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Nun also ist der Guttenberg-Nachruf fällig: „Denn sie wissen (nicht) was sie tun“
Von Plagiaten und Plagiatoren
Von Dietmar Spengler

"Zitate sind normalerweise mit Gänsefüßchen“, belehrte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am 22. April 2010 im Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages den SPD-Abgeordneten Rainer Arnold. Dass er später selbst Ärger mit fehlenden Gänsefüßchen und Fußnoten bekommen würde, konnte der Freiherr da eigentlich schon ahnen.


Cartoon: Kostas Koufogiorgos
 
Dies ist ein Plagiat. Ein Zitat, das "planvoll und absichtlich" aus der SZ vom 21. Februar 2011 abgeschrieben wurde. Doch anders, als die anderwärts übernommenen Zitate des relegierten und inzwischen zurückgetretenen Doktors und Selbstverteidigungsministers aus dem Fränkischen, ist dieses Zitat als Plagiat ausgewiesen. Über den und seine "fehlenden Gänsefüßchen“ ist jetzt allerdings so viel geschrieben worden, dass einem die Lust vergeht, sich mit seinem überheblichen Getue weiter zu befassen. Und dennoch macht es Vergnügen, an der Demontage eines Volkshelden mitzuwirken!
 
Zunächst soll aber vom Plagiat in der Kunst die Rede sein. In der Kunst ist der Tatbestand des Plagiats erfüllt, wenn jemand Ideen, Konzepte, Kompositionen übernimmt, um sie als eigene auszugeben. Eine Fälschung aber ist das kopierte Original. Der Fälscher gibt seine Fälschung als das Werk eines anderen aus.
 
Han van Meegeren war einer der ganz großen Plagiatoren. Der Holländer war in den 30er und 40er Jahren mit bis dahin unentdeckten Bildern Jan Vermeers groß im Geschäft. Ein Feinmaler und Könner. Schon zu Lebzeiten wurde Rembrandt kopiert, seine Kompositionen plagiiert. Von 711 ‚originalen Rembrandts‘ sind bis 2010 350 Gemälde übrig geblieben. Auch Lothar Malskat war ein nicht unbegabter Plagiator. Neben Rembrandt fälschte er Liebermann, Barlach, Chagall und Picasso. Der Engländer Tom Keating verkaufte seine Machwerke als Gainsboroughs, Degas‘, Renoirs und Modiglianis. Die Liste der Plagiatoren könnte man seitenweise fortsetzen.
 
Prominentes Beispiel für eine Fälschung ist das Monet-Gemälde "Am Seineufer bei Port Villez" im Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Jahrzehnte lang hing das Bild als klassischer Monet in der Galerie, ohne dass sich jemand daran störte. Aktuell sind sieben Verdächtige in einen Kölner Kunstfälscher-Skandal verwickelt, die der „Kölnischen Rundschau“ zufolge, 44
Plagiate "angebliche Meisterwerke des frühen 20. Jahrhunderts“, darunter Plagiate von Max Ernst, Max Pechstein, Heinrich Campendonk und Fernand Léger gefertigt und verkauft haben. Auf „gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Betrug“ lauten die Ermittlungen.
 
Vor allem die Grafik ist arg von Fälschungen und Plagiaten betroffen. Da stöbern die Experten auf den Flohmärkten und bei Trödlern in Florenz und Neapel nach alten Schwarten, in Kladden gesammelten handgeschöpften Blattbeständen, um die so gewonnen Blätter der Illustration eines marktgängigen Künstlers, wie Tiepolo oder Boucher zuzuführen. Dann
tauchen im Kunsthandel und auf Auktionen neue, bisher unbekannte Künstlerkonvolute auf, die begieriges Interesse wecken. Doch diese Methode hat keine Zukunft, denn die Generation, die das Zeichnen durch Kopieren erlernt hat, ist im Schwinden.
 
Leichter, als die noch der Natur verpflichteten Künstler, lassen sich Expressionisten, Surrealisten und klassische Moderne fälschen. Hier findet man noch Material in Fülle und Motive für Variationen. Miro, Chagall, Picasso sind besonders beliebt. Das im Handel kursierende Dali-Oeuvre schießt dabei den Vogel ab. Auf eine echte Grafik des Künstlers kämen, so vermutet man, zehn gefälschte Blätter.
 
Ähnlich wie bei der Grafik verhält es sich in der Malerei. Je weiter von der wahrnehmbaren Wirklichkeit entfernt, desto leichter lässt sich ein Künstleroeuvre vereinnahmen. Beliebt auch bei arrivierten Malern soll Modigliani gewesen sein. Wie viel Plagiate von Expressionisten vor allem in privaten Kunstsammlungen hängen, ist nicht annähernd zu schätzen. Der
Triumph des Plagiators ist dennoch ein zweifelhafter. Ruhm erntet er nur, wenn er entlarvt ist.
 
