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Aktueller Online-Flyer vom 24. April 2024  

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Globales
Geert Wilders im internationalen Kontext
Christdemokraten und Führerprinzip – Teil 3
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

Der niederländische Muslimfeind Geert Wilders, dessen Partei ausgerechnet "Partei für die Freiheit" heißt, ist kein Unfall und kein Einzelfall, sondern der Eisbrecher einer internationalen Entwicklung. Auch die Sozialdemokratie und Grüne oder die Linkspartei sind nicht ohne Weiteres eine Alternative, die FDP á Priori indiskutabel. Das Phänomen erfordert eine internationale Antwort. Das sich jetzt trommelfeuerartig verstärkende Muslimbashing hat nicht nur in Deutschland die Funktion einer gewaltigen Nebelmaschine. Wenn in einem Land die „Islamkritik“ überschwappt, empfiehlt es sich zu schauen, was dort sonst los. Man wird meistens noch am gleichen Tag fündig. Wegen der Fülle der Beispiele beschränke ich mich auf die Niederlande, Frankreich, Belgien und die USA, und selbst das muß in zwei Teilen abgehandelt werden, damit die Zusammenhänge klar werden und die politische Strategie gegen diese Umtriebe verdeutlicht werden kann.

Die Nachricht im Medienhype suchen
Quelle: dontyoubelievethehype.com/Farmville.com
 
Bullshit-Bingo und Trüffelschweine
 
Ein gutgelaunter Blogger hat das Absondern der immergleichen Platitüden mittels Vorschlag für ein Bingo-Spiel(1) veralbert: immer, wenn im Fernsehen bei einer Integrationsdebatte die üblichen Begriffe fallen, kreuze man einen Bingo-Zettel: Burka, Kopftuch, falsche Toleranz, Zwangsheirat, Ehrenmord… Im Blog „Dontyoubelievethehype“ genauer nachzulesen.
 
Ich hätte jetzt auch was: suchen Sie Trüffel! Das Spiel geht so: wird wieder irgendwo in irgendeinem Parlament ein „Burkaverbot“ beschlossen, hält jemand eine flammende Rede über Multikulti, wird wieder mal über unmittelbar bevorstehende Terrorangriffe räsoniert – schauen sie nach, was in diesem Land sonst noch los ist! Das funktioniert immer, garantiert! Einige ausgewählte Beispiele folgen:
 
Niederlande:
 
Über die schmerzhaften neoliberalen Einschnitte in das soziale Netz der Niederlande habe ich ja bereits in Teil 1 dieser Serie ausführlich berichtet. Mittlerweile wird das, was im Koalitionsvertrag vereinbart war, zügig umgesetzt. Das – für mich als Ärztin – schmerzhafteste Beispiel: aktuell werden die Kosten im Basistarif der Krankenversicherung von 1.107 Euro bis 2015 auf 1.400 Euro erhöht – wobei daran zu erinnern ist, daß dieser Tarif eine hohe Selbstbeteiligung enthält und die Behandlung von „Befindlichkeitsstörungen“ nicht finanziert.
 
Geert Wilders' Prozess, bei dem es ja angeblich um „Meinungsfreiheit“ geht, sorgt für die nötige Ablenkung, das heisst: sorgte, denn mittlerweile, seit dem 22. Oktober, ist er definitiv geplatzt (2). Nach einigen Fehlern der Richter, die die Medien füllen, passierte der entscheidende ausgerechnet Richter Tom Schalken, der gegen erhebliche Widerstände den Prozess überhaupt durchgesetzt hatte. Er traf bei einem unmittelbar vor den angesetzten Zeugenvernehmungen angesetzten Essen den von der Verteidigung als „sachverständigen Zeugen“ geladenen „islamkritischen“ Arabisten (niederländisch für Orientalist) Hans Jansen. Was dort geschah, teilte Zeuge Jansen dann der Presse mit. Obwohl es für Wilders strenggenommen um nichts geht, kräht die „Counterjihad-Community“ Viktoria, was sich bei Botox-Bikini-Bloggress Pamela Geller (3) dann so liest:
 
