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Zum dritten Mal Messe für elektronische Spiele in Köln
Game over für Ego Shooter
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Als „weltweit größtes Messe- und Event-Highlight für interaktive Spiele und Unterhaltung“ feiert die KölnMesse die zum dritten Mal in ihren Hallen stattfindende gamescom, die zuvor in Leipzig als Games Convention veranstaltet wurde. Seit 2009 engagiert sich der europäische Ableger der GDC (Games Developpers Conference, San Francisco) für die Veranstaltung der Messe in Köln. Mit 275.000 Besuchern wird ein Zuwachs von acht Prozent zum Vorjahr verzeichnet. Was als großes Ereignis - auch für Familien - gepriesen wird, ruft hinsichtlich der Gewalt- und Killerspiele immer wieder Kritiker auf den Plan.


World of Warcraft Präsentation (Welt des Kriegshandwerks)
 
„Killerspiele sind Landminen für die Seele“, ist die erste von fünf Thesen im „Kölner Aufruf gegen Computergewalt“, der 2008 ins Leben gerufen wurde und der ständig weitere Unterstützer findet. Mitverfasserin Prof. Maria Mies verfolgte aus nächster Nähe, wie an ihrem ehemaligen Institut der „Schwerpunkt Computerspiele nicht nur zum wichtigsten Forschungsbereich der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften (früher Fachbereich Sozialpädagogik) und zu einem eigenen «Institut für Medienpädagogik» aufstieg, sondern dieses heute sogar von einem der weltweit größten Anbieter solcher «Games», dem amerikanischen Konzern Electronic Arts, unterstützt wird. Dieser Konzern hat 2006 einen großen internationalen Kongress an der FH Köln ausgerichtet.“ Genannt „Clash of Realities“ (CoR), versteht sich das alle zwei Jahre stattfindende Ereignis (zuletzt 2010) als „wissenschaftliche Konferenz über Computerspiele und wird veranstaltet vom Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der Fachhochschule Köln, in Zusammenarbeit mit Electronic Arts.“ Die Verflechtung zwischen Hochschule und Industrie und die stetige Weiterentwicklung zur Bildungsprivatisierung sind nicht zu übersehen. Die Frage nach dem echten Anliegen einer kritischen Betrachtung ist von der Interessenlage der Industrie geleitet (siehe auch NRhZ 177).

The winner is

Die Messebefürworter preisen indes alle Neuigkeiten in einem technisch dominierten Jargon, was und wie in der wunderbaren virtuellen Welt, in der nur virtuell gestorben wird, es zu entdecken gibt, welche Fähigkeiten der - noch - überwiegend männliche Spieler erwerben kann. In einer Welt der eigenen Begriffe geht es bei den weit verbreiteten „Ego Shootern“ um „Scores“ und „Frags“ und „Kills“. Im Rahmen der Preisverleihung erhält ein Produkt von EA Electronic Arts den gamescom Award „Best of gamescom 2011“ für Battlefield 3. Mehrere Stunden Wartezeit nahmen Besucher in Kauf (angeblich bis zu zwölf Stunden), um das lebensechte Kriegsszenario, genannt „Spiel“ selbst ausprobieren zu können. Die Variante 3 von Battlefield wartet mit neuem - aktuellem - Kartenmaterial auf: „Caspian Border“ spielt an den Grenzen des Kaspischen Meeres, dessen Anrainer Rußland, Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und - nicht zufällig womöglich - der Iran sind. Orientalische Architektur, Farsi-Schriftzeichen tauchen in der Hollywood in nichts nachstehenden 3D-Raumwahrnehmung auf. Die vielfach geleugnete, auch von Maria Mies und den Initiatoren des Kölner Aufrufs dargelegte Nähe zum „aktiven Kriegstraining“ mit Killerspielen, die „den professionellen Trainingsprogrammen der US-Armee“ entstammt, wird von Michael Schulze von Glaßer in Telepolis (1) belegt: „Der Spieler kommandiert dabei eine US-Armee-Einheit, die gegen Terroristen vorgeht.“ Aus den Werkstätten der Hersteller Moves, Ubisoft und Gameloft stamme die America’s-Army-Reihe, die im Juli 2002 als „erste Version des von der US-Army herausgegebenen und finanzierten First-Person-Shooters erschien und seitdem als bestes Rekrutierungswerkzeug der US-Armee gilt. Die Entwicklungskosten beliefen sich auf knapp 4 Millionen Euro – drei Jahre dauerte es, das sehr detailreiche Videospiel zu konzipieren. Wie das US-Magazin The Nation berichtet, sind selbst die Geräusche beim Anschalten des virtuellen Nachtsichtgeräts vom Original übernommen.“
 

