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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Inland
Was nicht im BND-Untersuchungsbericht stehen dürfte:
Deutsche "Medienhilfe" weltweit
Von Hans Georg

Trotz des Bespitzelungsverbots der Bundesregierung sind Mitarbeiter Berliner Dienststellen bei der staatlichen Durchdringung der deutschen Journalistenszene tätig und sorgen für die Anwerbung ausländischer Medienvertreter. Dies ergeben Recherchen von german-foreign-policy.com.

An den Maßnahmen, die unter Privatadressen firmieren, beteiligen sich auch Militärs. Zu den Aktivitäten gehören "Medienberatung", "Medienpraktika" und "Journalistenstammtische". Die "ehrenamtlich" betriebenen Apparate erfreuen sich der direkten Unterstützung des Staatssenders "Deutsche Welle" und erfassen Journalisten in sämtlichen Ländern Osteuropas. In dem Organisationsnetz ist die Nachfolgeeinrichtung eines von Spitzeln durchsetzten Apparates tätig - dort führte die deutsche Auslandsspionage BND (Bundesnachrichtendienst) mehrere Quellen: Journalisten, die als unverdächtige Medienvertreter auftraten und über Kollegen nach Pullach berichteten. Auch ihre heutigen Nachfolger behaupten, mit Spitzeldiensten in der deutschen und internationalen Journalistenszene nichts zu tun zu haben. Verbindungen zu staatlichen Stellen streiten sie ab.

Im Frühjahr 1996 evaluierte die beim Bundesnachrichtendienst in Pullach tätige Abteilung für journalistische Quellen ihr Kölner Spitzelmaterial. In Köln war die "Internationale Assoziation Deutschsprachiger Medien" (IADM) aktiv und kümmerte sich um den Zusammenschluss von Print-, Radio- und TV-Unternehmen im Ausland - eine für den BND ertragreiche Einflussarbeit.
 
Diskretion

Mal wurden ausländische Medien in Namibia erfasst ("Südwestafrikanischer Rundfunk in Windhuk") [1], dann "wöchentliche Telefonberichte" über "Radio 3EA in Melbourne, Australien" ausgewertet. Fiel die grenzüberschreitende Medienarbeit zu sehr auf und blieb in Widerständen der Zielstaaten stecken, hatten ausländische Regierungsstellen diplomatische Folgen zu gewärtigen, so die spanische Botschaft in der Bundesrepublik. Bei der IADM wurde überlegt, "die Touristikbranche anzuheuern", um den Spaniern mit deutschen Urlaubern zu drohen, sollte sich Madrid weiter widersetzen. Den Kölner Medienschaffenden der IADM, deren staatlicher Hintergrund verdeckt blieb, finanzierte das Auswärtige Amt technische Gerätschaften - mit gebührender Diskretion.
 
Nachrichtendienstliche Erschließung

Trotz zweifelsfreier Erfolge reichte dem BND der über Jahrzehnte erzielte Gesamtertrag nicht aus. Die Evaluierung endete 1996 negativ - sehr zum Ungemach mehrerer deutscher Journalisten, die beim BND "besonders eng" [2] angebunden waren und sich in Köln der "nachrichtendienstlichen Erschließung" von Berufskollegen gewidmet hatten. Bald nachdem die BND-Quellen 1996 abgeschaltet wurden, verstarb auch deren Kölner Organisation.
 
Vorläufer

Noch im selben Jahr wurde das aufgegebene Interessengebiet neu bestellt. 1996 entstand im Kölner Umland eine "Arbeitsgemeinschaft", deren Name Anklänge an die vormalige BND-Struktur nicht scheut und wiederum Journalisten anspricht: Die "Internationale Medienhilfe" (IMH), laut Eigenaussage eine "weltweit ehrenamtlich tätige Nicht-Regierungsorganisation im Medien- und Kulturbereich".[3] Zu den zahlreichen "Unterorganisationen" der IMH gehört der "Weltverband Deutschsprachiger Journalisten" (WDJ). Wie es auf der Internet-Seite des "Journalisten"-Unternehmens heißt, verstehe man sich als Nachfolger der IADM, des 1996 abgeschalteten BND-Reservoirs ("Vorläuferorganisation").[4]
 
