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Inland
Friedensgruppen und die VVN-BdA riefen erfolgreich zum Protest auf
Bundeswehr kam „recht spärlich“
Von Ulrich Sander

Noch am 6.11.2009 hieß es in der Westfälischen Rundschau hoffnungsvoll: „Es dürfte eines der größten Reservistentreffen des Landes werden, wenn am 28. September 2010 auf der Landesgartenschau in Hemer der 'Bundeswehrtag' veranstaltet wird. Panzer können besichtigt werden. Marschmusik erklingt.“ - Ja, und Kinder durften das Töten mittels Bundeswehrgerät simulieren. „Eigentlich erleben wir auf diesem Gelände den Zauber der Verwandlung, wie Schwerter zu Pflugscharen werden“, behauptete die Gartenschauleitung.


VVN-BdA-Mitglieder vor dem Veranstaltungsort
Foto: Ulrich Sander
 
„Hier werden keine Pflugscharen geschmiedet, hier wird das Töten propagiert“, stellten die Friedensgruppen und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) fest, die zum Protest aufgerufen hatten. Allein diese Ankündigung half. Nach dem „Tag der Bundeswehr“ meldete die Westfälische Rundschau kleinlaut, es sei nur eine „kleine Präsentation in der früheren Garnison“ geworden. „Recht spärlich“ habe sich die Bundeswehr präsentiert. Die Enttäuschung der Reservisten sei groß gewesen. Offenbar sollten Pressefotos von zuviel Militär vermieden werden. Der Rest war auf dem Foto der Westfälischen Rundschau vom 29. 9. zu sehen, das wir hier nachdrucken dürfen.


Immerhin - ein Panzer als Spielzeug war ja da
Quelle: Der Westen/Westfälische Rundschau
 
Vorher hatten die Reservisten und die Gartenschauleitung behauptet: „Mit dem Bundeswehr-Tag stellen wir uns unserer Geschichte." Für friedliche Menschen war es nie hinnehmbar, dass die Bundeswehr eine Kaserne benutzt, die lange Jahre der Misshandlung und Tötung von Kriegsgefangenen diente. Und so war es auch nicht hinnehmbar, dass die Bundeswehr erneut in Hemer – auf dem nun zur Gartenschau umgewandelten Kriegsgefangenengelände und Bundeswehrareal – erschien. Denn zu dieser Geschichte gehört der Mord an zigtausenden Kriegsgefangenen auf dem Gelände im Zweiten Weltkrieg. 


Foto: Ulrich Sander
 
Jürgen Schuh, einer der Protestierer von der VVN-BdA erklärte: „Wir wollen nicht, dass hier für Militär und Krieg geworben wird. Wir wollen eine friedliche Landesgartenschau. Und wir wollen eine Landesgartenschau des Gedenkens an das Stalag VI A - wie es ja auch in einem Gedenkraum auf dem Gelände zu Ausdruck gebracht wird - aber mit der Anwesenheit der Bundeswehr wieder in Frage gestellt wird.“
 
Es sei auch zu begrüßen. dass hier eine Nikolai Gubarew-Straße eingeweiht werden soll. Nikolai Gubarew war ein Freund der Stadt Hemer und der VVN-BdA. Er hat als Kriegsgefangener in Hemer viel für die Völkerverständigung getan. Er hat sich für die friedliche Befreiung des Lagers eingesetzt. Niemand, so sagte er, darf Friedensappellen gegenüber taub sein. Schuh: „Sein Appell passt nicht zur Anwesenheit der Bundeswehr hier.“
 
Zigtausende kamen in Hemer ums Leben
 
Mit drei Millionen Todesopfern unter den sowjetischen Kriegsgefangenen ist diese Opfergruppe eine der größten gewesen. Zigtausende kamen in Hemer ums Leben. Mindestens 25.000 von ihnen sind auf den Friedhöfen am Stadtrand in Massengräbern begraben. Weitere starben im Arbeitseinsatz als Zwangsarbeiter in der Ruhrwirtschaft; allein im Zeitraum von Juli bis November 1943 starben im Ruhrbergbau 28.000 Gefangene. Und hier sollte nun wieder die Bundeswehr aufmarschieren. Jürgen Schuh : “Wir sind es den Opfern schuldig, uns dagegen zu wehren.“
 
Durchsetzt mit rechtsextremistischen Kadern
 
Verurteilt wurde auch, dass mit den Reservistenverbänden und dem Bundeswehrverband zwei besonders militaristische Großorganisationen für sich werben durften. Diese Verbände sind durchsetzt mit rechtsextremistischen Kadern. Erst kürzlich wurde es von den Verbandsführungen abgelehnt, den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, Hauptmann der Reserve. auszuschließen. Auch andere Nazikader sind dort dabei. Das war schon seit Gründung dieser Vereinigungen so, denn sie haben auch Reservisten aufgenommen, die schon in der Wehrmacht dienten. Viele waren schon im Krieg an schweren Kriegsverbrechen beteiligt. Der Bildungsverein des Bundeswehrverbandes ist nach Karl Theodor Molinari benannt worden, einen Bundeswehr- und Wehrmachtsgeneral, der in Frankreich wegen seiner Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurde.
 
Heute rufen die Neonaziverbände ihre "jungen Kameraden" auf, sich in der Bundeswehr an Waffen ausbilden zu lassen - "für den Kampf für Deutschland". Diese Leute sind dann dabei, wenn die zivilmilitärische Zusammenarbeit die Städte und Gemeinden durchdringt. Tausende Reservisten stehen zum Einsatz im Innern bereit - auch zum Einsatz gegen das eigene Volk. Zum Einsatz gegen Streikende.
 
Längst im Kriegseinsatz
 
Die Bundeswehr, die sich in Hemer feiern lassen wollte, ist längst im Kriegseinsatz. In Afghanistan führt sie Krieg gegen die dortige Bevölkerung. Am 4.9.2009 war Oberst Georg Klein an der Ermordung von 142 Männern, Jugendlichen und Kindern schuld – ohne dass die Bundeswehr oder die deutsche Justiz ihn belangt hätten. Strafbefreiung für Massenmord.
 
Manche von den Hemeranerinnen und Hemaranern haben es nicht verstanden, dass die VVN-BdA nun gegen die Bundeswehr protestierte, obgleich diese doch vorher so viele Jahre hier war. Zitat aus einem Flugblatt: „Aber wir sagen: Es ist nicht mehr dieselbe Bundeswehr, von der immer noch gesagt wird, sie sei dem Grundgesetz und dem Frieden verpflichtet. Die Bundeswehr, die heute hierher zurück kam, sie ist eine Armee des Tötens, eine Armee des staatlichen Terrors. Der Kommandeur der Bundeswehr-Kommandos Spezialkräfte KSK bestätigte: ‚Unsere Soldaten müssen regelmäßig töten. Darum herumzureden, erscheint mir verkehrt.’“ Die VVN-BdA forderte daher: „Bundeswehr raus aus allen Auslandseinsätzen – und runter vom Gelände des Stalag IV A.“ Sie forderte Schritte zum Frieden, statt Manöver für den Krieg. (PK)


Online-Flyer Nr. 270  vom 06.10.2010



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