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Globales
Der Weltsicherheitsrat und seine Haltung zu Libyen und Syrien
Verbrecherbündnis gegen die Menschlichkeit
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Schon vor dem 1. Juli 2011, an dem Deutschland den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates in New York übernahm, meldete sich der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, zu Wort. Er hatte schon vorher mit einiger Sorge auf die Übernahme des Vorsitzes durch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gesehen. Außenpolitik unter Westerwelle erscheine ihm strategie- und handlungsunfähig. Zu den Folgen von vergangenen Beschlüssen des Sicherheitsrates hier der Kommentar einer Juristin und ehemaligen Diplomatin. – Die Redaktion
 

Neuer Chef des Sicherheitsrates
Guido Westerwelle
NRhZ-Archiv
Am 1. Juli 2011 übernahm Deutschland den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates in New York. Kein Kommentar darüber in der Süddeutschen Zeitung, nicht einmal eine Meldung. Von Isolierung Deutschlands zu sprechen oder zu schreiben ist nicht nur absolut realitätsfern, sondern zugleich eine lancierte propagandistische Falschheit. Auf Deutschland richtet sich die Hoffnung der überwältigenden friedlichen Mehrheit der 192 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, endlich eine friedliche Welt zu schaffen und mit Konflikten zivilisiert umzugehen, vor allem im Libyen-Konflikt, wobei Deutschland eine stabile Brücke auslegen kann, um entschieden eine politische Lösung zu erreichen, eine diplomatische Friedensinitiative zu lancieren, die das Land aus dem Krieg herausholen und auf den Weg zur Normalisierung bringen kann. Deshalb ist der Aggressionskrieg gegen Libyen auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates zu setzen. Berlin muss hier gemäß der UN-Charta ein deutliches Wort sprechen, auch wenn ein solches Wort für die Aggressoren unbequem wird.
 
Im UN-Sicherheitsrat sitzen als ständige Mitglieder die Mächtigsten der Welt, gerade die großen NATO-Mächte, Mitglieder der mächtigsten Militärorganisation der Welt. Diese Mächtigen maßen sich an, alles in ihrer Gewalt zu haben, sogar die Gesetze und die UN-Resolutionen. Ihnen geht es darum, die Großfinanz, das große Verbrechen, den politischen Einfluss zu verknüpfen, das alles zusammenzufügen. Darin besteht ihre Macht. Schreiberlinge oder Minister, die die Augen davor schließen, sind Mordkomplizen. Die Soldaten haben mindestens den Mut, zu den Waffen zu greifen, aber die Schreiberlinge, die an ihren Schreibtischen sitzen und in ihren Papieren die Morde zählen, die sind die widerlichsten. Offensichtlich war die Macht des Geldes niemals so groß, so anmaßend wie heute, mit skrupellosen Lobbyisten bis in den höchsten Rängen des Staates.
 
Kein Land darf tun, was Aggressoren tun. Die Mahnung der Nürnberger Prozesse an die Zivilisation ist klar und eindeutig. Die Wahrheit zu wissen und zu verschweigen, sei es aus falscher Loyalität, Feigheit oder um jemanden zu schützen, ist grundsätzlich falsch. Schweigen ist tödlich. Deutschland täte gut daran, das Schweigen zu brechen. Wenn es um Alliierte geht, die Deutschland brauchen, wird es gut und einfach sein, unter sich ein offenes Gespräch zu führen. Weiter auf Eiern zu tanzen, hilft jedenfalls nicht weiter.
 
