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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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„Nach dem Spiel ohne Ball“ – Interview mit Torfrau Lisa Weiß
„Der Ball ist für mich kein Gegner“
Von Johann Blaha und Bernd J.R. Henke

Lisa Weiß begann ihre Karriere beim SV Lohausen. Im Jahre 2006 wechselte sie zum Bundesligisten FCR 2001 Duisburg, wo sie jedoch nicht zum Einsatz kam. Nach nur einem Jahr wechselte sie zur SG Essen-Schönebeck. Am 7. Oktober 2007 gab sie ihr Bundesligadebüt im Spiel gegen den 1. FFC Turbine Potsdam. Am 22. Mai 2008 debütierte sie in der U-23-Nationalmannschaft. Kurze Zeit später wurde Weiß von Bundestrainerin Silvia Neid in den Kader für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2008 aufgenommen. 2009 wurde sie für die Europameisterschaft berufen und wurde dort Europameisterin. Die Fragen stellte Johann Blaha.


Lisa Weiß: "Der Ball ist nicht mein Gegner."
Fotodesign Hamann/DFB
Johann Blaha: Als gebürtige Rheinländerin, sprich Düsseldorferin, gelten sie in Fachkreisen als die kommende durchsetzungsfähigste Torfrau der deutschen Frauenfußball Nationalmannschaft. Sie studieren Sportwissenschaften und Germanistik. Seit der Nominierung in den EM Kader und der gewonnenen Europameisterschaft 2009 stehen Sie sicherlich mehr unter Zwängen, haben sie noch Zeit für ihre Hobbys und Ihre Freundinnen und Freunde?

Lisa Weiß: Sicherlich bin ich ein wenig eingespannter in manchen Wochen, wenn Lehrgänge sind oder Leistungstest, oder Länderspiele. Aber dadurch dass ich studiere und nicht jeden Tag 8 bis 9 Stunden arbeiten muss, bleibt da auch noch Zeit, sich mit Freunden zu treffen oder meinen Hobbys nachzugehen, was leckeres essen zu gehen oder für einen Kinobesuch oder eine Runde Bowling mit meiner Mitbewohnerin.

Haben sie Geschwister? Wenn ja, was haben die mit Fußball zu tun?

Ich habe eine ältere Schwester, Sara. Sie hat mit mir zusammen mit dem Fußball begonnen, aber leider hat sie irgendwann mit 11 oder 12 Jahren aufgehört, weil sie keinen Spaß mehr daran hatte. Aber jetzt kommt sie relativ regelmäßig zu meinen Spielen.


Lisa Weiß privat
Foto: LWP

Welchen Anteil hat ihre Familie an ihrer Karriere oder hat ein Mitglied davon selbst einmal im Verein Fußball gespielt?

Mein Vater war früher sehr sportlich und hat mich für viele Sportarten begeistert, unter anderem auch Tennis. Aber Fußball im Verein hat außer meiner Schwester und mir keiner aus meiner Familie gespielt. Zum Fußball bin ich dann durch meine Freunde im Kindergarten gekommen.

Sie kamen 2006 vom SV Lohausen zum Bundesligaspitzenclub FCR 01 Duisburg und wechselten 2007 zur SGS Essen-Schönebeck! Was war der Grund zum Wechsel von Duisburg nach Essen?

In Duisburg kam ich leider nicht so zum Einsatz, wie ich es mir zu Beginn erhofft hatte, deswegen bin ich im Jahr 2007 nach Essen gewechselt. Mir war zwar bewusst, dass Essen zu dem Zeitpunkt eine gute Torhüterin mit Steffi Löhr hatte, aber ich liebe Herausforderungen.

Der SV Lohausen ist bekannt für eine exzellente Nachwuchsarbeit. Sind von ihren ehemaligen Mannschaftskolleginnen weitere Talente in höhere Ligen gekommen?

Ja, Francesca Weber und Stephanie Mpalaskas haben in Lohausen in der Jugend gespielt und waren bis letztes Jahr meine Teamkolleginnen in Essen. Seit dieser Saison sind sie aber leider in der 2. Bundesliga in Leverkusen tätig.

Fußball ist eine seltsame Mischung zwischen gefühltem Sieg und gefühlter Niederlage. Das Remis 1:1 des SGS gegen den FCR vor einigen Tagen bewertete Trainerin Martina Voss-Tecklenburg als Niederlage und ihr Trainer Ralf Agolli als Sieg. Haben Sie in Ihrer Laufbahn schon ein ähnliches Spiel erlebt?
 
