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Medien
NRhZ gewinnt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Promi-Anwalt
Erfolg für die Pressefreiheit
Von Eberhard Reinecke

Am 7. April erhielt die NRhZ die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.02.2010, mit der dieses einer Beschwerde gegen eine Verurteilung durch das Landgericht und das Kammergericht Berlin stattgegeben hat.(1) Hintergrund war ein – gerade in Zeiten des Internet – alltäglicher Vorgang.(2) Die NRhZ hatte im Büro des Promianwalts Dr. Christian Schertz angefragt, ob wir für einen Artikel über einen Prozess beim Landgericht Berlin Fotos von seiner Homepage benutzen dürften. Als Dr Schertz uns die Veröffentlichung eines Fotos untersagte, veröffentlichten wir in dem angekündigten Artikel eine Karikatur. Die schroffe Ablehnung von Dr. Schertz zitierten wir unter der Karikatur. Das Landgericht Berlin hatte uns daraufhin zur Unterlassung des Zitates aus der e-mail verurteilt; obwohl es der Auffassung war, dass wir über den Sachverhalt selbst hätten berichten dürften, nicht aber mit einem Zitat. Dem hatte sich das Kammergericht angeschlossen.
 
Für den Laien schwer verständlich sind die juristischen Konstruktionen, die dahinter stehen, wobei das Bundesverfassungsgericht sich hier allerdings deutlich bodenständiger erweist als die Gerichte in Berlin. Uns war nie verständlich, wie man in einem wörtlichen Zitat aus einer E-Mail eine „Verletzung des Persönlichkeitsrechtes“ sehen könne. Jedem Normalbürger fiele dazu natürlich als erstes ein, welche Missachtung gegenüber tausenden von Menschen auf Behörden, beim Arbeitsamt oder in Arbeitsverhältnissen dies bedeutet. Gegenüber diesen täglichen Demütigungen scheint die juristische Auseinandersetzung um die Wahrung des Persönlichkeitsrechtes eher ein Luxusproblem derjenigen zu sein, die sich ansonsten gerne das Maul darüber zerreissen, dass in Deutschland zu viel auf hohem Niveau gejammert wird.

Schlag gegen ein aufgeblasenes Persönlichkeitsrecht

Das rechtliche Einfallstor für solche Betrachtungen sind grundsätzliche Ausführungen, die das Bundesverfassungsgericht früher in anderen Fällen in anderen Zusammenhängen gemacht hat. Besonders beliebt ist hier die Lebach-Entscheidung: 1969 hatte zwei Personen ein Kaserne in Lebach überfallen und dabei vier Soldaten getötet. Die Täter wurden zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine dritte Person wurde wegen Beihilfe zu einer sechs Jahren verurteil. Als 1973 das ZDF einen Dokumentarfilm über das Verbrechen zeigen wollte, wurde die Ausstrahlung durch das BverfG gestoppt, da die Resozialisierung Vorrang habe, „wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt wird.“ Das hat nun sicherlich nichts mit dem Zitat aus einer e-mail zu tun. Allerdings gibt es in dem Urteil auch allgemeine Sätze wie: „Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen.“ Die Aussage wurde in den letzten Jahren zum Grundpfeiler vieler Verbote, so auch in unserem Fall. Ähnlich ge(miss)braucht wird auch gerne das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“, wonach jeder selbst zu entscheiden habe, wie weit er in der Öffentlichkeit dargestellt werden will.