Die russische Diplomatie zeigt sich vorbildlich. Der russische Präsident Dmitri Medwedjew hat das Schweigen gebrochen. Im Vorfeld eines arrangierten Spitzentreffens am 4.7. über Libyen in Sotschi am Schwarzen Meer gab er der britischen Financial Times ein Interview, in dem er erklärte, aus der UNO-Resolution zu Libyen sei ein "Papierchen" gemacht worden, mit dem eine "sinnlose Militäroperation" gerechtfertigt wurde. Russland bestehe darauf, dass der UN-Sicherheitsratsbeschluss "nicht willkürlich interpretiert", sondern buchstabengetreu aufgefasst werden müsse. "Wenn dort die Rede von einem Flugverbot ist, dann geht es ... um Flugverbot", so Medwedjew. Dagegen seien tatsächlich mittlerweile die Kampfflugzeuge der NATO die einzigen, die über Libyen fliegen, Bomben abwerfen und damit ein Land verwüsten und zahllosen Zivilisten töten. Darauf hat es im Sicherheitsrat keine angemessene Reaktion gegeben.
 
Auch der Strafgerichtshof in Den Haag bleibt gegen die offenkundigen Aggressoren untätig und stellt seine Einseitigkeit als reine Willkür bloß. Ein solcher Strafgerichtshof, der die westlichen Aggressoren verschont, verliert jede Glaubwürdigkeit und jeden Respekt in der Welt. Zu Recht wehrte sich dagegen am 3.7.die Afrikanische Union und rief dazu auf, den Beschluss dieses Gerichts zu missachten. Abgesehen davon wirkt die anmaßende Handlung dieses Gerichts als Hindernis für die angestrebte politische Lösung. Darüber kein Wort in der Süddeutschen Zeitung. Ist die Redaktion wirklich sprach- und ratlos? Eine funktionierende Demokratie braucht aber eine unabhängige Presse.
 
Zu dem Treffen in Sotschi wurden von Präsident Medwedjew die NATO-Botschafter, der Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und der südafrikanische Präsident Jacob Zuma eingeladen. Die NATO-Botschafter und der NATO-Generalsekretär mussten sich die harte Kritik Russlands und Südafrikas wegen des NATO-Verhaltens gegenüber Libyen anhören. Der südafrikanische Präsident Zuma engagiert sich schon monatelang für Verhandlungen und den Stopp der Bomben-Angriffe auf das nordafrikanische Land. In diesem Zusammenhang hatte die Afrikanische Union (AU) die kämpfenden libyschen Parteien am 1.7. zu Verhandlungen in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba eingeladen. Bisher haben die drei westlichen Aggressoren diese Verhandlungen verhindert. Aber aufgrund der fortwährenden sinnlosen NATO-Militäroperation, die nicht nur die UN-Resolution zu Libyen sprengt, sondern die Funktion und den Zweck der Vereinten Nationen selbst, ist es dringend geboten, darüber zu entscheiden, nämlich über Verhandlungen mit der offiziellen Regierung in Tripolis, d.h. mit Muammar Gaddafi. (siehe FAZ: "Suche nach dem Ausweg" von Lothar Rühl, 29.6.11)
 
Bei den Treffen wurde besprochen, dass das Staatsoberhaupt Libyens selbstverständlich in Libyen bleiben wird. Er ist die Autorität Libyens, das Staatsoberhaupt, das zusammen mit seinem Volk der barbarischen westlichen Aggression gegenübersteht. Aus einem atlantischen Verteidigungsbündnis ist ein Aggressionsbündnis, ein Verbrecherbündnis gegen die Menschlichkeit geworden. Vor allem der UN-Sicherheitsrat muss sich mit diesem Tatbestand befassen.
 
Russland werde darum aus der Libyen-Erfahrung lernen und eine Syrien-Resolution verhindern, kündigte dessen Präsident in dem Interview an. Sie könnte als Vorwand genutzt werden, Kampflugzeuge nach Syrien zu schicken. "Das will ich nicht, das will ich nicht auf dem Gewissen haben", betonte Medwedjew gegenüber der Financial Times. "Wenn mir meine Kollegen damals gesagt hätten, wenn Sie sich enthalten, werden wir dann einige Objekte bombardieren – dann hätte ich meinen Kollegen in der UNO andere Instruktionen gegeben". Soweit der russische Präsident.
 
