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Mülheimer Abwasser riecht stark nach Veruntreuung und deren Vertuschung
Gebührenkalkulation eine Zumutung
Von Lothar Reinhard
Die OBs und Kämmerer des Städtebündnisses "Raus aus den Schulden“ von 20 Großstädten in NRW veranstalteten am Freitag eine Busbesichtigungstour durch verschiedene verarmte Städte. Begonnen wurde in Mülheim, dann Essen, Bochum und bis Wuppertal. Sprecherin für die OB’s ist Dagmar Mühlenfeld (SPD), für die Kämmerer Uwe Bonan, beide aus Mülheim. Man demonstrierte den Journalisten Schlaglöcher und forderte erneut mehr Geld vom Bund.
Mülheims OB Dagmar Mühlenfeld –
Die Stadt bin ich | Quelle: MBI
Vom Eigenanteil an der enormen Verschuldung war nicht die Rede. Sie kam auch in Zeitungsberichten oder im Fernsehen nicht vor. Dabei hätte man beim Tourbeginn am Schloss Broich in Mülheim nur 5 Minuten bis zur Ruhr zu gehen brauchen, um auf der gegenüberliegenden Seite die riesige Trümmerlandschaft des Millionengrabes Ruhrbania zu sehen. Auch ein Gang durch die Mülheimer Innenstadt mit ihren massiven Leerständen hätte gezeigt, dass es mit mehr Geld aus Berlin bei weitem nicht getan ist. Auch der Hagener OB Dehm, ebenfalls Mülheimer und einst Referent des skandalumwitterten Mühlenfeld-Vorgängers Baganz, hätte von vielen Beispielen der Verschwendung (z.B. die berühmte Treppe) und der Misswirtschaft (wie die verzockten swap-Millionen) in seiner Stadt berichten können. Nur ein OB aus einer der am schlimmsten verschuldeten Städte fehlte ganz, Herr Sauerland aus Duisburg. Doch den plagen wohl andere Sorgen.
Parallel dazu wird versucht, den Bürgern mit allen erlaubten und z.T. unerlaubten Mitteln das Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Hundesteuer wurde bis zu 68% erhöht und die Ermäßigung für Menschen an der Armutsgrenze soll Stück für Stück abgeschafft werden. Die erhöhten und zeitlich verlängerten Parkgebühren haben die krisengeschüttelte Innenstadt noch leerer gemacht und etliche weitere kontraproduktive und unsoziale Maßnahmen ohne viel Effekt zur Haushaltssanierung.
Online-Flyer Nr. 275 vom 10.11.2010
Mülheimer Abwasser riecht stark nach Veruntreuung und deren Vertuschung
Gebührenkalkulation eine Zumutung
Von Lothar Reinhard
Die OBs und Kämmerer des Städtebündnisses "Raus aus den Schulden“ von 20 Großstädten in NRW veranstalteten am Freitag eine Busbesichtigungstour durch verschiedene verarmte Städte. Begonnen wurde in Mülheim, dann Essen, Bochum und bis Wuppertal. Sprecherin für die OB’s ist Dagmar Mühlenfeld (SPD), für die Kämmerer Uwe Bonan, beide aus Mülheim. Man demonstrierte den Journalisten Schlaglöcher und forderte erneut mehr Geld vom Bund.
Mülheims OB Dagmar Mühlenfeld –
Die Stadt bin ich | Quelle: MBI
Verschuldung durch PPP-Modelle
Unabhängig von der Frage, welcher Anteil der bedrohlichen Überschuldung der Städte insbesondere von Ruhr und Wupper selbstverschuldet ist, muss aber auch die Haushaltsführung von Städten wie Mülheim transparenter und seriöser werden. Die Umwegfinanzierung fast aller größeren Investitionen durch PPP-Modelle hat die Verschuldung von Mülheim bereits auf Jahrzehnte festgeschrieben und immer mit Einredeverzicht!
Unerhört ist aber auch die Gestaltung der Abwassergebühren. Die sollen in Mülheim 2011 um 7,4% erhöht werden. Begründung: eine angebliche Unterdeckung des Gebührenhaushalts in 2009 von 1,475 Mio. €, angeblich gestiegene Verbandsbeiträge um 900.000 € und die angeblich „intensive Investitionstätigkeit des Abwasserbetriebes“, wofür aber keine Steigerungsrate oder absolute Zahl angegeben wird.
Lässt der Rat sich wieder übertölpeln?
Außerdem wurden 300.000 € angesetzt für die Beratung zur Dichtigkeitsprüfung, womit exklusiv die Mülheimer Energiedienstleistungs GmbH medl/SEM beauftragt werden soll. Im letzten Jahr wollte die Verwaltung dafür bereits 400.000 € aus den Gebühren nehmen, doch ein gemeinsamer Antrag von SPD, CDU, MBI, Grünen und FDP hat das abgelehnt und darauf verwiesen, dass jeder Haushalt seine Beratung oder/und Dichtigkeitsprüfung durch die Firma seiner Wahl durchführen können lassen muss. Daran hat sich nichts geändert und es wird sich zeigen, ob der Rat sich vom erneuten Versuch übertölpeln lässt.
Die gesamte Gebührenberechnung aber ist ein Mysterium, undurchschaubar wie dicker Nebel und eine wirkliche Zumutung bzw. gar mehr als das.
