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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Aktuelles
Interview mit Claus Ludwig, Fraktion DIE LINKE.Köln, zum U-Bahn-Bau
„Alles muß auf den Prüfstand!“
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Bevor die Kölner Stadtverwaltung und die Kölner Verkehrs-Betriebe am 
19. März im Hauptausschuß des Rates Bericht zum Einsturz des 
Historischen Stadtarchivs im Zusammenhang mit dem U-Bahnbau 
erstatteten, sprach die NRhZ vorab mit dem Ratsmitglied der Fraktion 
DIE LINKE.Köln, Claus Ludwig. - Die Redaktion

H. D. v. Kirchbach: Herr Ludwig, welche Konsequenzen ziehen Sie, für sich  persönlich und / oder für Ihre Fraktion im Rat, aus dem Einsturz des 
Stadtarchivs?

Claus Ludwig Ratsmitglied die LINKE Köln Foto: NRhZ
Kölner Ratsmitglied Ludwig                  
Foto: NRhZ-Archiv
Claus Ludwig: Ich kann nur für mich selbst sprechen, und ich bin der Meinung, daß das Projekt Nord-Süd-U-Bahn auf den Prüfstand gehört. Das Projekt ist begleitet von Pannen; es gibt den Verdacht, daß nicht alle Sicherheitsvorkehrungen wahrgenommen wurden. Das Ganze gehört auf den Prüfstand, und alle Unterlagen müssen veröffentlicht werden, und die Bevölkerung, vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner hier in der Südstadt,  müssen sich die Stadtentwicklung, müssen sich ihre Stadt  wieder zurückholen.


Welche Versäumnisse haben, nach Ihrer Auffassung, die Projektplaner und gegebenenfalls die politischen Aufsichtsinstanzen sich zuschulden kommen lassen?

Ich bin  ja kein technischer Experte. Ich kann mich nur auf die Medienberichte verlassen, und insofern ist für mich interessanter, was die Rahmenbedingungen dieses Projektes waren als die technischen Einzelheiten, warum es letztendlich zu dem Unfall gekommen ist. Und da sieht es mir doch stark danach aus, daß die Verantwortlichkeiten wegdelegiert wurden; die Stadt hat an die KVB delegiert, die KVB scheint ihre Aufsichtspflicht nicht so wahrgenommen zu haben, und die Bauunternehmen haben dann möglicherweise Kosten gespart, haben möglicherweise mehr Brunnen gebohrt, weil der Zeitdruck da war, oder Ähnliches. Also, mir scheint, dieses Projekt ist von Kostendruck und Zeitdruck bestimmt, und es wurde nicht alles Menschenmögliche getan, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Haben Sie denn als Stadtverordneter Einblick in die relevanten Unterlagen, was dieses ja doch ziemlich tief sozusagen in die Eingeweide eines Teils der Stadt eingreifenden Projekts angeht?

Nein, es ist wie bei jedem Projekt in Köln. Egal, ob es  um die Messehallen geht, ob es um die Sürther Aue geht, ob es um den  U-Bahn-Bau geht: Es läuft viel über Geheimniskrämerei; der Bevölkerung und auch den gewählten VertreterInnen im Rat werden Informationen vorenthalten. Ich kann Ihnen sagen, die Vertreter der etablierten Parteien bemühen sich auch nicht besonders, diese Informationen zu bekommen. Insofern haben wir keine besonderen Einblicke, und ich halte es auch für einen Skandal, daß die KVB noch immer nicht alles offengelegt hat, sondern immer nur das rausgibt, was ohnehin schon durchsickert durch die Medien.

Leben wir hier in Köln in einer speziell demokratiefreien Zone oder ist das Ausdruck eines allgemeinen Trends, vielleicht unter Stichworten wie Deregulierung, Privatisierung et cetera?

Letzteres, absolut. Es wird ja immer vom „Kölschen Klüngel" geredet, aber letztendlich ist das keine Besonderheit, sondern die Privatisierung hat die Korruption und den Klüngel erst verstärkt und auf eine neue Ebene gehoben. Auf einmal geht es nicht mehr darum, daß nur ein kleiner Amtsleiter kleinere Bauaufträge verschieben kann, es geht darum, gesamte Projekte zu verschieben an private Investoren. Das Risiko, die finanziellen Risiken  für die
Stadt, die damit zusammenhängen, werden größer, der Schaden wird größer, aber auch der Wunsch der Investoren, sich diese Projekte an Land zu ziehen, wird größer, weil viel mehr Geld damit verdient werden kann. Allerdings, und das läßt sich ja wohl kaum verbergen, ist Köln eine Hochburg dieser Art von Korruption; also, dieser Klüngel, der wird ja immer so verharmlosend definiert – als Tatsache heißt „Kölscher Klüngel" die Verbindung von privaten Investoren und Kapitalinteressen mit städtischen Repräsentanten, mit Repräsentanten städtischer Beteiligungsbetriebe.