Aber nicht nur eine UN-Resolution zu Syrien, sondern jede UN-Resolution zu irgendeinem Land ist in Zukunft zu verhindern, wenn man den UN-Sicherheitsrat realistisch betrachtet. Aus einem Friedensorgan ist ein Kriegsorgan geworden: Die jüngsten Resolutionen des UN-Sicherheitsrats führen zu dieser höchst erschreckenden Erkenntnis. Diese Reihe von UN-Sicherheitsratsresolutionen ist für alle erkennbar ominös: Mit der Bewahrung des Friedens haben sie gar nichts zu tun. Der Sicherheitsrat steht völlig de-legitimiert da. Er erfüllt seine Pflicht nicht mehr, ja, es gibt nicht einmal den Versuch dazu. Im Gegenteil: Seine Resolutionen funktionieren seit dem Irak-Krieg 1991 als Vorstufen für Aggression und Krieg und sind gegen Geist und Buchstaben der UN-Charta für den Krieg ausgelegt und eingesetzt worden. Mit anderen Worten, aus einem ohnehin undemokratischen Organ der Vereinten Nationen, wie sich aus seiner Zusammenstellung ergibt, ist sogar ein Organ zur Ermächtigung zum Krieg führen geworden. Der Sicherheitsrat erteilt vor fast jedem neuen US-Krieg ein Ermächtigungsgesetz in Form einer Resolution. Niemals tagt der UN-Sicherheitsrat hinsichtlich der flagranten Aggressionen der USA und anderer westlicher Mächte, wie es seine Pflicht wäre, um den Weltfrieden zu wahren. Die USA und andere westliche Mächte haben wiederholt UN-Sicherheitsratsresolutionen im Hinblick auf ihre geplanten Aggressionen erarbeitet und beschließen lassen. Damit haben solche Mächte gegen ihre Pflichten als permanente Mitglieder des Sicherheitsrates verstoßen und die Funktion des UN-Sicherheitsrates verdreht und verhöhnt.
 
Die Süddeutsche Zeitung gibt sich dafür erneut als Propaganda-Plattform her, damit wiederholt akzeptiert wird, dass UN-Resolutionen für Gewalt und Aggressionskrieg benutzt werden. Damit zeigt sich die Redaktion als dramatisch lernunfähig. Gravierend ist die Anmaßung, den Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat für eine weitere massenmörderische Militäroperation der NATO nutzen zu wollen. (Siehe den SZ-Artikel vom 6.7.11: "Die Stimme der Opposition. Bundesregierung empfängt Exil-Syrer"). Jede Entwicklung braucht Stabilität, jede Reform scheitert an Vandalismus. Saboteure müssen in jedem Land isoliert werden.
 
Der Reformprozess in Syrien ist im Interesse der Bevölkerung, und niemand mit gesundem Menschenverstand kann sich gegen deren Willen stellen. Gegen die proklamierte US-Einmischung in Syrien hat der russische Präsident Medwedew Haltung bewahrt. Russland werde sein Veto gegen eine eventuelle UN-Sicherheitsratsresolution zu Syrien einlegen, sollte diese von Frankreich und anderen europäischen Staaten eingereicht werden. Deutschland muss endlich zu den Aggressoren auf Distanz gehen. So weit und fern, wie es geht.
 
Die bestialische NATO-Militäroperation gegen Libyen, ohne jede Rechtfertigung, stellt den offenkundigen Widerspruch zwischen der NATO und den Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen bloß. Dazu stellt der Artikel 103 der UN-Charta klar: „Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Charta und ihren Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang.“ Mit anderen Worten: Die Vereinten Nationen stehen über der NATO, einer Organisation, die sich den UN-Grundsätzen unterzuordnen hat. Eine Mahnung oder ein Aufruf dazu vom Internationalen UN-Gerichtshof in Den Haag wäre dringend geboten.(PK)
 
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und ehemalige Diplomatin und hat sich schon mehrfach auf ihrer Website http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/luz-mara-de-stfano-zuloaga-de-lenkait-und-der-konflikt-in-libyen/ mit der Intervention der NATO in Libyen auseinandergesetzt.


Online-Flyer Nr. 310  vom 13.07.2011



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