Unbekannt

Der traditionsbewusst auftretende "Weltverband" weist als Anlaufstelle ein "Koordinationsbüro Deutschland" aus - eine Postfachadresse in Hennef bei Köln. Laut Vereins-Satzung soll die "Kooperation zwischen deutschsprachigen Journalisten in allen Erdteilen" [5] gefördert werden und "darüber hinaus" der Kontakt mit "anderssprachigen Kulturschaffenden". Angeblich hat der Verein seinen Sitz in Köln [6], aber scheint versäumt zu haben, dies auch beim Kölner Registergericht zu melden. Dort ist der "Weltverband" unbekannt, ergeben Recherchen dieser Redaktion. Gleichwohl offeriert das Journalisten-Netz die "Ausstellung internationaler Presseausweise" und wirbt um junge Medien-Praktikanten, denen weltweite "Vermittlung" versprochen wird.[7]

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



Verboten

Zum vierköpfigen Verbandsvorstand zählt die Organisation Personen, die nicht unbedingt als Journalisten gelten können, so den in Berlin-Strausberg tätigen Guido Mathes. Mathes ist in der "Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation" tätig, einer Spezialeinrichtung für militärische Einflussarbeit, die aus den Stäben für "Psychologische Kriegführung" (PSK) und "Psychologische Verteidigung" (PSV) hervorgegangen ist. Die Psycho-Krieger wurden 1989 illegaler Praktiken überführt und hatten getarnte Medienarbeit betrieben [8] - seitdem ist journalistische Agententätigkeit unter dem Vorwand der Meinungsbildung für Bundeswehrbedienstete offiziell verboten. Der Bundeswehrmann Mathes ("Leiter Forum Dialog der Akademie der Bundeswehr") scheint seine Vorstandsarbeit beim angeblich privaten "Weltverband Deutschsprachiger Journalisten" mit diesem Verbot in keinen Zusammenhang zu bringen - 1989 war er noch nicht dabei.
 
Rechtsextremismus

Bei Journalisten-Veranstaltungen wie der "Internationalen Medienmesse 2001" tritt Mathes als "Moderator" auf, ohne dass seine berufliche Funktion im Programm ausgewiesen wird.[9] Deswegen dürften ahnungslose Journalisten kaum wissen, dass es sich bei Mathes um einen Fachmann mit weit reichenden Beziehungen handelt - Mathes wird zu sicherheitsrelevanten Besprechungen des Bundeskriminalamts und des amerikanischen FBI geladen ("Head of Department in the Bundes Academie for Information and Communication").[10] Mathes hat eine steile Karriere absolviert: Vor seinem heutigen WDJ-Interesse für deutsche und ausländische Journalisten wurde er als Referent der "Paneuropa-Jugend" angekündigt [11], um im Haus der Kölner Burschenschaft "Germania" politische Visionen zu vermitteln: "Die ostdeutsche Zukunft lebt in der europäischen Zukunft". Mathes' Auftritt im Milieu der Korporierten ist Gegenstand einer Kleinen Anfrage im Bundestag gewesen. Thema: "Rechtsextremismus".
 
Verfassungsschutz

Einen weiten Karriereweg mit Abzweigungen nach rechts hat auch ein anderes Vorstandsmitglied des "Weltverbands Deutschsprachiger Journalisten" hinter sich: Gunnar Digutsch. Über Zwischenstationen bei der CDU Niedersachsen kam Digutsch in das Bundestagsbüro des Abgeordneten Martin Hohmann und arbeitete als dessen "wissenschaftlicher Assistent".[12] Nach der antisemitischen Hetzrede seines Chefs [13] publizierte Digutsch in einer Ehrenschrift für den NS-Marinerichter Hans Filbinger ("Verleumdet und geschmäht") sowie Kurt Waldheim, den NS-Ordonnanzoffizier im Saloniki der Judendeportationen von 1941.[14] Seitdem ist Digutsch weiter aufgestiegen: Neben seiner Medientätigkeit für den "Weltverband Deutschsprachiger Journalisten" in Köln hält er den Vorsitz eines Berliner CDU-Ortsverbandes inne und arbeitet dem Bundestagsabgeordneten Willsch zu (Unterausschuss "Angelegenheiten der Europäischen Union"). Interessiert ist Digutsch an Tätigkeiten des Verfassungsschutzes, über dessen Agentenarbeit der Journalistenfunktionär in einem Buchbeitrag nachdachte.[15]
 
Beziehungen

Als Verbandsvorstand zeichnet Björn A., der erste Mann im WDJ, der zugleich die Dachorganisation "Internationale Medienhilfe" (IMH) leitet. Für mehrere Anfragen, die den staatlichen Verbindungen des Journalistennetzes galten, war A. weder in seinem Hennefer Haus noch unter der Telefonnummer des Medien-Ringes mit Postfachadresse zu erreichen. Der dort ansprechbare Büroleiter verbot die Veröffentlichung von Zitaten, in denen staatliche Finanzierungen und Kontakte zu Agentenkreisen strikt abgestritten wurden. Was es mit dem deutschen Medien-Netz, seinen Beziehungen zur Psycho-Truppe der Bundeswehr, zum Auswärtigen Amt und anderen Berliner Dienststellen wirklich auf sich hat, könnte das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) bei seinen kommenden Sitzungen klären - mit freundlicher Hilfe der drei deutschen Geheimdienste.