Haus neben eingestürztem Stadtarchiv Köln, Severinstraße Foto: Alexander Bentzien
„Milliarden verbuddelt...“ Trümmer des eingestürzten Kölner Stadtarchivs in der Severinstraße und das Haus daneben | Foto: Alexander Bentzien

Haben Sie dafür im Zusammenhang mit diesem konkreten U-Bahn-Projekt Anhaltspunkte?

Nein, ich habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür, aber ich kenne ja die Parameter, unter denen dieses Projekt zustande gekommen ist. Wir haben eine Analyse, damals, Mitte der neunziger Jahre, will man unterirdisch bauen, will man oberirdisch bauen, wo die Fragestellung an eine ausgewiesene Tunnelbaufirma gegeben worden ist, wo nur eine Antwort herauskommen konnte – die U-Bahn. Die Grünen haben das damals noch kritisiert. Diese Firma selber ist an der Ingenieurarbeitsgemeinschaft, die den Bau dann selber vorgenommen hat, beteiligt. Und das riecht doch, ohne, daß ich jetzt sagen will, dieser konkrete Punkt hätte zu dem und dem geführt, das riecht doch danach, daß hier private Investoreninteressen bestimmen, was für eine Bahn gebaut wird und wie mit dem öffentlichen Nahverkehr hier umgegangen wird.

Welche Alternative hätte es denn zum U-Bahn-Bau gegeben?

Man hätte ja nicht quer durch die Südstadt eine oberirdische Straßenbahn bauen können. Aber eine Straßenbahn entlang der Rheinschiene wäre möglich gewesen, es hätte auch ein integriertes Verkehrssystem von Bussen, Minibussen, Zubringerbahnen, wie auch immer, geben können. Ich glaube, für das Geld, was die dort verbuddelt haben – bis zum heutigen  Tag mehr als 1,1 Milliarden Euro, obwohl nur 600 Millionen projektiert waren – mit dem Geld hätte man das perfekte oberirdische Verkehrskonzept nicht nur für die Südstadt entwickeln können, sondern für größere Teile von Köln, da hätte man die Preise sinken lassen können, da hätte man den Nahverkehr grundlegend attraktiver gestalten können, und den Autoverkehr zurückdrängen können in dieser Stadt.

Also Ihre Kritik am U-Bahn-Projekt bedeutet nicht, daß Sie gegen den öffentlichen Nahverkehr plötzlich eine grundsätzliche Aversion entwickelt hätten?

"Tunnelblick" KVB Köln Foto: KVB
So fängt er an, der Tunnelblick              
Quelle: KVB
Nein, natürlich nicht; der öffentliche Nahverkehr muß grundlegend ausgebaut werden. Das Problem ist ja, daß U-Bahnen nicht gebaut werden, weil sie die günstigsten oder schnellsten oder besten öffentlichen Verkehrsmittel wären. U-Bahnen bedeuten vor allen Dingen, daß obendrauf der Autoverkehr fahren kann. U-Bahnen bedeuten, daß die Menschen, die sich das Auto leisten  können, oben fahren und die Luft verpesten, und die Leute, die sich’s eher nicht leisten können, den „Tunnelblick" bekommen. Menschen sind ja keine Maulwürfe. Sie sollten auch öffentlichen Nahverkehr an der Oberfläche benutzen können, sowohl die Nutzerinnen und Nutzer als auch die Kolleginnen und Kollegen, die für die öffentlichen Verkehrsbetriebe arbeiten.

Es heißt, das Stadtarchiv wäre ohnehin schon überfällig gewesen zum Abriß und labil. Ist Ihnen das Problem denn in den letzten Jahren mal untergekommen und hätte man nicht in der Hinsicht schon Vorsorge treffen müssen?

Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Also wir haben uns da als Linke im Rat nicht groß beschäftigt mit dem Stadtarchiv...

Wäre aber doch gut gewesen, da war doch immerhin auch was von Karl Marx drin...

