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Krieg und Frieden
Rüstungskonzerne wie Rheinmetall und MAN verzeichnen Milliardenprofite
Panzergeschäfte
Von Hans Georg

Die Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall nutzt die weltweite Zunahme von Kriegen zu ehrgeizigen Expansionsplänen. Wie der Konzern mitteilt, der auch eine nichtmilitärische Automobilzuliefersparte umfasst, will er seinen Rüstungsumsatz um mehr als 60 Prozent steigern - von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf drei Milliarden Euro 2013. Grundlage der Wachstumspläne ist unter anderem der Krieg in Afghanistan, der das Geschäft mit gepanzerten Fahrzeugen rapide in die Höhe treibt. Rheinmetall hofft insbesondere auf zunehmende Rüstungsexporte und hat zur Verbesserung seiner Aussichten nun ein Joint Venture mit dem Münchner Maschinen- und Lastwagenbauer MAN gegründet, die "Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH" (RMMV).



Gepanzertes Transportfahrzeug "Boxer" von Rheinmetall
Quelle: The Ultimate Source for Military Intelligence

Der neue Konzernzusammenschluss treibt die schon seit Jahren angestrebte Konzentration der deutschen Heerestechnik voran, die unter anderem die Stellung deutscher Rüstungsfirmen auf dem Weltmarkt verbessern soll. Dabei haben die deutschen Hersteller von Kriegsgerät schon erhebliche Erfolge erzielt: Die deutschen Rüstungsexporte stiegen in den letzten fünf Jahren um 70 Prozent an - das ist mehr als dreimal soviel wie der weltweite Durchschnitt.

Rüstungsboom

Die Konzentration der deutschen Rüstungsindustrie zu machtvollen Konzernzusammenschlüssen ist in der Heerestechnik längst nicht abgeschlossen: Die Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall und der zweite große deutsche Panzerproduzent Krauss-Maffei Wegmann (KMW) konnten sich bislang nicht einigen, wer die Führung übernehmen soll.[1] Jetzt steht die in letzter Zeit deutlich erstarkte Rheinmetall AG zu einem neuen Anlauf bereit. Der Technologiekonzern, der auch als Automobilzulieferer tätig ist, hat seit dem Jahr 2000 konsequent sein Rüstungsgeschäft ausgebaut. Der Rüstungsumsatz soll den Planungen zufolge um hohe Raten gesteigert werden - von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf drei Milliarden Euro 2013.

Bündelung der Kräfte

Der Schwenk zum gänzlich von der Rüstung dominierten Konzern spiegelt sich in der Akquisitionspolitik wider: Rheinmetall beteiligte sich in den vergangenen Jahren an einem Dutzend Rüstungsunternehmen und übernahm 2008 den niederländischen Panzerbauer Stork PWV und damit die Mehrheit in dem Konsortium, das das gepanzerte Transportfahrzeug "Boxer" baut. Dessen Herstellung ist derzeit eines der größten Projekte in der europäischen Heeresrüstung.[2] Den wachsenden Rüstungsanteil im Konzern verstärkt Rheinmetall nun zusätzlich mit der Übernahme der Mehrheit an der Militärsparte des Münchener Maschinen- und Lastwagenbauers MAN. Die Rheinmetall AG und MAN bündeln ihr Geschäft mit militärischen Radfahrzeugen in der "Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH" (RMMV). An der zukünftigen Gemeinschaftsfirma, die einen Jahresumsatz von einer Milliarde Euro haben soll, wird die Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall 51 Prozent halten und auch die industrielle Führung übernehmen.[3] Das hauptsächlich in der österreichischen Hauptstadt Wien ansässige Militärgeschäft von MAN gilt als höchst profitabel: Ein Großauftrag der britischen Armee, die 7.500 bis zum Jahr 2012 auszuliefernde militärische Transportfahrzeuge bestellt hat, sorgt für Auslastung.[4]

Verkaufsschlager

Das neue Gemeinschaftsunternehmen RMMV wird für die Militärs ein breites Angebot bereithalten, das neben Panzern und Lastwagen sämtlicher Gewichtsklassen eine vollständige Palette geschützter und ungeschützter Transport-, Führungs- und Funktionsfahrzeuge enthält. Rheinmetall produziert den Kampfpanzer "Leopard 2" und erhielt im Vorjahr auch den Großauftrag für den neuen Schützenpanzer "Puma". Verkaufsschlager sind das gepanzerte Transportfahrzeug "Boxer" und der Transportpanzer "Fuchs", der mit einer Gesamtstückzahl von 1.250 Einheiten bei der Bundeswehr und den Streitkräften acht weiterer Nationen im Einsatz ist.