NRhZ-Anwalt Eberhard Reinecke  
NRhZ-Archiv
So zutreffend diese Grundsätze für Berichte aus dem persönlichen und erst recht dem Intimbereich sind, so wenig passen sie, wenn es um kritische Auseinandersetzung mit öffentlichen Leistungen von Politikern oder anderen Berufsgruppen – z. B. Rechtsanwälten – geht. Deren Tätigkeit vollzieht sich regelmäßig in der Öffentlichkeit und soweit sie sich dort vollzieht, unterliegt sie auch der öffentlichen Kritik. Wie selbstverständlich hatten die Gerichte in den letzten Jahren unterstellt, dass ohnehin schon jede Veröffentlichung über einen Dritten dessen Persönlichkeitsrecht berührt. Es ist dem Bundesverfassungsgericht zu danken, dass es hier schon grundsätzliche Zweifel anmeldet, ob überhaupt durch ein Zitat aus einem Schreiben das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Interessanterweise setzt sich das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang nicht mit der von den Gerichten so gerne zitierten Lebach-Entscheidung auseinander, sondern verweist darauf, dass das Persönlichkeitsrecht bzw. Recht auf informationelle Selbstbestimmung „nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist. Damit wird auf einer sehr viel früheren Ebene in die bisherige Rechtsprechung der Gerichte eingegriffen, da in den letzten Jahren kaum noch problematisiert wurde, ob durch die Berichterstattung überhaupt das Persönlichkeitsrechtes überhaupt beeinträchtigt wurde.

Was der Berichterstattung wert ist, entscheidet die Presse


Die zweite grundsätzliche Korrektur des Bundesverfassungsgerichtes bezieht sich dann auf Fälle, in denen überhaupt von einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes auszugehen wäre. Hier nahmen die Gerichte häufig eine Abwägung unter der Fragestellung vor, ob es ein „überwiegendes Berichterstattungsunteresse“ gäbe. Dieses Berichterstattungsinteresse müsse schwerer wiegen als das Persönlichkeitsrecht. Natürlich waren dann die Gerichte diejenigen, die darüber zu entscheiden hatten, ob das so ist oder nicht so ist. In unserem Fall war es etwa so, dass das Gericht der Meinung war, man hätte durchaus den Inhalt der E-Mail in indirekter Rede wiedergeben können, nicht aber zitieren dürfen. Damit wird natürlich tief in die journalistische Arbeit eingegriffen, im Nachhinein überlegt sich ein Gericht, ob man evtl. denselben Inhalt auch anders hätte verpacken können und ob die falsche Verpackung nicht zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes führt etc.

Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass selbst ohne öffentliches Berichterstattungsinteresse die Meinungsfreiheit „der Entfaltung der Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen“ dient. Im Ergebnis dürfte dies in Zukunft bedeuten, dass insbesondere bei wahrer Berichterstattung aus der sogenannten Sozialsphäre nicht ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse bestehen muss, sondern umgekehrt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes – wenn sie denn überhaupt vorliegt – so gravierend sein muss, dass sie deutlich die Meinungsfreiheit und das Berichterstattungsinteresse übersteigt.

Was man schreiben, was man zitieren darf

Gerade an dieser Stelle muss ich natürlich betonen, dass die folgenden Ratschläge??? ohne jede Gewährleistung erfolgen. Zunächst einmal wird man generell sagen können, dass die Differenzierung zwischen einer Veröffentlichung in indirekter Rede und einem Zitat unerheblich geworden ist. Wenn der Sachverhalt in indirekter Rede berichtet werden darf, darf er grundsätzlich auch in Form des Zitates berichtet werden. Das Zitat kann allerdings „sicherer“ sein, weil eine falsche oder missverständliche Wiedergabe des Zitates sogar zu Unterlassungsansprüchen führen kann. Natürlich dürfen bei einem Zitat auch keine sinnentstellenden Auslassungen gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat auch darauf hingewiesen, dass es durchaus von Bedeutung sein kann, eigene Schreiben, die einem Zitat vorausgingen, hinreichend darzustellen. Natürlich kann das Zitat selbst – erst recht ein faksimiliertes Schreiben – zusätzliche Rechte verletzen, z.B. wenn wegen Rechtschreibfehlern jemand der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Besser also nur entscheidende Sätze zitieren, als zu faksimilieren. Nur in seltenen Fällen wird man hingegen mit dem Urheberrecht in Konflikt geraten. Auch wenn es viele Anwälte nicht gerne hören, es gibt nur wenige Anwaltsschriftsätze oder gar Schreiben, die eine solche Schöpfungshöhe erreichen, dass sie als wissenschaftliches Werk geschützt sind.