„This is a huge vitory. Wilders always argued that the three judges on this case were biased. Today three other judges ruled that the court had given a semblance of partiality. The case now has to start again with other judges. This will probably take months. And while it is true that these new judges might rule against Geert but with the public prosecutor demanding acquittal there is a much better chance that an unbiased court will acquit Wilders.“ Übersetzt: „Dies ist ein gewaltiger Sieg. Wilders hat immer gesagt, daß die drei Richter dieses Prozesses beeinflusst sind. Heute haben drei andere Richter entschieden, daß das Wilders-Gericht den Eindruck der Parteilichkeit erweckt. Der Prozess wird nun, mit anderen Richtern wiederholt. Dies wird möglicherweise Monate dauern. Es ist wahr, die neuen Richter können auch gegen Geert entscheiden, aber jetzt, nachdem die zuständige Staatsanwaltschaft schon seinen Freispruch gefordert hat, besteht eine wesentlich bessere Chance, daß ein unbeeinflusstes Gericht Wilders freispricht.“
 
Und die Diskussion wogt hin und her: Hans Jansen stilisiert sich als banges, aber mutiges Opfer des bösen Richters, wofür PI einen eigenen Übersetzer bemüht(4) (und was mir jetzt Arbeit erspart): „..mein Gesprächspartner war Mitglied des Amsterdamer Gerichtshofes, der den Auftrag hatte, Geert Wilders wegen Säens von Hass, Diskriminierung und Gruppenbeleidigung anzuklagen… Ich fragte ihn, ob ich in seinem Beisein frei sprechen dürfte. Immerhin war mir bekannt, dass schon mal ein Islamkritiker von ihm vor Gericht gezerrt worden war… Nach einigem Drängen meinerseits versprach Tom Schalken, mich für das, was ich an diesem Abend von mir gab, nicht anzuklagen oder einzusperren.“
 
Befangenheitsantrag oder Medienhype?
 
Es lohnt sich wirklich, auf PI den kompletten Text zu lesen. Wenn man dann noch weiß, dass Hans Jansen üblicherweise nicht schlecht austeilt, kann man das nachvollziehen, was – nicht nur – Bloggerin Keira von Krapuul.nl (5) so einfällt, nämlich, daß dieses Essen ja schon im Mai gewesen sei, und daß „Arabist“ Jansen erst jetzt vom Drang gepackt wurde, sich zu offenbaren. Keira fragt sich, ob es um die „fifteen seconds of fame“ gegangen sei, ob Jansen sich bei Wilders weiter einschleimen wollte – oder, ob eventuell was ganz anderes dahinterstecke: „…dat dit allemaal gewoon bij de verdedigende partij bekend was en er een mooi spel is gespeeld om zolang mogelijk de aandacht vast te houden voor onze grote held Geert Wilders. Uiteraard wordt dit ten stelligste ontkend door de advocaat van Wilders.“ Übersetzt: „…daß all dies der Verteidigung schon längst bekannt war, und das ganze Teil des Spiels war, um die Aufmerksamkeit so lange bei unserem großen Helden Geert Wilders festzuhalten.“
 
