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Lokales
"Die Stadt sollte sich über die Kölner Klagemauer glücklich schätzen!"
Offene Briefe an OB Jürgen Roters & Co
Aachener Friedenspreis e.V. und Kölner Friedensforum

"Dem Oberbürgermeister, Parteien, Kirchen und Vereinen ist jetzt der Kragen geplatzt. Sie wenden sich mit einer Resolution 'gegen antiisraelische und antisemitische Darstellungen an der so genannten 'Kölner Klagemauer'. Oberbürgermeister Jürgen Roters ist auf einer sechstägigen Nahostreise und wird die Resolution in Kölns Partnerstadt Tel Aviv an seine dortigen Amtskollegen übergeben", freuten sich am 17. und 18.12.2010 die Redaktionen der DuMont-Zeitungen Kölnische Rundschau und des Kölner Stadt-Anzeiger. Hier die Antworten des Aachener Friedenspreis e.V. und des Kölner Friedensforums auf diese Resolution(1), mit der man vor allem auf eine Karikatur an Walter Herrmanns Klagemauer vom Februar 2010 reagiert hatte. – Die Redaktion

 

Walter Herrmann – Gründer der Klagemauer
NRhZ-Archiv
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jürgen Roters,
mit Bestürzung nehmen wir zur Kenntnis, dass Sie mit der Resolution vom 17. Dezember 2010 massiv gegen den Aachener Friedenspreisträger 1998, die Kölner Klagemauer Initiative, vorgehen.
 
Wir können nicht erkennen, dass sich die Klagemauer zu einem „Ort, der geschichtsblinden Einseitigkeit antiisraelischer Ressentiments“, entwickelt hat. Der von Ihnen beschriebene Höhepunkt im Januar 2010 stellte sich für den Aachener Friedenspreis e.V. so dar, dass Walter Hermann zwar eine bereits in einer deutschen Publikation veröffentlichte Karikatur zeigte, diese aber unverzüglich entfernte als verschiedene Organisationen, unter anderem der Aachener Friedenspreis, entsprechend intervenierten. Walter Hermann hat sich von der Karikatur distanziert, und die Kölner Staatsanwaltschaft erklärte uns auf Anfrage, dass ein Verfahren wegen Volksverhetzung nicht eröffnet werden würde.
 

Resolution rechtzeitig für seine Israel-Reise
verabschiedet – OB Jürgen Roters
NRhZ-Archiv
Freie Meinungsäußerung und Demonstrationsrecht sind hohe Güter. Die Möglichkeit Kritik an der menschenverachtenden Kriegstreiberei der israelischen Regierung und die gegen das Völkerrecht verstoßende Politik zu äußern. muss auch in Köln möglich bleiben.
 
Für die Klagemauer ist Israel/Palästina zum Glück und dank Walter Herrmann immer wieder ein aufrührendes Thema, aber keines mit Ausschließlichkeitsanspruch. Der Kampf für die Obdachlosen, das Gedenken an Hiroshima und Nagasaki, um nur einige Friedensthemen zu nennen, sind seit nunmehr zwanzig Jahren eine nicht mehr aus Köln wegzudenkende und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht weg zu agierende Aktionsform.
 
Die Klagemauer ist ein Angebot zur politischen Bewusstseinsbildung für Kölner Bürger und Reisende aus aller Welt.
 
Der Kölner Klagemauer verdanken wir Aachener unseren Preisträger 2001. Auf Kazuo Soda und sein Wirken für den Frieden wurden wir bei der Teilnahme an einer der vielen Gedenkfeiern auf der Domplatte aufmerksam.
 
Die Demonstrationen von Walter Herrmann auf der Kölner Domplatte konnten die Stadt Köln in den letzten zwanzig Jahren zu einer Plattform des Diskurses im öffentlichen Raum werden lassen. Wir kennen keine Stadt, in der sich aktuell ein Mensch mit einer solchen Ausdauer und Kraft für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt und eingesetzt hat. Was der Marktplatz im alten Athen für Sokrates bedeutete, bedeutet für Walter Hermann die Domplatte, die ohne Klagemauer für uns alle undenkbar ist - hier darf auch provoziert werden, wenn es um Frieden und gegen das bewusste Töten von wehrlosen Menschen geht.
 
