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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Wie sich die Hausfrau das Sparen vorstellt
Sparen wie die Sparkassen?
Von Werner Rügemer

Sparen ist etwas Gutes. Sparen ist das, was in Deutschland vor allem und vorbildlich die legendäre schwäbische Hausfrau macht: Sie hält das Haushaltsgeld zusammen, sie vergleicht die Preise und kauft, was am günstigsten ist, sie gibt möglichst wenig aus, legt möglichst viel Geld zurück, auf einem Sparbuch, damit die Familie etwas hat in der Not. Ob es diese schwäbische Hausfrau je gegeben hat und weiterhin gibt, ist noch nicht geklärt. Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel von der christlichen Banken- und Konzernpartei jedenfalls lobt die schwäbische Hausfrau immer dann, wenn die Bundesregierung etwas tut, was sie „sparen“ nennt.

Das gute und richtige Sparen nach der schwäbischen Methode ist, wenn wir in etwas größere Dimensionen gehen, aufs engste mit den Institutionen verbunden, die das Sparen im Namen tragen: den Sparkassen. Die entstanden seit Ende des 18. Jahrhunderts als kommunale Einrichtungen. Die Bürger brachten ihr überschüssiges Geld aufs Konto, die Sparkasse vergab Kredite an die Stadt, an die örtlichen Gewerbetreibenden und an die Bürger. Die lokale Wirtschaft wurde gefördert, und die Bürger bekamen einen bescheidenen Zins auf ihr Sparbuch. Die Welt war in Ordnung oder soll es gewesen sein, jedenfalls bevor die Freundin der Deutschen Bank mit ihrer Art des Sparens anfing.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de

 
In Wirklichkeit ist es etwas anders. Die Sparkassen blieben zwar ihren Städten und Landkreisen verpflichtet, Ratspolitiker sitzen in den Verwaltungsräten, und es ist den Sparkassen immer noch nicht erlaubt, Profite zu machen. Aber die Sparkassen wurden Miteigentümer der Landesbanken. Das war in der Zeit, als die spätere Bundeskanzlerin noch begeistert das blaue Hemd der Freien Deutschen Jugend in der DDR überzog. Die Landesbanken, also zum Beispiel die Westdeutsche Landesbank, die Bayerische Landesbank und die Landesbank Baden-Württemberg, machten bald dasselbe wie die großen Privatbanken, namentlich die Lieblingsbank aller bundesdeutschen Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen: Sie gründeten Filialen zunächst in den wichtigsten europäischen Finanzoasen, in Luxemburg, Zürich und London, später auch in New York und Singapur. Sie verspekulierten sich mit Immobilien und amerikanischen Ramschanleihen. Und weil sie mitgespielt haben, müssen die Sparkassen nun einen Teil der Landesbankschulden übernehmen.
 
Doch die Sparkassen haben noch auf andere Weise den Sparern geschadet: Sie verkauften den Bürgern die sogenannten Lehman-Zertifikate. Dabei wiegten sie die meist älteren Mitbürger in trügerische Sicherheit: Der Begriff „Zertifikat“ klang nach etwas Sicherem, und die Sparkassenberater informierten die unerfahrenen Anleger nicht darüber, daß die Zertifikate der US-Investmentbank Lehman Brothers in den USA an individuelle Anleger gar nicht verkauft werden durften, wegen ihres spekulativen Charakters. Jetzt stöhnen Zehntausende Anleger unter ihren Verlusten, haben ihre Rente verspielt. Mithilfe von Massenklagen kämpfen sie vor den Gerichten gegen die Sparkassen um Schadenersatz. Soweit ist es also gekommen: Die Bürger verklagen „ihre“ Sparkassen, aus Freund wurde Feind.
 
Die Sparkassen fügen auch den Städten, denen sie ihre Existenz verdanken, großen Schaden zu. Nehmen wir zum Beispiel die Sparkasse Köln. Sie wollte wie die großen Banken das ganz große Geld mit ganz großen Immobilienprojekten machen – unter anderem dem Medienzentrum Coloneum und den neuen Kölner Messehallen. Zu diesem Zweck vergab die Sparkasse Kredite an Millionäre und Milliardäre, die sich an den Immobilienfonds beteiligten. Natürlich war die Sparkasse daran interessiert, daß die Stadt für die Messehallen möglichst hohe Mieten zahlt. Um das Projekt investorenfreundlich durchzuziehen, vergab der Sparkassenvorstand an zwei CDU-Politiker hochdotierte Beraterverträge. Einer der beiden, der Bundestagsabgeordnete Rolf Bietmann, genehmigte als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Stadtsparkasse zum Ausgleich dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Gustav Adolf Schröder von der SPD, eine Nebentätigkeit, damit der Investor auch von dieser Seite aus gut beraten wurde. Und so sind nun die Mieten und sonstige, verdeckte Kosten für die Hallen tatsächlich weit überhöht. Ein vom Kölner Klüngel unabhängiger Immobilienexperte hat ausgerechnet, daß die Stadt mindestens 300 Millionen Euro gespart hätte, wenn sie die Hallen nicht mit Hilfe der Sparkasse und des Investors hätte bauen lassen. Die Sparkasse hat also nicht geholfen, damit die Stadt etwas spart, sondern damit sie viel mehr Geld ausgibt, als sie hat und als die Messehallen wert sind. Weil die Sparkasse unter anderem wegen ihrer Mietgarantien für Immobilieninvestoren 2007 viel Geld verloren hat, hat die selbst schon hoffnungslos überschuldete Stadt Köln ihr 200 Millionen Euro stille Einlage zugeschossen. Sparen konnten nur diejenigen, die ohnehin schon zu viel haben, die Investoren, beispielsweise die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und der ehemalige Karstadt-Chef Thomas Middelhoff, die mit den Verlustzuweisungen aus ihrer Messehallen-Beteiligung Steuern sparen, also die öffentlichen Kassen noch ärmer machen, als sie schon sind. Soweit ist es also gekommen: Mithilfe der Sparkassen sparen Millionäre und Milliardäre Steuern, machen Staat und Städte arm.
 
Das ist den Freunden der Bundeskanzlerin aber immer noch nicht genug. Die Deutsche Bank und auch die Europäische Union betrachten die Sparkassen als Fremdkörper in der Marktwirtschaft und wollen sie endgültig in die Hände privater Eigentümer geben. Wenn die Bundesregierungen, die Landesregierungen und die Oberbürgermeister in den Städten heute sagen, daß wir alle „sparen“ müssen, dann ist höchste Vorsicht geboten. Dann soll uns das, was wir noch im guten Sinne gespart haben, aus der Tasche gezogen werden. „Sparen“ heißt eben bei den sogenannten Verantwortlichen heute nicht sparen und die Wirtschaft fördern und zurücklegen für die Not, sondern die Reichen noch reicher machen und die Armen noch ärmer.
 
Schwäbische Hausfrau, erlöse uns vom falschen Sparen! Und wenn es diese legendäre Person gar nicht gibt und vielleicht nie gegeben hat? Dann müssen wir die finanzielle Vorsorge selber in Ordnung bringen. Schrecklich, was wir alles selbst tun müssen! (HDH)
 
Aus: Ossietzky Ossietzky 15/2010
 


Online-Flyer Nr. 264  vom 25.08.2010



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