EA Battlefield 3 - "Caspian border" - bestes Spiel der gamescom 2011 (Electronic Arts Schlachtfeld)

eSport - EA Sport - ELS


Große Bedeutung kommt auf der gamescom 2011 dem sogenannten eSport zu. Und wieder fließen Begriffe ineinander: elektronischer Sport, EA Sport ist die Kategorie des Herstellers EA. Bei ELS heißt es: „Willkommen bei der Electronic Sports League. Die ESL ist Europas größte und älteste Online-Liga. Nahezu jedes eSports-Spiel und jede Wettbewerbsform wird unterstützt.“ Vom olympischen Komitee wird diese Sportart nicht anerkannt. Vollmundig präsentiert wird sie im neuen digitalen ZDF-kultur Kanal. Mit „FTW - For the Win“ überträgt es drei Stunden der Electronic Sports League, die dem unbefangenen Zuschauer Erstaunen abringt, denn zu sehen - und zu hören - sind Deathmatches (Kampf um Leben oder Tod), denn laut ZDF-kultur: „Zu den Disziplinen gehören unter anderem Counterstrike, StarCraft, FIFA und TrackMania. Mit Action, Echtzeit-Strategie, Sportsimulation und Rennspiel ist das Programm sehr vielfältig.“ Stimmt. Schießen „headshots“ auf einen Feind (Terrorist, Counterterrorist) mit finalem Nahkampf und blutigem Messer sind - wie die engagierte Stimme der Moderatorin verkündet - bestimmt „für die Leute, die sich das Thema (eSports) mal ganz neu zu Gemüte führen wollen...“ In einem anderen Bericht über die id-Software-Produktion „Rage“ begeistert sich die namentlich nicht genannte Sprecherin oder Autorin, dass die Hersteller nun wirklich „die Pioniere des Ego-Shooters“ sind. Sie beklagt: „Missionsbasierte Shooter-Action ist ein alter Hut. Außergewöhnlich ist, dass die id-Software Zensur-Flatrate scheinbar gekündigt wurde. Erstmals erscheint ein Titel der Firma in Deutschland vollständig im Original.“
 
Was bitte ist eine Zensur-Flatrate? In der Tat waren die DOOM-Produkte des Herstellers lange auf dem Index, gar beschlagnahmt (Wolfenstein 3D). In einer DOOM-Version war ein Hakenkreuz zu erkennen. Das lächelt der Spezialist für „Clash of Realities“, Dr. Dietrich Dörner, emeritierter Professor des Instituts für Theoretische Psychologie der Otto-Friedrich-Universität, Bamberg, weg. Er habe selbst lange DOOM gespielt, aber irgendwann wurde es ihm „zu ekelig“. Auch Oberbürgermeister Jürgen Roters ist - u.a. als Aufsichtsratsvorsitzender der KölnMesse - ein Meister des Lächelns. In einer Video-Ausgabe des Kanals Kölner Klagemauer aktuell, wird ihm und weiteren Honoratioren die Frage gestellt, wie denn vermeintliche und reale Menschenverachtung zusammenpassen. (2)

Das Thema Computer-Gewalt ist - zugegeben - so umfangreich, dass es schwerlich in Kürze abgehandelt werden kann. Wäre noch zu erwähnen, dass die Stadt Köln eSport-Gruppen unterstützt, dass Pädagogen der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Köln-Chorweiler sich für Computerspiele und eSport mit von ihnen veranstalteten Turnieren einsetzen.
 