Ja, Keira, genau das, so läuft das Spiel, genau so, und deswegen gibt das „islamkritische“ Kleinbloggersdorf, angeführt von Frau Geller, der PIpifanterie (6) und weiteren lieben Freunden der weltumspannenden „Counterjihad-Community“ wahrlich alles, um etwas zu skandalisieren, das sich, nach Aussage des seinerzeitigen Gastgebers sowie des betroffenen Richters, Tom Schalken so, wie behauptet, eben nicht abgespielt hat. Und was sagt der Anwalt dazu? „Selbstverständlich wird all dies vom Anwalt von Geert Wilders bestritten. Wie ich ja schon einmal ausführte: bei dem Prozess geht es für Wilders um nichts – doch die Sau die sich durchs globale – nicht nur – islamkritische Mediendorf (7)jagen lässt, ist gar zu prächtig. Da Wilders gegen den Richter Schalken Strafanzeige gestellt hat, ist für weitere Unterhaltung gesorgt. – Mal nebenbei: hatte ich eigentlich erwähnt, daß die Fankurve „Geert unseren großen Helden“ für den „Sacharow-Preis für geistige Freiheit“, auch EU-Menschenrechtspreis vorgeschlagen hat? Denn, so das EU-Parlament: „Der Sacharow-Preis wird außergewöhnlichen Persönlichkeiten verliehen, die gegen Intoleranz, Fanatismus und Unterdrückung kämpfen. Genau wie Andrej Sacharow bezeugen die Preisträger, dass es großen Mutes bedarf, die Menschenrechte und die freie Meinungsäußerung zu verteidigen.“ Echte niederländische Spaßbacken, oder?
Freie Meinungsäußerung oder „Meinungsfreiheit“, wie ich ja bereits andernorts ausführte, also das „…man wird ja noch bzw. bald nicht mehr sagen dürfen…“, dient, wie ich andernorts (8) ausgeführt habe, dazu, den Diskursraum auszudehnen. Bei der Todesstrafe sind wir ja schon…
 

Faxen endgültig dicke:
Hannie van Leeuwen
Quelle: nrc-handelsblad
Das alles führt dazu, daß die im Koalitions- und Duldungsvertrag festgeschriebenen Grausamkeiten jetzt relativ geräuschlos durchgezogen werden können. Siehe oben. Und es gibt noch eine Nachricht, die im allgemeinen Wilders-Hype untergeht, die ich aber erstens für bezeichnend und zweitens für wichtig halte: Hannie van Leeuwen, hochdekorierte Widerstandskämpferin und Christin und Grande Dame der Christdemokraten hat ihre Parteiämter niedergelegt und jegliche Mitarbeit eingestellt. Als Grund nannte sie nicht nur, wie schon früher, die Zusammenarbeit mit Geert Wilders, sondern auch die mangelhaften Inhalte im Koalitionsvertrag bezüglich Fürsorge und soziale Sicherheit. Nun ja, die zuständigen MinisterInnen sind ja auch vom Neoliberalen Koalitionspartner, der VVD. Was übrigens den niederländischen Medien noch auffiel: nur 3 Angehörige des Kabinetts sind Frauen, bei den Staatssekretären findet sich nicht eine Frau. Tja…
 
Ach ja, ein gewisser Zabiullah Mojahed, offizieller „Wortführer der Taliban für Nord- und Ost-Afghanistan“ (9) hat sich telefonisch gemeldet und die Niederlande bedroht, aber der Sprecher der Taliban von Pakistan war noch eher am Telefon. Was mir auffällt: die Islamische Bewegung Usbekistan hat sich noch nicht zu Wilders geäussert, aber die hat wohl mit der jüngsten paneuropäischen Terrordrohung, über die ich noch berichten werde, ihr Pulver verschossen. Erstmal. Oder der aktuelle Auftrag an die Jungs ist im Spamfilter hängen geblieben. Und Wilders‘ Umfragewerte steigen weiter, was die Fankurve begeistert(10). Ja, und die steigenden Umfragewerte bieten die Überleitung zu Frankreich:


