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Lokales
Aachener Preis für Friedensengagement 2010:
Gegen rassistische Abscheulichkeiten und Umweltzerstörung
Von Hans-Dieter Hey

Frieden ist eine Grundhaltung, die Interessengegensätze auf den verschiedenen Ebenen so austrägt, dass damit dem Ausbruch von gewaltsamen Feindseligkeiten jeglicher Boden entzogen wird“ heißt es in der Urkunde zum Aachener Friedenspreis. Von dieser Grundhaltung scheinen wir uns immer weiter zu entfernen. Umso mehr muss der Aachener Friedenspreis, der in diesem Jahr an Marco Arana (Peru) und den Verein Phoenix ging, Würdigung und Öffentlichkeit erfahren. Doch welche Formen zivilen Engagements sind erforderlich, auch gegen den inneren und äußeren Krieg hierzulande?

Ganz mühsam ist dieser Friedensprozess sicher, meint Heinz Otten, Vorsitzender des Initiative Friedenspreis e.V. Und deshalb mischt man sich seit 1988 ein. Vergangenen Mittwoch, dem 1. September, fand erneut eine Einmischung statt. Der Aachener Friedenspreis wurde zum 23. mal verliehen. Die Preisträger Marco Arana aus Cajamarca in Peru und der Duisburger Austen Peter Brandt berichteten über ihre Arbeit, ihre Kämpfe für unterdrückte, verfolgte und diskriminierte Menschen und gegen den Frevel an der Natur und der Ausbeutung der Erde.



Austen Peter Brandt und Marco Arana freuen sich über die Anerkennung


Marco Arana

Marco Arana war in seiner Heimat für sein Engagement verschiedenen Morddrohungen ausgesetzt. Mit dem Aachener Friedenspreis hofft man, ihm in seiner Heimat ein wenig Schutz zu bieten. Der Soziologe und Theologe Arana hatte im Jahr 2002 die Menschenrechts- und Umweltorganisation Grufides gegründet, die gegen die Vertreibung der Bauern im Landesteil Cajamarca und gegen die Vergiftung ihrer Lebensgrundlagen kämpft. Dort findet Goldwäsche mit Cyanid-Lauge statt, die die Quellflüsse im Hochland hoch vergiftet. In den Medien, von Teilen des Klerus und konservativen Parteien wurde er als Landesverräter und Marxist beschimpft, mit Sanktionen belegt und verfolgt und ausspioniert. All dies konnte ihn nicht davon abhalten, die Bewegung Tierra y Libertad zu gründen. Inzwischen kandidiert Arana sogar für das peruanische Parlament. Von seinem Weg abbringen lassen will er sich auf keinen Fall. Er will weiter dafür kämpfen, „den ausgekochten ökologischen Unsinn zu stoppen und um das allgemeine Bewusstsein zu stärken, dass die Welt nicht so ‚weit‘, so ‚riesig groß‘, so ‚unterschöpflich‘ ist, dass sie vielmehr nur dieser kleine blaue Planet ist, unser kleines und einziges Zuhause, welches wir aber dabei sind, zu zerstören.“


Phoenix e.V.

Der zweite Preis ging an den 1993 gegründeten deutschen Verein Phoenix e.V., vertreten durch den in London geborenen schwarzen Deutschen Austen Peter Brandt. Der Verein, der inzwischen 300 Mitglieder aus 32 Nationen hat, zeigte in der Vergangenheit ein beispielhaftes Engagement bei Anti-Rassismus- und Empowerment-Trainings. Phoenix unterstützt mit Bündnispartnern die Opfer von rassistischer Gewalt mit zahlreichen Trainings- und Beratungsangeboten und beteiligt sich an Aktionen gegen Nazi-Povokationen, gegen Pro NRW- oder NPD-Auftritte. Phoenix tritt ein für ein gleichberechtigtes interkulturelles Zusammenleben und gegen jede Form von Rassismus und Ausgrenzung. Geprägt wurde Brandt durch die eigene Erfahrung, nämlich dass „du mit einer dunklen Hautfarbe von Kind an diskriminiert wirst, offen oder versteckt, dass man dich Mischling nennt.“ Vor allem macht ihn „heute immer noch nachdenklich, dass weder Menschen aus dem christlichen Umfeld, noch aus dem solidar-politischen Umfeld, noch aus dem Spektrum der Parteien, in denen ich mich in meiner Jugend bewegte, überhaupt einen Blick hatten für eine in der BRD bestehende, nicht gelöste, kaum bearbeitete rassistische Grundstruktur“. An dieser Stelle darf angemerkt werden, dass Thilo Sarrazin in seinem unerträglichen Buch mit rassistischen Äußerungen – wie ihm Kritiker vorwerfen – erneut aufgefallen ist und damit die Stammtischmichels im Lande aufheizt.