World of Warcraft Präsentation (Welt des Kriegshandwerks)

Karriere mit Zukunft


Nicht unerwähnt bleiben soll, dass selbstredend auch die Bundeswehr mit über 300 Auftritten allein bei Messen und Kongressen im Jahr 2011 mit „personalwerblichem Schwerpunkt“ wieder bei der gamescom vertreten war. Aber in diesem Jahr blieb sie - wider Erwarten - von der hartnäckigen Protestgruppe „Bundeswehr wegtreten“ verschont. „Krieg kann man nicht spielen...“, warb der Hersteller Fireglow Games für seine im Jahr 2000 erstmals erschienene Schlachtspiel-Version „Suddenstrike“, was soviel wie Blitzkrieg bedeutet. Der komplette Werbeslogan lautete „Krieg kann man nicht spielen - sagt mein Opa“. Nachzu“spielen“ waren Schlachten des Zweiten Weltkrieges, u.a. das Gemetzel von Stalingrad. So konnte der Kriegsausgang vom realen Untergang zum Sieg gewandelt werden. In anderen Fällen heißt solche Geschichtsrelativierung Revanchismus.

Unbeirrt sammelt die Kölner emeritierte Soziologieprofessorin Maria Mies (3)(4) mit namhaften Initiatoren, darunter Kunstpädagoge Prof. Jochen Krautz (5) von der Alanus-Hochschule, unter dem „Kölner Aufruf gegen Computergewalt“ (download siehe NRhZ 177) bis heute über 8000 Stimmen aus allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens. Ganze Kirchenverbände, Schulgemeinschaften, Musikerorganisationen, Künstler wie Konstantin Wecker und Reinhard Mey, Kriminologen, Mediziner, der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther, Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose, Hans-Christof Graf Sponeck, Ekkehart Krippendorff, der Leiter des Kölner Bauturm Theaters, Gerhardt Haag, die Gesellschaft wissenschaftlicher Gesprächspsychotherapie Köln appellieren mit ihrer Unterschrift an die gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen, zu verhindern, „dass die humanen und zum Frieden verpflichtenden Grundlagen unserer Gesellschaft zugrunde gerichtet werden und Krieg zur Normalität wird.“ Der Aufruf fordert abschließend „dass Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter ihrem Auftrag gerecht werden, dem Frieden zu dienen, wie es Grundgesetz, Menschenrechte und Völkerrecht verlangen - sonst müssen sie abtreten.“ (PK)


EA Battlefield Präsentation (Electronic Arts Schlachtfeld)
 


EA Battlefield 3 - "Caspian border" - bestes Spiel der gamescom 2011



Lara Croft, Figur aus Tomb-Raider (Grabräuber)



EA Battlefield 3 - "Caspian border" - bestes Spiel der gamescom 2011



Bundeswehr auf der gamescom


Bundeswehr auf der gamescom
Alle Fotos: Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, Arbeiterfotografie

(1) http://www.heise.de/tp/artikel/33/33496/1.html
(2) http://www.youtube.com/user/KoelnerKlagemauer
(3) Maria Mies: Krieg ohne Grenzen: Die neue Kolonisierung der Welt
(4) http://www.netzwerk-neoliberalismus.net/
(5) Jochen Krautz: Bildung als Anpassung? Das Kompetenz-Konzept im Kontext einer ökonomisierten Bildung
Jochen Krautz: Ware Bildung, Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie


Online-Flyer Nr. 317  vom 31.08.2011



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