Nationale Schande: Rapperin Diam’s
Quelle: www.diams-lesite.com
 
Frankreich
 
Selbst in die entlegendsten Täler der Ahnungslosen und durch Agenda-Setting Vernebeltsten dürfte durchgedrungen sein, daß die Franzosen und Französinnen sich gegen die Heraufsetzung des Pensionsalters wehren. Wenn hier durch die Medien geht, daß das Pensionsalter von 60 auf 62 Jahre heraufgesetzt wird, so vermittelt das einen falschen Eindruck: 60 Jahre ist der früheste Termin, zu dem man/frau bislang in Rente gehen kann – mit Abzügen. Ohne Abzüge konnte man bislang mit 65 in Rente gehen. Was die Franzosen besonders erbost, ist die Tatsache, daß diese Erhöhung des Rentenalters zu Lasten der Zukunftsperspektiven für die Jungen gilt. Frankreich hat mit 25% neben Spanien(11) eine so hohe Jugendarbeitslosigkeit, daß diese stärker als in Deutschland(12) mit den entsprechenden 15% als eigenständiges soziales Problem wahrgenommen wird. In den Banlieues, den berüchtigten Vororten, in denen überwiegend Migranten leben, beträgt sie um die 50%. Stärker als in Deutschland hängen die Chancen von der „richtigen“ Adresse und dem „richtigen“ Vornamen ab. Jüngst ging der Fall eines Praktikanten namens Mohamed durch die Presse, der von seinem Arbeitgeber, einer Tiefkühlfirma gefeuert wurde, weil er sich weigerte, sich anstatt mit eben diesem Vornamen mit einem „französischeren“(13) zu melden.Dieses Problem wird – wie die daraus resultierenden Folgeschäden wie die Gewalt in den Banlieues – munter ethnisiert. Schon wie 2005 die Pariser Vorstädte das erste Mal brannten, wurde das über den Umweg der „Migrantengewalt“ ethnisiert und islamisiert.


Fadela Amara und Sarkozy, Alice Schwarzer und Merkel
Quelle: paperblog.fr/n-tv.de
 
Staatsfeminismus und nationale Identität
 
Und dann entdeckte man Kopftuch, Burka und die Unterdrückung der Frau, der muslimischen: Zunächst war man sich noch nicht sicher, wie das denn nun war mit dem Kopftuch, und so vereinte eine 2003 in Frankreich aufgelegte Petition, die den damaligen Präsidenten Chirac (14) stärken sollte, 60 prominente Frauen wie die Schauspielerin Isabelle Adjani und die Designerin Sonia Rykiel. Chirac nahm nämlich wahr, was seiner Meinung nach die meisten Franzosen und Französinnen wahrnehmen, daß „vom Kopftuch etwas Aggressives“ ausgehe, allerdings sei es auch das „sichtbare Symbol der Unterdrückung“. Angeblich unterminiert das Kopftuch den französischen Laizismus, was angeblich an der französischen Identität kratzt – dazu komme ich noch mal. Daß Präsident Sarkozy, mittlerweile vom Papst zum Ehrendomherr (15)(16) der Basilika St. Johannes im Lateran ernannt, Kopftuch-Bann bzw. Identitätsdebatte vorantreiben möchte und ebenfalls kratzt (17), nämlich im Verein mit dem Papst am Laizismus wird da eher weniger thematisiert.
 
Dann wurde eine Debatte über das losgetreten, was französische Identität denn sei(18)(19), von Nicolas Sarkozy natürlich, um das rechte Wählerpotential an sich zu binden. Die Debatte, die auf die Formel gebracht wurde: „La Françe – aime-la oú quitte-la“, wird mittlerweile nicht mehr so heiss gegessen, wie zur Wahl 2009 gekocht, kann hier (20), nachgelesen werden.
 