Pressekonferenz im Aachener Rathaus


Mehr Aufklärung gegen Rassismus und Unterdrückung

Nicht ohne Grund kam Heinz Otten deshalb auch auf den offenen und verdeckten Rassismus in Aachen: „Die vermehrten neonazistischen Abscheulichkeiten auch in unserer Stadt, überzeugen uns davon, dass Bildung und Aufklärung über Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt dringend notwendig sind.“ Karin Kortmann, ehemalige Staatssekretärin, hielt die Laudatio und wies darauf hin, dass es seit den 1990er Jahren in Deutschland wieder verstärkt zu Übergriffen auf Menschen mit Migrationshintergrund gäbe. Deshalb gäbe es seit 1949 das Grundgesetz. „Die Mütter und Väter des Grundgesetzes verankerten die Unverletzlichkeit jedes Menschen bereit 1949 in den ersten Artikel unserer Verfassung. ‚Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Artikel 3: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, zitiert sie kundig.

 




Dumm nur, dass gerade ihre Partei SPD mit diesen Grundsätzen – sagen wir mal – ein wenig aufgeräumt hatte. Agenda 2010, Hartz IV und widerrechtliche Kriegseinsätze seit 1999 haben die Gesellschaft gespalten und legen ein bitteres Zeugnis für innere und äußere Gewalt ab. Ähnliches ist auch zu Claudia Roth anzumerken. Sie ist Vorstandsmitglied des Aachener Friedenspreises, aber auch Vorstandsmitglied der ehemaligen Friedenspartei „Die Grünen“, die ebenfalls für Agenda 2010, Hartz IV und für mehr Kriegseinsätze gestimmte hatte.



Empfang im Aachener Rathaus - links OB Marcel Philipp



Ganz rechts: Heinz Otten, daneben Veronika Thomas-Ohst

Es wäre deshalb ein Vorschlag, wenn sich der Aachener Friedenspreis im nächsten Jahr mit dem Widerstand gegen zunehmenden staatlichen Gewalt gegen seine Bürgerinnen und Bürger und gegen die politisch forcierte Kriegstreiberei hierzulande – vor allem mit Unterstützung der Medien – beschäftigt. Denn eigentlich sollte man längst – um mit Stephan Lippels vom Antikriegstag München 2010 zu sprechen – „den Kriegsvorbereitern die Hände zerschlagen.“ Und zwar den inneren und äußeren Kriegstreibern. Unser Fotograf Herbert Sauerwein war bei der Preisverleihung dabei und hat fotografische Eindrücke mitgebracht. (HDH)



Führung durch den Aachener Dom



Protestveranstaltung gegen Rassismus am Eusenbrunnen






Demonstration durch Aachen zur Aula Carolina



Preisverleihung in der Aula Carolina






Alle Fotos: Herbert Sauerwein

Anmerkung zum Artikel:

Frau Claudia Roth war nicht - wie im Artikel angegeben - im Vorstand des Aachener Friedenspreises. Es sollte lediglich Bezug genommen werden auf die verhängnisvolle Kriegsallianz zwischen SPD und Bündnisgrünen seit 1999. Im Interview mit dem AFP hatte Frau Roth erklärt: "Bündnis  90/  Die  Grünen setzen sich dafür ein, die zivile Krisenprävention sowohl bei der operativen Krisenprävention zur Deeskalation von Konflikten als auch bei dem längerfristigen Abbau  von  Konflikt- und Gewaltursachen zu stärken”. Dieser Pfad war offensichtlich bei den völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen unter rot-grüner Beteiligung nicht angedacht. Die Redaktion






Online-Flyer Nr. 266  vom 08.09.2010



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