[1] Protokoll der 23. Mitgliederversammlung
[2] Eine beträchtliche Summe von Skandalen; M. Zeitschrift der IG Medien 10/1998
[3] www.imh-deutschland.de/page/index.php, Stand vom 16.05.2006 00.00 Uhr
[4] Über das Gründungsjahr des "Weltverbandes Deutschsprachiger Journalisten" schreibt die Organisation wörtlich: "1999 (die Vorläuferorganisation IADM - Internationale Assoziation Deutschsprachiger Medien wurde bereits 1973 gegründet)".
[5], [6] Weltverband Deutschsprachiger Journalisten (WDJ) Deutsche Sektion e.V. Satzung vom 08.05.1999. Die im Internet abrufbare Niederschrift (Stand vom 16.05.2006 00.00 Uhr) gibt unter Punkt 2 der Satzung an: "Der Verein hat seinen Sitz in Köln".
[7] www.imh-deutschland.de/page/index.php, Stand vom 16.05.2006 00.00 Uhr
[8] Am 17.01.1989 strahlte der Westdeutsche Rundfunk (WDR) die Dokumentation "Psychologische Verteidigung - Ein geheimer Staatsapparat in Waldbröl?" aus. Der Beitrag enthüllte "Methoden, Tarnorganisationen und klandestine Propagandakanäle der 'Psychologischen Verteidigung' (PSV)", heißt es in der WDR-Pressemitteilung. Infolge der Veröffentlichung musste das Bundesverteidigungsministerium eine offensichtlich illegale Dienstanweisung zurückziehen. Darin war die mediale Bespitzelung breiter Bevölkerungskreise erlaubt worden. S. auch Aufklärung, "Nachrichtendienstliche Erschließung" ausländischer Journalisten, Bundeswehr: Psychologischer Krieg und Propaganda-Lilli
[9] IMH, Internationale Medienhilfe: Internationale Medienmesse 2001. Spezialmesse für internationale Medienvermarktung und internationale Kulturbeziehungen. Programm, abrufbar unter www.imh-deutschland.de/page/index.php?rubrik=0006andid=0037, Stand vom 16.05.2006 00.00 Uhr
[10] Center for the Study of Democracy: International Conference, May 14-18, 2001
[11] Deutscher Bundestag: Drucksache 13/155 vom 30.12.1994
[12] Hinter den Kulissen des Reichstages; Das Ostpreußenblatt 31.08.2002
[13] "Hören wir, was der Jude Felix Teilhaber 1919 sagt: 'Der Sozialismus ist eine jüdische Idee ... Jahrtausende predigten unsere Weisen den Sozialismus.' Damit wird auch ausgedrückt, daß an der Wiege des Kommunismus und Sozialismus jüdische Denker standen. So stammt Karl Marx über beide Eltern von Rabbinern ab (...). Der überaus hohe Anteil von Juden bei den kommunistischen Gründervätern und den revolutionären Gremien beschränkte sich keineswegs auf die Sowjetunion. Auch Ferdinand Lassalle war Jude ebenso wie Eduard Bernstein und Rosa Luxemburg. 1924 waren von sechs KP-Führern in Deutschland vier und damit zwei Drittel jüdisch. In Wien waren von 137 führenden Austro-Marxisten 81 und somit 60 Prozent jüdisch. Von 48 Volkskommissaren in Ungarn waren 30 jüdisch gewesen. Aber auch bei der revolutionären sowjetischen Geheimpolizei, der Tscheka, waren die jüdischen Anteile außergewöhnlich hoch (...). Nun, diese revolutionäre Elite meinte es wirklich ernst, so äußerte Franz Koritschoner von der KPÖ: 'Zu lügen und zu stehlen, ja auch zu töten für eine Idee, das ist Mut, dazu gehört Größe.'" Ansprache von MdB Martin Hohmann zum Nationalfeiertag, 3. Oktober 2003
[14] Klaus J. Groth, Joachim Schäfer: Stigmatisiert. Der Terror der Gutmenschen, 2005
[15] Martin Hohmann, Gunnar Digutsch: Was kann und was darf der Verfassungsschutz bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität leisten, in: Hans-Helmuth Knütter u.a. (Hrsg.): Der Verfassungsschutz, München 2000

Weitere Informationen: www.german-foreign-policy.com.



Online-Flyer Nr. 45  vom 23.05.2006



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