Aktuell Furore machten Konversion, Heirat und Verschleierung der griechisch-zypriotisch-stämmigen Rapperin Melanie Georgiades, Künstlername Diam’s (21). Eines ihrer bekanntesten Stücke ist „La France à Moi“ („Frankreich für mich“), indem sie – stellvertretend für viele junge MigrantInnen – ihr persönlich schwieriges Verhältnis zu Frankreich besingt (22). Auch der Rap scheint eine Angelegenheit der nationalen Identität zu sein: daß Diam’s zum Islam übertrat, löste in Frankreich eine erregte Debatte aus. Die stets auch politisch und sozial engagierte Sängerin war schon vor ihrer Konversion Jugendidol (23) und ist es jetzt noch mehr. Auf ihrer Website sieht man ihr heutiges Outfit, das sich ja garnicht so von früher unterscheidet: der Kurzhaarschnitt ist durch das gleiche Dureg (Hip-Hop-Kopftuch) bedeckt, wie es auch männliche Rapper tragen. Ab und setzt sie noch eine Schirmmütze auf und zieht die Kapuze ihres Hoodie (Kapuzenpullover) drüber – ein Outfit, in dem sich die männlichen Rapper auch gerne zeigen. Rapper „50 Cent“, beispielsweise geht immer mit Kopfbedeckung und Eminem auch. Gegen Diam`s brach sofort ein nationaler Sturm los: Es meldete sich nämlich u.a. wieder Isabelle Adjani zu Wort, Frankreichs weibliche Schauspielikone, und Fadela Amara, Gründerin der Organisation „Ni Putes ni Soumises (24)“ (Weder Huren noch unterdrückt) und Staatssekretärin für Stadtentwicklung: Diam’s sei eine nationale Schande, ziehe die Weiblichkeit allgemein runter und sei für jedes Mädchen, mit und ohne Migrationshintergrund das denkbar schlechteste Vorbild.
 
Bekannter wurde Amara jedoch durch ihr Engagement in dieser Organisation und für sie. Alles fing an mit einem „Marsch der Frauen aus den Vorstädten“: Etwa zwei Dutzend aktive Frauen reisten, wie Bernard Schmid meint, „einer Tour de France“ ähnlich, durch eine Reihe Städte, machten Aktionen und hielten Vorträge. Aus diesem Marsch entstand letztendlich „Ni putes ni soumises“, gängige Abkürzung: NPNS. Gehyped wurde das Projekt nicht nur durch EMMA, doch die gab ihm sofort den nötigen anti-islamischen Drall und titelte: „Aufstand der Musliminnen (25)“, schreibt vom „verlogenen Dialog“ mit den Islam-Isten. Nur hatte die Bewegung in ihren Anfängen den jetzigen Anti-Islam-Spin, den EMMA beschreibt, offensichtlich noch nicht: Bernard Schmid’s Artikel stammt aus dem Jahr 2003 und der bis 2006 gültige Aufruf, der 2002 verfasst wurde und vom 3. Juni 2004 bis zum 26. Januar 2006 im Internet stand – heute nur noch mit der waybackmachine (26)auffindbar – äussert sich recht differenziert, benennt die Konflikte zwar, doch ethnisiert sie nicht. Eine komplette Übersetzung hat Bernard Schmidt in dem unter Fußnote 21 aufgeführten Text integriert. Mittlerweile hat NPNS Gruppen in allen Departements und Großstädten und ist, wie seine KritikerInnen anmerken, zum „Staatsfeminismus“ geworden, äusserst „islamkritisch“ positioniert. Der NPNS-Aufruf stand auch noch komplett und noch nicht durch Anti-Islam-Bias verzerrt. Diam’s, die – natürlich – weiterhin erfolgreich und engagiert ist, wurde – in der BILD des FDP-Wählers, CICERO, als „Zerbrochener Diamant“ vorgestellt: seit Konversion, Heirat und Schleier sei sie – zerbrochen.
 
Das Fischen von Sarkozy am rechten Rand nützt übrigens nicht ihm, sondern dem Front National: wären heute Präsidentschaftswahlen, käme Front National unter Marine Le Pen auf 16-17% (27) (gegenüber Vater Le Pen 2007 mit 12 Prozent). – Mit anderen Worten: Nicoleon bricht der rechte Rand genauso weg, wie das vordem den Christdemokraten passiert ist, die aus seiner Erosion nicht das kleinste Tröpfchen Nektar für sich saugen können.
 