Krieg in den Städten

Das Geschäft mit diesen Radpanzern ist vor allem wegen der modernen Besatzungskriege, insbesondere in Afghanistan, explosionsartig gewachsen.[5] Die gepanzerten Fahrzeuge werden benötigt, um die eigenen Verluste angesichts überall leicht herstellbarer Sprengfallen möglichst gering zu halten. Die bereits Mitte der 1990er Jahre im Rahmen des Bundeswehr-Einsatzes in Jugoslawien genutzten Fuchs-Modelle wurden kontinuierlich den eskalierenden Aufstandstätigkeiten angepasst. Die neueste Version, der Fuchs 1A8, basiert auf den Einsatzerfahrungen aus Afghanistan. Die ersten Fahrzeuge sind längst ausgeliefert und am Hindukusch im Einsatz. Ein "hoher Einsatzwert" des Transportpanzers - nicht zuletzt "für zunehmend bedeutsame Aufgaben wie Infanterieeinsätze in urbaner Umgebung" - sei auch für die Zukunft gesichert, erklärt Rheinmetall.[6]

Exportorientiert

Der neue Panzerverbund von Rheinmetall und MAN soll den Konzernen vor allem auch größere Exportchancen für Militärlaster und Radpanzer wie "Boxer" oder "Fuchs" eröffnen. "Die Bündelung der Aktivitäten wird uns insbesondere auf wichtigen Auslandsmärkten helfen", urteilt Rheinmetall-Chef Klaus Eberhardt.[7] Mit den deutschen Streitkräften als bedeutendstem Abnehmer von Kriegsgerät im Hintergrund realisiert der Rüstungskonzern schon heute mehr als 60 Prozent seines Umsatzvolumens mit Kunden im Ausland. Mit der Ausrichtung auf den Rüstungsexport steht Rheinmetall allerdings nicht alleine: Die gesamte deutsche Rüstungsindustrie profitiert von den zunehmenden weltweiten Militärinterventionen. Deutsche Waffenhersteller, die als stark exportorientiert gelten, führten im Jahr 2008 Kriegsgüter im Wert von 8,3 Milliarden Euro aus und machten die Bundesrepublik mit einem Weltmarktanteil von zehn Prozent zum drittgrößten Exporteur konventioneller Waffen nach den USA (31 Prozent) und Russland (25 Prozent).[8]

Blockaden brechen

Mit dem in den letzten Jahren erreichten Weltmarktanteil ist die deutsche Rüstungsindustrie keineswegs zufrieden und verlangt von der Bundesregierung noch tatkräftigere Unterstützung für noch umfangreichere Waffenexporte. Der Ausschuss Verteidigungswirtschaft (AVW), die Interessenvertretung der Rüstungsunternehmen im Bundesverband der Deutschen Industrie, erklärt: "Tatsache ist: Wehrtechnisches Gerät 'Made in Germany' ist weltweit gefragt und die deutsche Industrie stellt sich dem Wettbewerb - wenn ihn die Politik nur zulässt!"[9] Zur "Sicherung dieses strategischen Industriesektors mit seinen etwa 80.000 Beschäftigten" seien "ideologische Blockaden mutig aufzubrechen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der wehrtechnischen Industrie eine wirkliche Perspektive aufzuzeigen", heißt es.

Türöffner

Die Bundesregierung hat bereits erklärt, dass sie diesem Verlangen sehr wohlwollend gegenübersteht. "Deutschland braucht eine starke und leistungsfähige nationale Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie", erklärte kürzlich Hans-Joachim Otto, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi).[10] Nach einer vom BMWi in Auftrag gegebenen Studie könnte der deutsche Markt für die sogenannte Sicherheitstechnologie zwischen 2008 und 2015 von 20 auf 31 Milliarden Euro wachsen. Weltweit werde bis 2015 sogar ein Wachstum auf 220 Milliarden Dollar prognostiziert. "Deutschland muss bei dieser dynamischen Entwicklung dabei sein", erklärt der Staatssekretär. Das Ministerium sieht sich in der Rolle eines "Türöffners" für die Rüstungsindustrie. Als erfolgreiches Beispiel nannte Otto zwei Großaufträge in Milliardenhöhe von Saudi-Arabien an EADS. In Algerien stünden zudem mehrere deutsche Unternehmen vor der Unterzeichnung von Verträgen mit einem Gesamtvolumen von etwa zehn Milliarden Euro. (PK)


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[1] s. dazu Gewehr bei Fuß
[2] s. dazu Strategischer Mehrwert
[3] Rheinmetall und MAN Nutzfahrzeuge gründen gemeinsames Unternehmen für militärische Radfahrzeuge; www.rheinmetall.de 12.01.2010
[4] s. dazu Buy European First und Eintrittskarte
[5] Neue Rüstungsallianz: Die Panzerbauer rüsten auf; taz 14.01.2010
[6] Modernisierter Fuchs mit umfassendem Schutz vor Minen und IED; www.rheinmetall.de
[7] Joint Venture mit MAN: Rheinmetall schmiedet neuen Rüstungsriesen; Handelsblatt 12.10.2010
[8] Rüstungsindustrie: Wer vom "Krieg gegen den Terror" profitiert; Handelsblatt 11.01.2010
[9] Deutsche Verteidigungswirtschaft weltweite Nachfrage; www.germandefence.de
[10] BMWi will Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie stärken; www.behoerden-spiegel.de 09.12.2009
[11] s. dazu Kriegsgerät für Öl

Weiter Informationen bei German Foreign Policy.

Online-Flyer Nr. 234  vom 27.01.2010



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