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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Arbeit und Soziales
Neues aus dem Tollhaus: Das Konjunkturpaket II
Klientelpolitik
Von Hans-Dieter Hey

In der Begründung der Jury zum Unwort des Jahres „notleidende Banken“ heißt es: „Während die Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis geraten und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssen, werden die Banken mit ihrer Finanzpolitik, durch die die Krise verursacht wurde, zu Opfern stilisiert“. Über dieses und andere unschöne Worte wird hier zu reden sein, wenn es um das Konjunkturpaket II geht, welches sich in weiten Teilen als Klientelpolitik erweist: Die Täter werden weiterhin bedient, die Opfer zur Kasse gebeten.

Während landauf landab vom „größten Rettungspaket aller Zeiten“ gefaselt wird, entpuppt sich das Konjunkturpaket II in weiten Teilen als Mogelpackung, die dem Regelungsbedarf, den diese Wirtschaftskrise an die Politik eigentlich stellt, in weiten Teilen nicht gerecht wird. Insgesamt beträgt es ein Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts. Mit gerade mal 18 Mrd. Euro für Investitionen von insgesamt 50 Mrd., und dann noch aufgeteilt auf zwei Jahre, soll maroden  Schulgebäuden, Krankenhäusern zu Leibe gerückt oder der Städtebau, die ländliche Infrastruktur, das Straßen- und Schienennetz oder das Internet in ländlichen Gebieten verbessert werden. Allein für die Sanierung unserer heruntergekommenen Schulen wären jährlich ungefähr 10 Mrd. Euro notwendig. Hinzu kommt der merkwürdige Schrottbonus für alte Autos und der Kinderbonus. Das ist zwar nicht Nichts, für eine wirklich erfolgreiche Krisenbewältigung aber zu wenig oder das Falsche.

Warum ausgerechnet jetzt diese Beträge für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, die weniger als den bisher aufgelaufenen Investitionsstau ausmachen, erschließt sich nicht wirklich und macht die Fehleinschätzung der Regierung Merkel deutlich. Über viele Jahre war erst der rot-grünen und nun der schwarz-roten Regierung bekannt, dass mit einer fast wahnhaft betriebenen Haushaltssanierung die öffentlichen Strukturen an die Wand gefahren wurden. Diese Zurückhaltung bei öffentlichen Investitionen hat die Wirtschaftkrise, die eben nicht nur eine Finanzkrise ist, mit verursacht. Ob die Eigenmittel der verarmten Kommunen trotz Konjunkturpaket ausreichen, dürfte deutlich in Frage gestellt sein. Die Abteilung Wirtschaftspolitik der Gewerkschaft ver.di hält das Investitionsprogramm daher für völlig unzureichend, es sei „mit knapp neun Milliarden Euro jährlich angesichts der Dimension der Wirtschaftskrise völlig unzureichend“.

Vielmehr seien jährlich 25 Mrd. Euro mehr an Investitionen nötig und noch einmal zusätzlich 5 Mrd. für marode öffentliche Krankenhäuser. Angesichts des Ausmaßes der Krise muss natürlich eine höhere Verschuldung in Kauf genommen werden. Das Defizit wird im Jahr 2010 ca. 4,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt betragen. Im Europäischen Durchschnitt werden es ungefähr 4,8 Prozent sein. Hier wäre durchaus mehr Spiel gewesen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Angesichts der Lage hat die EU überdies längst eingesehen, dass die Drei-Prozent-Hürde gerissen werden würde. 

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de


Schon das erste Rettungspaket über 480 Mrd. Euro für „notleidende Banken“ – die das Geld zuvor verzockt hatten – scheint zu scheitern. Zu wenige Banken greifen auf die staatlichen Mittel der Steuerzahler zurück, um die Wirtschaftsentwicklung mit Fremdfinanzierung voran zu treiben. Und Kredite gibt es nur noch zu Bedingungen, die sogar gesunde Unternehmen in die Knie zwingen könnten. Während in anderen Ländern die Banken zu entsprechender Mittelbereitstellung gezwungen wurden, rächt es sich nun in Deutschland, dass die Bundesregierung an dieser Stelle nicht mehr Druck ausgeübt hat. Doch bald droht noch mehr Ungemacht, weil nach einer Umfrage der Bankenaufsicht noch ca. weitere 300 Mrd. faule Papiere in den Banken liegen, von denen nur 25 Prozent bisher abgeschrieben wurden. Und wer weiß, wie viele Leichen dort noch liegen, die die Verluste der Banken erhöhen und damit schließlich die Schuldenlast des Bundes.