Jetzt dürfte übrigens klar sein, daß das im Juli durch die Nationalversammlung und im September durch den Senat abgestimmte „Burkaverbot“ ein Stück hysterischer Symbolpolitik ist, das an den aktuellen Problemen Frankreichs nichts ändert. Abgesehen davon ist bis heute nicht klar, ob das Gesetz, das erst in sechs Monaten in Kraft treten soll, auch einer juristischen Überprüfung standhält. Der Europarat hat sich dazu schon ganz unmißverständlich geäußert (28) und ein generelles Burkaverbot, das über ein allgemeines Vermummungsverbot aus Sicherheitsgründen hinausgeht, abgelehnt; in der gleichen Resolution wurde übrigens die Schweiz aufgefordert, das Minarettverbot rückgängig zu machen und darüber hinaus sorgfältiger zu prüfen, was das Stimmvolk gerne abstimmen möchte. Genützt hat das bekanntermaßen gar nichts, denn danach hat ja die Abstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe schon die Vorprüfung passiert.
 

Bei den Freunden von der FPÖ: v.l.n.r:
Dewinter, Valkeniers, Mölzer, Strache
Quelle: AFF-verzet
Belgien
 
„Burkaverbot“ hilft mir zur Überleitung nach Belgien. Schon im April schrieb die Märkische Allgemeine, daß ein Burkaverbot zwei wesentliche Funktionen habe: zum ersten: Beruhigung an der Streitfront zwischen Flamen und Wallonen, zweitens: die konsequente Trennung von Kirche und Staat solle zu Ende geführt werden. Zwar war man sich einig, daß man mit einem landesweiten Moscheebauverbot hauptsächlich den Muslimen das Wasser abgraben werde, doch für die belgischen FreidenkerInnen und HumanistInnen, war – besonders nach den unlängst virulenten Kinderschänder-Skandalen in der katholischen Kirche, von denen die Kirche in Belgien wieder mal besonders getroffen wurde (29) – die gleichzeitige Schwächung der katholischen Kirche eine durchaus nicht unwillkommene Nebenwirkung, denn neben den Symbolen des Islam soll auch das Kreuz aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Trifft man eine Religionsgemeinschaft, trifft man sie nämlich alle: seit seiner Gründung gehört es zum belgischen Staatsverständnis, ALLE Religionen und Kulte anzuerkennen, und KEINE besonders zu fördern. So hat das Land, trotz 90% katholischer Bevölkerung auch keine Konkordate mit Rom. Was den Streit zwischen Flamen und Wallonen betrifft: seit der Neuwahl am 13. Juni wurde – wieder mal – keine Regierung zustandgebracht. Die letzte erfolgreiche Abstimmung war am 29. April diejenige zum „Burkaverbot“ – das Parlament stimmte dafür und löste sich dann auf. Das Verbot hätte binnen einer bestimmten Frist noch durch das belgische Oberhaus, den Senat gemusst. Diese Frist ist mit Sicherheit verstrichen. Aber das hat für die Nachricht schon gereicht: „Das! Burkaverbot! Ist! Durch!“ Was, wie die Märkische Allgemeine sehr richtig bemerkte, für die Wahrnehmung einer Vorreiterfunktion schon ausreichte.
 