Wenn es um Ruhm geht, dann gibt es nur einen unter dem weißblauen Himmel, der ihn verdient. Seit gut zwei Wochen kommt er nicht mehr aus den Schlagzeilen, wird stetig mit dem Plagiatsvorwurf konfrontiert. Da wird sich gestritten um des Kaisers Bart: Was der Duden als "Diebstahl geistigen Eigentums“ definiert, heißt im akademischen Jargon "Verstoß gegen die Zitierpflichten“. Der Freiherr aus Franken hat einiges einzustecken. "Lügenbaron“ schimpft man den "Summa cum laude-Promovenden" und meint es auch so. Dabei geht ihm ein Ruf voraus, wie er in der Nachkriegszeit keinem der politischen Klasse zugekommen ist. Als Garant der festen Grundsätze feiert ihn das Fernsehvolk. "Gradlinigkeit“ scheint ihm auf den Leib geschnitten, und der "Ehrlichkeit“ rühmt er sich selber. Das "Ehrenwort“, ein Begriff der Kardinaltugend unserer adeligen Militärkaste, aus der der junge Unteroffizier der Reserve stammt (sein Vater scheint aus der Art geschlagen, obgleich dirigieren und kommandieren…), hat einen besonderen Klang in seinem Vokabular. Dafür ist er beliebt, über alle Maßen, der "Gutti“. Schon Altkanzler Kohl hat mit dem "Ehrenwort" reiche Ernte eingefahren. Wenn es zutreffen sollte, dass, wie die Schmierfinken der sich der Heldenverehrung verschriebenen "Zeitung für Deutschland" behaupten, 87 Prozent der "BILD-Deutschen" sich hinter die Lichtgestalt der Nation stellen, dann können schon mal alle Juden, Afrikaner, Kommunisten und anderes "Gesindel" die Koffer packen.
 
Die Chronik der Ereignisse verrät anderes. Die ehrenwörtliche Versicherung zur selbstständigen Anfertigung seiner Doktorarbeit stempelt den Autor ab zum Plagiator: Die Vorwürfe, er habe plagiiert, wurden von Guttenberg am 16. Februar als „abstrus“ zurückgewiesen. Zwei Tage danach wurden "fraglos Fehler“ eingeräumt; am 21. Februar waren es bereits "gravierende Fehler“ und "Blödsinn“ (den selbst die Uni nicht sehen wollte!); und am 23. Februar stellte er sich immer noch trotzig als "Vorbild“ hin. Hat der Jurist diese Arbeit jemals vorher durchgelesen, muss man sich fragen? Ist der Mann noch zu retten? Wohl kaum. Was der Mann braucht, ist ein Coach, eine "lösungsorientierte Begleitung", die ihn herunterholt von seinem hohen Ross. Denn darauf kann er sich verlassen: der Bundesmichel ist überaus vergesslich geworden. Dann kann er nach einigen Jahren wieder den strammen Ritter spielen und sich neue Lügenmärchen ausdenken nach dem Motto "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern…".
 
Fakt ist: Guttenberg hat bewusst getäuscht; ob mit Absicht, bedingtem oder direktem Vorsatz. Wie anders soll eine Arbeit, die von einer Universität als Dissertation angenommen wird, anders entstehen, als mit Verstand und Bewusstsein? "Unbewusstes Plagiat" ist ein Widerspruch in sich. Wenn der gewesene Doktor anderes behauptet, muss man ihn für unzurechnungsfähig erklären. Dieser Mann, der sich vergeblich an der Lösung der "Quadratur des Kreises“ versuchte, der seine verfälschenden Machenschaften als "wissenschaftliches Fehlverhalten“ bemäntelte, camoufliert seine Arbeit und narrt das Volk. Und die Hüterin der Exzellenz (Frau Schavan) muss sich jetzt schämen.
 
Noch ein Wort zum Doktorvater. Was machen diese Leute eigentlich, wenn ihnen Zitatenraub in diesem Umfang entgeht? War Bayreuth nicht ein "Heimspiel" für den adeligen Doktoranden? Der SZ zufolge soll die Rhön Klinikum AG, an der die Familie Guttenberg als Hauptaktionär (260 Millionen Euro) beteiligt war, Geld, das offenbar mit umfangreichen Immobilien jetzt in einer österreichischen Zweckstiftung, quasi steuerfrei, eingebracht ist, der Universität Bayreuth ca. 750.000 Euro für einen Lehrstuhl überwiesen haben. Und der Herr Baron saß noch im Aufsichtsrat des spendablen Unternehmens! Seit Jahrhunderten beherrschen die Guttenbergs den oberfränkischen Landstrich zwischen Bamberg und Bayreuth. Haben ihr eigenes Dorf, Schlösser, Gutshöfe, Wälder und Ländereien. Ihre Wappenrose ziert noch heute viele Gemeindewappen in Ober- und Unterfranken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
 
Mit der "Affäre Guttenberg“ dürfte sich für Karl-Theodor nun auch der minnesängerische Wahlspruch seines Großvaters gleichen Namens, kalter Krieger und Staatssekretär unter Kiesinger, erledigt haben, der kurioserweise dessen Lebenserinnerungen (Titel: "Fußnoten“, satte EUR 79,50 bei amazon.de) vorangestellt ist: „Wer addelichen tout, den will ich ahn vür edel“. (PK)

Dietmar Spengler ist promovierter Kunsthistoriker im Ruhestand und kann das Räsonieren nicht lassen!


Online-Flyer Nr. 291  vom 02.03.2011



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