs klüger scheint Rechtsanwalt Benjamin Gebser vom Büro Bauer; Soest & Partner zu sein, der Ihnen am 28.11. ein "Einwurf-Einschreiben" zukommen ließ. Der behauptet zu Ihrem Artikel, "dieser Vortrag" sei "unwahr und entbehrt zudem jeder nachvollziehbaren Grundlage so dass auch eine Strafbarkeit wegen übler Nachrede im Sinne von § 186 StGB gegeben ist." Allzu erschrocken dürften Sie über diese Post ja nicht gewesen sein, weil der Herr Gebser für Ihre "unwahren Aussagen" wie Herr Galunder keinen einzigen Beweis vorträgt. Trotzdem sollen Sie "die als Anlage beigefügte Unterlassungserklärung" bis spätestens 9.Dezember abgeben. Außerdem soll Herr Galunder für seine "lnanspruchnahme" der Rechtsanwälte Bauer, Soest & Partner aus Wiehl in dieser Angelegenheit "auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 2.500,00 €" von Ihnen ebenfalls bis zum 9.12. erhalten. Haben Sie schon gezahlt? Wenn nicht, sind die ja "beauftragt, die Ansprüche unseres Mandanten im Wege der Unterlassungsklage durchzusetzen."
 
Lothar Gothe: Natürlich habe ich angesichts der Faktenlage die Unterlassungserklärung abgelehnt. Der Schriftsatz von Galunders Anwalt geht ebenfalls auf konkrete Vorwürfe gar nicht ein, stattdessen haut er mir einen Wust von Urteilen und Kommentarverweisen um die Ohren, gespickt mit den üblichen juristischen Aktenzeichen-Hieroglyphen. Allesamt treffen sie auf diesen Fall nicht zu, haben jedoch natürlich einen einschüchternden Effekt. Bei vielen "einfachen“ Mitbürgern führt das leider häufig dazu, daß sie derartige aufgeplusterte juristische Seifenblasen schon für halbe Gerichtsurteile halten und einknicken.
Ich habe dem Herrn Gebser mitgeteilt, daß ich Strafanzeige gegen seinen Mandanten wegen Erstellung eines falschen Gutachtens erstattet habe und Strafantrag gestellt, weil er mich der Lüge bezichtigt hat. Somit kann er sein Mandat um Strafverteidigung erweitern.
 
Peter Kleinert: Benjamin Gebser wirft Ihnen in seinem Einschreiben neben Ihren "unwahren Aussagen" auch noch vor: "Aufgrund lhrer Anzeige veröffentlichte unser Mandant eine Gegendarstellung in der Neuen Rheinischen Zeitung, die lhnen zur Kenntnis gelangt ist. Trotz dessen wiederholen Sie lhre oben konkretisierten, unwahren Aussagen jedoch in einer bürgerlichen Anfrage mit Schreiben an den Kreistag des Oberbergischen Kreises vom 26.10.2011." Was kann er denn damit meinen, denn Sie hatten die "Gegendarstellung" von Galunder ja frühestens Ende November lesen können.
 
Lothar Gothe: Am 26. Oktober hatte ich eine Einwohneranfrage an den Kreistag des Oberbergischen Kreises gerichtet mit der Stellungnahme, die die Grundlage für den Artikel in der NRhZ bildete. Bis vor wenigen Tagen hatte die Verwaltung nicht einmal den Eingang bestätigt, so daß ich schon befürchtete, die Einwohneranfrage werde rechtswidrig unterdrückt. Da aber Galunders Anwalt schon über sie verfügte, habe ich angefragt, ob die Anwaltskanzlei vielleicht die Eingangsbestätigungen als Dienstleistung für den Kreis übernommen habe. Jetzt hat sich auch die Kreisverwaltung gerührt, und meine Einwohnerfrage steht auf der Tagesordnung der Kreistagssitzung am 15. November um 15 Uhr im Rathaus Gummersbach. Nach der Geschäftsordnung darf ich eine mündliche Begründung abgeben, was ich als guter Bürger selbstverständlich auch machen werde.
 
Peter Kleinert: Freuen Sie sich eigentlich schon auf das Gericht, wenn Gutachter Galunder und sein so tüchtiges Anwaltsbüro tatsächlich die angedrohte "Unterlassungsklage durchzusetzen" versuchen sollten? Und welche Beweise und Zeugen werden Sie dann dem Gericht vorlegen bzw. vorstellen?
 
Lothar Gothe: Wenn sie die Unterlassungsklage einreichen, werde ich die drei Gutachter der Landwirtschaftskammer als Zeugen laden lassen, damit sie den verheerenden Pflegezustand der Schafflächen bestätigen. Ich werde auch den Vorsitzenden oder die Berichterstatterin der 13. Kammer des Verwaltungs-gerichts als Zeugen dafür vorladen, mit welchen unsäglichen Tricks und Verschleppungsmanövern die Bekanntgabe ihres Gutachtenergebnisses verhindert werden sollte, und daß die LWK zunächst statt des eigenen das im Ergebnis falsche Galunder-Gutachten vorlegte und versuchte, es vertraulich behandeln zu lassen. Zudem besitze ich ja interne Dokumente, mit denen ich auch viel Freude bereiten kann. Inzwischen hat auch der Landrat eine Unterlassungserklärung von mir verlangt. Auch die gebe ich natürlich nicht ab, da meine Behauptungen zwar tatsächlich das Ansehen seiner Mitarbeiter in der Öffentlichkeit herabsetzen; da sie aber wahr sind, hat er keinen Anspruch auf Unterlassung. Ich habe auch von ihm verlangt, diese Einschüchterungs-versuche zu unterlassen und stattdessen seine Pflicht zu tun und gegen die Verfehlungen seiner Mitarbeiter vorzugehen und sich beim Kreistag und auch bei mir zu entschuldigen.
 
Peter Kleinert: Das hört sich ja gut an und wird sicher wieder ein interessanter Artikel für unsere LeserInnen, vor allem für die Menschen im Oberbergischen Kreis. (PK)
 
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17199


Online-Flyer Nr. 331  vom 07.12.2011



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