Die entsprechende Parlamentssitzung zog die Aufmerksamkeit auch der internationalen Medienvertreter auf sich – und von einem am gleichen Tag stattfindenden Ereignis ab: die Beschäftigten der aus Frankreich stammenden Supermarktkette „CARREFOUR“ befanden sich im belgienweiten Ausstand (30). Das französische Unternehmen hatte den belgischen Staat NOKIA-artig verarscht, eine Menge Geld für die Sicherung von Arbeitsplätzen kassiert und sich dann nicht an die Abmachungen gehalten und gedroht, wenn der Staat nicht zusichere, daß man über 1.600 Arbeitsplätze abbauen könne, werde man aus Belgien nach Slowenien weiterziehen. Der Streik sollte der Startschuss (31) für eine landesweite Streikwelle sein – doch daraus wurde nichts, wg. „Burkaverbot“. Das war auf einmal wesentlich spannender als die Sicherung von mehr als tausend Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor (aber trotzdem für Carrefour noch zu teuer). Es hat sich übrigens hauptsächlich um stundenweise Arbeit, meist für alleinstehende/alleinerziehende Frauen gehandelt. Da es nicht gelang, den Streik auf eine breitere Basis zu stellen, sind die Arbeitsplätze jetzt natürlich weg. Somit darf gesagt werden, daß es zwar bei dem Versuch blieb, in Belgien ein „Burkaverbot“ durchzusetzen, daß hingegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen und Lebensgrundlage belgischer Frauen konsequent/er durchgezogen wurde. Französischen und belgischen Rechten ist darüber hinaus gemeinsam, daß sie den Einfluss der Gewerkschaften zurückdrängen wollen und eine eher ständische Vertretung bevorzugen, die von à Priori erst einmal gleichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eines Landes, pardon, eines Volkes ausgeht. Es ist darum nicht weiter verwunderlich, daß es z.B. nicht gelang, die Arbeitsplätze von Opel-Antwerpen zu erhalten. Dafür wird wacker gegen die „schleichende Islamisierung“ gekämpft, und man holt jetzt wieder die Türkei auf die Agenda:
 
Am vergangenen Wochenende wurde, gemeinsam mit der FPÖ, in Wien zum wiederholten Mal der Versuch unternommen, die gemeinsamen rechtsextremen Strukturen (32) zu festigen. Ausserdem wurde vereinbart, daß die in Wien jetzt zusammengekommenen sechs rechtsextremen Parteien, Lega Nord, Dänische Volkspartei, slowakische SNS, Schwedendemokraten, FPÖ und Vlaams Belang zusammen die eine Million Unterschriften sammeln, die für ein Volksbegehren notwendig sind. Man plant ein europaweites Referendum gegen den Beitritt der Türkei. Darüber hinaus möchte die FPÖ gerne nach Deutschland expandieren (33). Das kann nur den verwundern, der dieses Zitat von Andreas Mölzer aus einem Interview (2005 mit der National- und Soldatenzeitung) nicht kennt: „Ich habe seit meinen Jünglingstagen unbeirrbar für die rechte, die Deutschnationale Sache in Österreich gearbeitet“. Die Herren verstehen sich als Deutsche, zumindest geistig.
 
Was hat das alles mit den Christdemokraten zu tun? Wer die Diskurse der vergangenen Wochen verfolgt hat, kennt die Antwort: der Unterschied ist verwischt. Im Grunde genommen ordnen die – nicht nur deutschen – Christdemokraten dem Machterhalt und der Verhinderung von Parteien rechts von ihnen eine Menge unter.
 
Ich hoffe, ich habe hier die strukturellen Ähnlichkeiten und die immergleiche Funktion von „Islamkritik“ beim Abbau von Freiheitsrechten und sozialen Errungenschaften aufgezeigt. Teil 4 ist dem transnationalen Kitt gewidmet: es wird zu sprechen sein über die israelsolidarischen Nazis von der English Defence League, die am kommenden Samstag eine pro-Wilders-Demonstration in Amsterdam planen, über den Besuch von Daniel Pipes in Deutschland, und darüber, wie besonders die deutschen Linken auf den angeblich Euro-skeptischen Bananenschalen der Rechten schlidderten und somit ihren Teil dazu beitrugen, daß diese so fest an den EU-Fleischtöpfen sitzen, über die Renaissance von Großdeutschenland, die angebliche Moschee am Ground Zero – und wie das alles zusammenhängt. Daraus ergibt sich aus meiner Sicht die Strategie, wie man dagegen vorgehen muss. (PK)
 