Ihre Reaktionen sind für uns nicht nachvollziehbar. Wir lesen, dass Sie über die Mauer, die auf palästinensischem Boden steht und die mehr als doppelt so hoch ist, als es die ehemalige Mauer in unserem Land war „schockiert“ sind.
 
Eine Stadt wie Köln sollte sich glücklich schätzen, eine Einrichtung wie die Kölner Klagemauer, die den Mainstream nicht bedient und sich von Autoritäten nicht beeindrucken lässt, vorzeigen zu können. Auch wenn sie eine Provokation bedeutet für viele ehrwürdige und angesehene Kölner Bürger. In Wirklichkeit ist sie eine Chance für uns alle!
 
Der Aachener Friedenspreis e.V. bittet Sie und fordert Sie auf, Walter Hermann so zu behandeln, wie Sie es im letzten Satz der Resolution formulieren: "Der Frieden zwischen den Menschen und den Kulturen ist möglich, wenn wir mit Respekt und Achtung aufeinander zugehen."
 
Für den Aachener Friedenspreis e.V.
Karl Heinz Otten, Vorsitzender, Vera Thomas-Ohst, stellvertretende Vorsitzende

Offener Brief des Kölner Friedensforums
 
an Herrn Oberbürgermeister Jürgen Roters, Frau Bürgermeisterin Elfie Scho-Antwerpes, Frau Bürgermeisterin Angela Spizig, die Herren Bürgermeister Hans-Werner Bartsch und Manfred Wolf, die Stadtratsfraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Freie Wähler und DIE FREUNDE im Stadtrat, Katholisches Stadtdekanat, Evangelischer Kirchenverband Köln und Region, Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Synagogengemeinde Köln, Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Tel Aviv; Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem
 
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren UnterzeicherInnen der „Resolution gegen antiisraelische und antisemitische Darstellungen an der so genannten Kölner Klagemauer“,
 
in Ihrer oben genannten Resolution vom Dezember 2010 fordern Sie im Namen von Köln eine "Grenzziehung, wo zum Hass gegen andere Völker aufgerufen wird und antisemitische Botschaften verbreitet werden". Als einzigen Anhaltspunkt, wo diese Grenze zu ziehen sei, führen Sie eine antisemitische Karikatur an, die Walter Hermann – wie Sie selbst erwähnen – im Februar 2010 von seiner Kölner Klagemauer entfernt hat. Wogegen genau richten sich so schwergewichtige Vorwürfe wie "Völkerhass“, "Antisemitismus“, "menschen- und völkerverachtend“ in Ihrer Resolution?
 
Als für den Frieden und ein verpflichtendes antifaschistisches Erbe engagierte Kölner Bürgerinnen und Bürger finden wir derartige Pauschalierungen sehr befremdlich. Muss man befürchten, dass die notwendige Kritik an der derzeitigen Politik der israelischen Regierung untergehen und gar mithilfe einer "Grenzziehung“ unterbunden werden soll? Wir würden uns von einer solchen "Grenzziehung“ mit betroffen sehen.
 
Die Lage der Menschen im Gazastreifen ist verzweifelt. Man muss öffentlich darauf hinweisen können (das sollte selbstverständlich sein), wie es nach mehrjähriger Blockade durch die israelische Staatsmacht und insbesondere nach dem militärischen Angriff Ende 2009 dort aussieht. Es muss öffentlich gesagt werden können, dass planmäßig und fortschreitend der palästinensischen Bevölkerung die Lebensgrundlagen entzogen werden. Wie unerträglich eingeschränkt der Alltag der Palästinenser in der Westbank ist, haben Sie, Herr Oberbürgermeister, bei Ihrem Besuch im Dezember selbst gesehen.
 
Die israelischen Regierungen nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Jizhak Rabin haben den von UNO und befreundeten Regierungen skizzierten Friedensprozess in immer größerem Ausmaß blockiert: Siedlungsbau, Mauerbau, exklusive Straßen, Checkpoint-Schikanen, militärische Angriffe – wie sollen wir angesichts dieser einseitigen Aktionen den Vorwurf der antiisraelischen Einseitigkeit verstehen? Wollten Sie ein Schweigen über die Folgen der israelischen Regierungspolitik einfordern?
 
Wenn es so sein sollte, möchten wir uns in aller Form dagegen verwahren.
Mit freundlichen Grüßen
Kölner Friedensforum
 
(1) http://www.ksta.de/html/artikel/1292517910378.shtml
(PK)


Online-Flyer Nr. 285  vom 19.01.2011



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