Nicht behandelt hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob Antworten, die ein Journalist auf Anfragen erhält, auf jeden Fall veröffentlicht werden dürfen oder ob es dazu einer gesonderten „Freigabe“ bedarf. Diese Frage ist bisher auch vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Wer als Journalist auf der sicheren Seite sein will, wird also immer bei einer Anfrage hinzusetzen, dass die Antwort für eine Veröffentlichung benötigt wird. Wer antwortet, kann erklären, dass die Antwort nicht veröffentlicht werden darf, ein solcher „Sperrvermerk“ kann ein Indiz sein, aber sicherlich nicht auf jeden Fall ein Verbot der Veröffentlichung rechtfertigen. Ob trotz eines solchen „Sperrvermerkes“ veröffentlicht werden darf, hängt natürlich im Wesentlichen von der Frage ab, welchen Inhalt und welche Bedeutung die Antwort hat.

Sehr viel wichtiger als die Form der Veröffentlichung (indirekte Rede oder Zitat) ist sicher der Inhalt. Veröffentlichungen aus dem persönlichen oder intimen Bereich sind unabhängig vom Wahrheitsgehalt regelmässig rechtswidrig. Es ist und bleibt auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes absolut tabu, z.B. die Verletzungen einer gescheiterten Beziehung im Internet auszutragen, oder gar noch die Sorgerechtsstreitigkeiten wegen gemeinsamer Kinder. Auch typische zivilrechtliche Auseinandersetzungen, wie etwa einfach gelagerte Mietprozesse, Zahlungsklagen etc. dürften kaum ins Internet gehören, soweit die Prozessparteien namentlich genannt oder zu identifizieren sind.

Bewertungen von beruflichen Leistungen sind hingegen regelmässig auch unter Namensnennung zulässig. Grundlegend war hier bereits die „Spickmich“ Entscheidung des BGH http://juris.bundesgerichtshof.de/

Es gibt deshalb natürlich auch kein generelles Verbot, aus Anwaltsschriftsätzen oder Abmahnungen zu zitieren. Was zulässig ist, entscheidet sich nach dem Inhalt des Schriftsatzes. Ein Anwaltschriftsatz in einer Sorgerechtsangelegenheit wird nicht deswegen im Internet zitierfähig, weil man am Inhalt nachweisen will, was für ein schlechter Vertreter seiner Zunft der Anwalt ist. Andererseits: Kritisiert man öffentlich Vorgänge, so kann natürlich die Tatsache, dass der Kritisierte dagegen mit juristischen Mitteln vorgehen will, selbst eine berichtenswerte Nachricht sein. Vielleicht erhöht es das Niveau anwaltlicher Schriftsätze, wenn ein Anwalt guten Gewissens eine Veröffentlichung seines Schreibens nicht fürchten müsste. Überhaupt gilt: Mehr Gelassenheit wäre sicher eine wichtige Massnahme gegen die Überlastung der Justiz. (PK)


(1) siehe dazu auch bereits die Eilmeldung vom 7.4.2010 nebst Link auf die Presseerklärung des BVG.
(2) Hintergrund war ein – gerade in Zeiten des Internets – alltäglicher Vorgang. Die NRhZ hatte aus einer E-Mail des Promi-Anwaltes Dr. Schertz (siehe dazu unsere Berichterstattung vom 24.03.2010) wörtlich zitiert.

Eberhard Reinecke ist der Kölner Rechtsanwalt der www.NRhZ.de,
siehe www.rechtsanwael.de


Online-Flyer Nr. 245  vom 14.04.2010



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