(1)http://dontyoubelievethehype.com/2010/10/spiel-mit-integrationsdebatten-bingo/
(2)http://allaboutgeertwilders.wordpress.com/2010/10/23/die-fehler-der-wilders-richter/
(3)http://atlasshrugs2000.typepad.com/atlas_shrugs/2010/10/breaking-judges-dismissed-new-trial-ordered-for-geert-wilders-newspaper-de-pers-judge-schalken-of-th.html
(4)http://www.pi-news.net/2010/10/manipulationsversuch-jetzt-spricht-hans-jansen/
(5)http://www.krapuul.nl/blog/16970/heeft-die-zelfbenoemde-aradeskundige-zich-schuldig-gemaakt-aan-verzwijging/ 
(6)http://www.pi-news.net/2010/10/niederlande-wilders-prozess-wird-wiederholt/
(7=http://www.fnp.de/fnp/welt/politik/wildersprozess-ist-geplatzt_rmn01.c.8357968.de.html
(8)http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15617[1]        (9)http://www.volkskrant.nl/vk/nl/2664/Nieuws/article/detail/1033908/2010/10/18/Taliban-waarschuwen-kabinet-Rutte-voor-aanslag.dhtml
(10)http://allaboutgeertwilders.wordpress.com/2010/10/24/pvv-fuhrt-in-der-umfrage/#comments
(11)http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/no-jobs-no-future/
(12)http://www.funkhauseuropa.de/sendungen/funkhaus_europa/2010/serie_jugendarbeitslosigkeit.phtml
(13)http://www.focus.de/finanzen/karriere/arbeitsrecht/diskriminierung-wegen-des-namens-mohamed-gefeuert_aid_559661.html
(14)http://www.guardian.co.uk/world/2003/dec/06/france.jonhenley (15)http://www.welt.de/welt_print/article1729064/Der_Operetten_Praesident_und_die_Religion.html
 (16)http://www.infopartisan.net/trend/trd0108/trd200108.html
 (17)http://hpd.de/node/4330
 (18)http://www.welt.de/politik/ausland/article5081865/Sarkozy-startet-Debatte-um-nationale-Identitaet.html
 (19)http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/euroblick/euroblick-2010-01-17-frankreich-strassburg-ID12636749875.xml
 (20)http://www.debatidentitenationale.fr/
 (21)http://diams-lesite.com/
 (22)http://www.golyr.de/yann-tiersen/songtext-ma-france-a-moi-602363.html
 (23)http://www.badische-zeitung.de/panorama/eine-rapperin-zieht-das-kopftuch-an--22925872.html
 (24)http://www.trend.infopartisan.net/trd1003/t081003.html
 (25)http://www.emma.de/index.php?id=aufstand_der_musliminnen_2003_4
 (26)http://tinyurl.com/y98tjyx
 (27)http://aff.skynetblogs.be/archive/2010/10/23/marine-le-pen-stijgt-in-de-franse-opiniepeilingen-niet-sarko.html
 (28) http://assembly.coe.int/Mainf.asp?link=/Documents/AdoptedText/ta10/ERES1743.htm
 (29)http://politischunpolitisches.blogspot.com/2010/06/freiheit-wie-in-belgien.html
 (30)http://www.nieuwsblad.be/article/detail.aspx?articleid=DMF20100427_124
 (31)http://www.demorgen.be/dm/nl/996/Economie/article/detail/1072622/2010/02/25/Staking-Carrefour-eerste-belangrijke-waarschuwing.dhtml
 (32)http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/604022/index.do?direct=604573&_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/604573/index.do&selChannel=
 (33)http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,724963,00.html


Online-Flyer Nr. 273  vom 27.10.2010



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