Ja, es gab eine ähnliche Situation in meinem allerersten Bundesligaspiel gegen Turbine Potsdam zuhause am "Hallo". Damals lagen wir bis zur 89. Minute 1:0 in Führung und bekamen dann einen sehr fragwürdigen Elfmeter gegen uns, den die Potsdamerinnen dann verwandelten. Trotz des Punktgewinns gegen die Turbinen kamen wir uns wie Verlierer vor. Aber solche Spiele gibt es halt im Fußball (lächelt)..

Die Torfrau von Duisburg, Ursula Holl, erlitt ein Missgeschick beim 1:0 für Essen, erzählen Sie uns, ob Ihnen so etwas auch schon passiert ist?

Ach ja, als Torfrau hat man nun mal das Pech, dass ein kleiner Fehler sofort bestraft wird. Deswegen ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches und ist mir auch schon mal passiert. Nur solche "Erlebnisse" versucht man ganz schnell zu vergessen.

Das Verletzungspech von Nadine Angerer im Länderspiel gegen Nordkorea war ihr Glück. Hatten sie überhaupt damit gerechnet an diesem Tag zum Einsatz zu kommen?


Lisa Weiß im ersten Einsatz im Nationalteam gegen Nordkorea
Fotoagentur Jan Kuppert, Potsdam
 
Mit einem Einsatz habe ich überhaupt nicht gerechnet. Es war klar, dass ich auf der Bank sitze und nur im Notfall einspringe. Dass das dann doch schneller ging als erwartet, habe ich nicht gedacht. Schade aber, dass sich "Natze" für meinen ersten Länderspieleinsatz verletzen musste.

Ist ihnen bewusst, dass sie in Bundesligaspielen mehr Bälle abzuwehren haben als zum Beispiel ihre Kolleginnen Angerer, Holl oder Schumann und dadurch besser trainiert sind?

Ich würde nicht sagen, dass ich dadurch besser trainiert bin, als meine Kolleginnen, nur weil ich mehr Bälle abzuwehren habe. Sicherlich ist es hilfreich, sich in vielen Situationen auszeichnen zu können, aber ich denke, dazu haben meine Kolleginnen auch genügend Gelegenheit. :-)

Gibt es Unterschiede im Torfrau-Training der Nationalmannschaft und dem Training im Verein?


Geht der Ball daneben? Schuß von Inka Grings, Lisa Weiß am Boden
Foto: Büchting, Köln

Ja, alleine die Trainingshäufigkeit und -intensität ist bei der Nationalmannschaft höher. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass wir bei einem Lehrgang den ganzen Tag zusammen sind und dadurch bessere Möglichkeiten haben zu trainieren.  

In den beiden Heimspielen gegen den SC Freiburg und den FC Bayern München am 11. und 12. Spieltag im Dezember standen sie nicht im Tor, können sie die Gründe dafür sagen?
 
Nein. (Anmerkung der Redaktion: ein Nein ist auch eine klare Aussage.)

Die berühmte Frage lautet: Nachdem sie sicherlich im Fußball erst als Feldspielerin begonnen haben, wie kamen sie auf die Torfrau-Position?
 
Also erst mal habe ich nicht, wie üblich, im Feld begonnen, sondern direkt im Tor. Den Job als Torwart wollte einfach keiner machen in der Jungenmannschaft. Und weil ich das einzige Mädchen war, wurde ich ins Tor gestellt und bin da auch fast durchgehend geblieben. Zwischendurch bin ich aber auch 1 bis 2 Jahre auf Torejagd gegangen, weil es mir im Tor irgendwann zu langweilig geworden ist.

Was hat sich in ihrem Leben verändert von dem Zeitpunkt an als sie ein offizielles DFB-Trikot tragen konnten?

Ich musste mir einen größeren Kleiderschrank besorgen, um die ganzen Jahres-Ausstattungen von Adidas unterzubringen. ;-)

Sie sind in Düsseldorf geboren, der Stadt von Fashion, Style und Modemessen. Die Modemarke Cinque aus Mönchengladbach ist der offizielle Modeausstatter der DFB-Frauennationalmannschaft. Waren sie schon oft zum Einkleiden bei Cinque?

Bisher nicht. Wir wurden für die Europameisterschaft beim Lehrgang in Köln komplett ausgestattet, und ab und zu gibt es ein paar neue Sachen, die wir dann zu den Lehrgängen bekommen.

Gehen sie mit ihrer Mutter öfter zum Shopping?