„Bauskandale...“ Claus Ludwig bei Protest vor Oppenheim-Bank Foto: Hans-Dieter Hey
„Bauskandale...“ Claus Ludwig bei Protest
vor Oppenheim-Bank, Foto: Hans-Dieter Hey
Nein, ich sag ja auch nicht, daß es unwichtig wäre (lacht). Nur sagen wir mal, bestehende Gebäude waren für uns kein großes Problem nach allen Skandalen durch große Bauprojekte, die in den letzten Jahren neu gebaut wurden. Ich denke, wir hatten genug zu tun mit der Messe, mit dem Barmer Viertel und ähnlichen Operationen der städtischen Führung hier. Und wenn Abrisse, dann natürlich nicht mit den Inhalten.

Wie soll es nun weitergehen, denn die U-Bahn ist ja jetzt schon fast bis zum Ende durchgetunnelt, und man kann das Projekt ja sozusagen nicht zurückdrehen. Könnte man wenigstens zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen einziehen?

Ich wäre mir da nicht sicher, ob man das Projekt nicht zurückdrehen kann. Ich will an dieser Stelle nicht behaupten, die U-Bahn darf nicht zu Ende gebaut werden, das weiß ich persönlich nämlich nicht. Aber ich finde, die Menschen hier haben ein Recht darauf, alle Informationen zu bekommen: Wie teuer wäre der Weiterbau, mit all den zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen, mit all den Schadensersatzleistungen, die jetzt zu bezahlen sind? Wie sicher sind die anderen Baustellen? Ich denke, es kann keine Rede davon sein, einfach weiterzubauen. Alles gehört auf den Prüfstand. Und das sind möglicherweise sehr umfangreiche und sehr teure Verfahren.

Das Kölner Panorama im Jahre 2010 Grafik von Norbert Arbeiter
Es könnte noch teurer werden... Kölner Stadt-Panorama im Jahre 2010
Grafik: Norbert Arbeiter

Und am Ende gilt auch, daß der Betrieb einer U-Bahn eine sehr teure Angelegenheit ist. Auch insofern gehört das Projekt auf den Prüfstand, und dann muß die Bevölkerung selbst entscheiden, ob dieses Projekt fertig gebaut werden soll. Da gibt’s bestimmt Gründe dafür, daß die Leute sagen, 
jetzt haben wir das Scheißding, wir haben all die Jahre gelitten unter diesem Bau, jetzt sollen sie’s endlich fertigstellen, oder daß rauskommt, daß es immer noch sehr teuer wäre, und daß es real die Alternative gibt, den Bau jetzt zu stabilisieren, so daß alle Risiken ausgeschlossen wären, und gleichzeitig für oberirdische Verkehrsberuhigung zu sorgen, das weiß ich nicht. Aber das haben meiner Meinung nach auch nicht ein paar Bürokraten bei der KVB zu entscheiden, in der Stadtführung und Leute in den Baukonzernen, das hat die Bevölkerung vor Ort zu entscheiden.

Was planen Sie dann, um solche von Ihnen gewünschten Prozesse 
voranzutreiben?

Als Person möchte ich da vor allen Dingen erst mal publizistisch tätig werden, durch Informationen, die öffentliche Debatte anregen. Heute ist ein Trauermarsch, an dem ich mich auch beteilige. Sollte es in der Südstadt aber auch zu explizit politischen Demonstrationen kommen, werde ich mich gewiß daran beteiligen und werde auch an der Debatte teilnehmen, welche Forderungen aufgestellt werden sollen. In unserer Fraktion, Die Linke Köln, haben wir an dem Punkt “Baustopp oder das Projekt auf den Prüfstand stellen“ keine Einigung. Einig sind wir uns, und das haben wir auch in den letzten Stadtrat eingebracht, daß es die Ost-West-U-Bahn im Ansatz schon nicht geben darf. Daß die Planungen zurückgestellt wurden, haben wir erreicht.

Einig sind wir, daß wir vollständige Aufklärung wollen, die Unterlagen offengelegt haben wollen, und an diesen beiden Fronten kämpfen wir jetzt. Alles offenlegen, aufklären, aber gleichzeitig auch eine öffentliche Debatte, eine neue demokratische Debatte in der Bevölkerung, ob es mit diesem Projekt weitergehen kann oder ob nicht tatsächlich, was ich nicht ausschließen kann, eine Beendigung das Beste wäre. (PK)

 

 
 

Online-Flyer Nr. 189  vom 19.03.2009



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