Zusätzlich zu dieser „12. Änderungssatzung der Abwassergebühren“ (s.o.) liegt der Wirtschaftsplan 2011 des Abwasserbetriebes vor. Es ärgert nicht nur, dass dort bei allem nur die Ansätze der Jahre 2009, 2010 und 2011 aufgelistet sind, also der jeweiligen Prognosen. Jegliche Jahresabrechnung oder reale Zahl fehlt. Die 5,4 Mio. € Überschuss, - laut Haushaltssicherungskonzept (HSK)-Maßnahme 193 „Der akkumulierte Gewinn beim Abwasserbeseitigungsbetrieb einschließlich des Jahresergebnisses 2008, in Summe 5.414.888,35 €“ - soll laut Ratsbeschluss vom 7. Oktober in 4 Jahresraten von 2010 bis 2013 zu jeweils 1,353.722 € an die Stadt „ausgeschüttet“ werden.
Millionen werden der Gebührenkasse entwendet
Unabhängig davon, dass dies grundsätzlich verboten ist und einem kriminellen Griff in den separat zu führenden Gebührenhaushalt gleichkommt, sucht man diese 5,4 Mio. € Überschuss im Wirtschaftserfolgs- oder Vermögensplan des Abwasserbetriebes vergeblich. Genauso werden die Millionen, die ausschließlich aus Gebühren stammen, bei der Kalkulation der Gebühren 2011 vollständig außen vor gelassen. Mit anderen Worten: Die Millionen werden der Gebührenkasse entwendet und im Wirtschaftsplan als nicht existent betrachtet. Das riecht stark nach Veruntreuung und deren Vertuschung!
Doch egal: Überschüsse im Gebührenhaushalt müssen grundsätzlich allerspätestens nach 3 Jahren als Gebührensenkung an die Gebührenzahler zurückgegeben werden. Die o.g. Überschüsse stammen zum größten Teil aber nachweislich aus den Jahren 2005 bis 2007, also hätten sie bereits 2008, 2009, 2010 zumindest anteilmäßig jeweils in die Gebührenkalkulation einfließen müssen. Auch das geschah nicht, wie alleine die Formulierung „akkumuliert“ im Haushaltssicherungskonzept (HSK) beweist.
„Erfolgsplan des Abwasserbeseitigungsbetriebes“
Es ist dreist, dann auch noch zu behaupten, in 2009 habe es eine Unterdeckung von 1,475 Mio. gegeben. Selbst wenn der Gutachter Heilmaier richtig gerechnet hätte, wäre ein „Rest“-Überschuß von ca. 4 Mio. € im Topf gewesen. Ganz abenteuerlich aber wird es, dann diese fiktive Unterdeckung als Hauptbegründung für eine drastische Gebührenerhöhung anzuführen. Und der Gipfel: Diese Erhöhung soll laut „Erfolgsplan des Abwasserbeseitigungsbetriebes“ zu einem Jahresgewinn 2011 nach Steuern von weiteren 3,486.300 € führen!
Eine private Firma, die z.B. Fernseher verkauft, mag so kalkulieren. Doch der Abwasserbeseitigungsbetrieb darf das zu Recht nicht. Er muss jedes Jahr seinen Gebührenhaushalt kostendeckend berechnen, eben nicht profitmaximierend. Dafür darf der Kunde auch seine Gebührenzahlung weder verweigern noch kürzen. Er ist ja auch Zwangskunde und kann sich - anders als beim TV-Kauf - keine unterschiedlichen Angebote einholen und dann z.B. entscheiden, als Mülheimer sein Abwasser lieber in Dortmund oder Düsseldorf einzuleiten.
Auch die anderen beiden o.g. Gründe der deutlichen Gebührenerhöhung wirken unglaubwürdig und bedürfen der Überprüfung. Der Ruhrverband hat seine Beiträge angeblich stabil gehalten und die „Kalkulatorischen Kosten“ sind von 2010 auf 2011 nur mit einer ganz leichten Steigerung angesetzt, von 16.719.700 € auf 16.820.000 €, d.h. nur ca. 100.000 € Steigerung, was eine Gebührenerhöhung von ca. 0,2% begründen könnte. Dass dabei genau wie im Vorjahr ein kalkulatorischer Zins von immer noch 6% angesetzt wurde, ist ohnehin ein weiterer bedenklicher Punkt.
Illegale Überführung von Gebührenüberschüssen
Fazit: Diese unseriöse und hochgradig bedenkliche Gebührenkalkulation muss vom Tisch, die illegale Überführung von Gebührenüberschüssen an die Stadtkasse muss schnellmöglich rückgängig gemacht und die Abwassergebühren 2011 neu und gesetzeskonform berechnet werden.
Bedenklich bis ärgerlich ist es aber auch, dass dieser Versuch der unzulässigen Gebührenaneignung erneut versucht wird, obwohl bereits 2003 bei Abwassergebühren ein ähnlicher Versuch zurückgenommen werden musste, nachdem die MBI die Kontrollbehörden eingeschaltet hatten. Auch bei den Müllgebühren dauerte der Streit um die Gebührenüberschüsse aus 2000/1 mehrere Jahre bis 2007, bis die Gebühren endlich die Vorschriften befolgten. Es ist daher als Affront zu werten, wenn Kämmerer Bonan und Dezernentin Sander so tun, als sei rechtens, was bereits zweimal als nicht rechtens korrigiert werden musste.
P.S.: Wenn die bankrott gefahrene Stadt die Ausgaben nicht senken will, darf sie zur Geldbeschaffung Gardinen-, Betten-, Sex- o.ä. Steuern erheben, aber sie darf dies nicht über die Erhöhung der Gebühren für Abwasser, Müllabfuhr oder Straßenreinigung tun. Das ist aus gutem Grund und zur Seuchenbekämpfung so geregelt und sollte uns auch weiterhin von einer diktatorischen Bananenrepublik unterscheiden! (PK)
Lothar Reinhard ist Fraktionssprecher der Mülheimer BürgerInitiativen (MBI) im Stadtrat.
Online-Flyer Nr. 275 vom 10.11.2010