Eigentlich gehe ich lieber alleine shoppen, weil meine Mutter meist durch die Läden rast und ich eher ein bisschen mehr Geduld mitbringe zum shoppen. Aber ab und zu nehme ich sie doch mal mit. ;-)

Nachdem Simone Laudehr und Fatmire Bajramaj des öfteren bekannt haben, dass sie sich eine spätere Karriere in die Mode- und Kosmetikindustrie vorstellen können, wie sieht es bei Ihnen aus?

In der Modeindustrie könnte ich mir durchaus vorstellen, tätig zu werden, allerdings sollte ich dafür das Fach an der Uni wechseln, denn momentan studiere ich Sport und Germanistik.

Uns fiel auf, dass in der Frauenbundesliga die Vereinstrikots doch hauptsächlich sehr männlich ausfallen! Was ist Ihre Meinung oder haben Sie sogar Vorschläge hierzu?

Wir in Essen haben das Glück, Trikots zu tragen, die eher weiblich geschnitten sind. Nike hat zum Glück dafür eine eigene Frauenkollektion. Also was uns betrifft, kann ich mich nicht beschweren.

Von Nadine Angerer ist bekannt, dass sie eine umfangreiche Mützensammlung besitzt und Pressekonferenzen meist mit Kopfbekleidung beiwohnt, welches frauliche Modeaccessoire ist ihnen wichtig?

Es scheint an der Position zu liegen, dass man als Torhüter auf Mützen steht. Ich trage auch sehr gerne Mützen oder Cappis. Eine andere Schwäche habe ich für Schals. Davon kann ich einfach nicht genug haben.


Lisa liebt Schals nicht nur im Tornetz
Foto: Florian Büchting, Köln

Torfrau-Karrieren in der Nationalelf  können bitter beginnen. Man hat es ja schon damals bei Silke Rottenberg gesehen. Vor ihrer Verletzung hatte Nadine Angerer nie die Möglichkeit zu spielen. Sie hat ihre Chance genutzt. Ist das nicht ein bisschen Schicksal von der falschen Seite?

Einer Ersatztorhüterin bleiben eben nicht viele Möglichkeiten, außer wenn sich die andere verletzt, oder irgendwann ihre Karriere beendet. Natürlich ist das keine schöne Sache, wenn sich die eine Torhüterin dafür verletzten muss, damit die andere spielt. Aber so ist das leider als Torhüterin.

Am 7. Oktober 2007 im Spiel gegen den 1.FFC Turbine Potsdam gaben sie ihr Bundesligadebüt, welche Erinnerungen haben sie noch an diesem denkwürdigen Tag?

Eigentlich nur gute. Es war eins der ersten Spiele nach der Weltmeisterschaft. Das Stadion war sehr gut gefüllt, mit ca. 2000 Zuschauern, das Wetter war spitze, ich war fast gar nicht aufgeregt und unsere Mannschaftsleistung war auch sehr ordentlich. Nur wie oben schon angesprochen, bekamen wir in den letzten Spielminuten einen Elfmeter gegen uns und unsere 1:0 Führung war dahin. Aber alles in allem war es ein guter Einstand in die Bundesliga, auch wenn ich mein erstes Spiel gern gewonnen hätte.

"Twittern" Sie auch schon?

Nein, aber ab und zu schaue ich bei unserer Twitter-Seite vom DFB vorbei.

Sie waren nicht im DFB-Kader des Algarve Cup, denn Torfrau Ursula Holl war wieder fit. Bundestrainerin Sylvia Neid setzte auf die wieder genesene Nummer 1 im Tor, Nadine Angerer. Das Endspiel gegen Angstgegner USA verlor die Nationalelf unglücklich. Leider wurde dieses hochklassige Spiel in keinem öffentlich-rechtlichen Kanal und auch nicht im TV- Sender Eurosport live übertragen. Wie und wann erfuhren sie das Endergebnis?

Unmittelbar nach dem Spiel über das Internet.  Einen Tag später habe ich dann das Endspiel des Algarve Cup im Internet Fernsehen gesehen von DFB-TV. (PK)


Kampfszene mit Garefrekes (FFC Frankfurt)
Foto: Büchting, Köln


Musterparade gegen Inka Grings
Foto: Büchting, Köln


Spiel im Auge
Foto: Büchting, Köln


Lisa Weiß bremst Pohlers (FFC Frankfurt)
Foto: Büchting, Köln

Online-Flyer Nr. 240  vom 10.03.2010



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