Hilfreich könnten die Bürgschaften sein. Aber wenn der Steuerzahler diese übernimmt, sollte er auch entsprechend am Erfolg beteiligt sein. Nichts davon hört man aus der Regierung Merkel. Und dass solche Bürgschaften nun gerade für die Automobilindustrie zur Verfügung gestellt wurden, kann getrost als Klientelpolitik gesehen werden. Geld also für gerade diejenigen, die jahrelang eine einzigartige spritschluckende Umweltsauerei an den Realitäten vorbei produziert haben. Kleine und innovative Mittelständler gehen dagegen leer aus. Ähnlich kritisierte die Monopolkommission am 21. Januar auch eine „breitflächige Vergabe von Bürgschaften an Unternehmen, die keinen oder nur wenig Kredit erhielten“. Dies, so die Kommission, verzerre den Wettbewerb. Und derartige Schutzschirme würden kommende Insolvenzen ohnehin nicht verhindern. Immer mehr Firmen halten indessen die Hände auf nach staatlicher Unterstützung, und selbst die, die ihre Probleme selber geschaffen hatten. Wie beispielsweise der inzwischen hochverschuldete Wälzlagerhersteller Schaeffler, der sich mit dem Zukauf von Conti übernommen hatte. Inzwischen haben mehr Branchen Blut geleckt und fordern finanzielle Unterstützung vom Staat. Denn wenn alles schlechter läuft, als manche noch träumen, wird der gleich mit in den Strudel des absaufenden Tankers gerissen.

Als reine Klientelpolitik, um den Verkauf neuer Autos zu fördern, ist auch die Abwrackprämie („Umweltprämie“) von 2.500 Euro für mindestens neun Jahre alte Fahrzeuge zu sehen. Denn ein Teil dieses Geldes würde beim Neukauf im Ausland gefertigter KFZ's auch in das Ausland fließen, genauso wie bei in Deutschland gefertiger Fahrzeuge, von denen Teile im Ausland gefertigt wurden. Und abgesehen davon, dass wegen der Förderung der Niedriglohnpolitik seit vielen Jahren die Menschen immer weniger in der Tasche haben, könnten sich die meisten ein neues Fahrzug ohnehin nur durch Schuldenmachen leisten. In Deutschland sinken seit Jahren die Löhne, die Niedriglohnrate liegt mit 22 Prozent inzwischen doppelt so hoch als in den meisten anderen europäischen Ländern, und wir sind dabei, die USA abzulösen. Wer soll da noch neue Autos kaufen?


Die jahrelange Politik der Verarmung...
Plakat: arbeiterfotografie.com


Das globalisierungskritische Netzwerk attac reagierte vergangenen Mittwoch besonders heftig: „Rückwärtsgewandter kann eine Politik kaum sein“. Statt endlich eine zukunftsfähige und klimafreundliche Mobilitätsindustrie und den ÖPV zu fördern, würde eine „Dinosaurier-Branche“ künstlich aufrechterhalten. Ihr ökonomisches und ökologisches Herumwurschteln ist der Regierung wohl selbst nicht ganz klar. Lutz Heilmann von der Partei DIE.LINKE am 23. Januar: „Alle in der Regierung diskutierten Modelle bringen entweder nichts für den Klimaschutz oder entlasten sogar die Spritschlucker, so wie der letzte offizielle Entwurf (s. NRhZ 181 “Absurde Kfz-Steuerreform“).“ Am Dienstag hat sich die Koalition nun geeinigt, dass die spritschluckenden Auto-Saurier jedenfalls nicht benachteiligt werden. 

Wie fehlgeleitet Merkels Politik ist, zeigt auch ihre Schwerpunktsetzung. Während für Banken und Großkonzerne hunderte Milliarden aus dem Steuersäckel zur Verfügung gestellt werden, gehen jene, die die produzierten Güter eigentlich kaufen sollen, zunehmend leer aus. So kritisiert der Sozialverband Deutschland, dass die meisten Rentner bei 1.000 Euro Rente lediglich drei Euro im Monat mehr hätten. „Für die meisten Rentner ist die Senkung der Krankenkassenbeiträge um 0,3 Prozent die einzige entlastende Maßnahmen des Konjunkturpaketes, und die fällt sehr gering aus“, so SoVD-Präsident Adolf Bauer. Zudem werde sie wieder aufgefressen, wenn neue Zusatzbeiträge kämen. Netto bekämen die Rentner seit Jahren ohnehin weniger, seit dem Jahr 2003 und mehreren Nullrunden bis heute 10 Prozent weniger. Auch Dr. Bernd Niederland vom Wohlfahrtsverband Volkssolidarität sieht deshalb eine deutliche Gerechtigkeitslücke und fordert wirksamere Schritte, weil so weder Armut verhindert noch der Binnenmarkt zur Bewältigung der Krise angekurbelt werde.


...rächt sich nun.
Montage: G. Altmann/pixelio


Wenig Unterstützung gibt es auch zur Verhinderung von Erwerbslosigkeit, die nach offizieller Lesart deutlich um über 500.000 Erwerbslose zunehmen dürfte. Nur 2,4 Mrd. Euro will die Bundesregierung zur Verfügung stellen, um Qualifizierung – sofern man nach aller Erfahrung überhaupt noch davon reden kann – zu ermöglichen. Ein besonderer Zynismus liegt darin, dass trotz enormer Preissteigerungen der Regelsatz bei Erwerbslosigkeit nicht erhöht wird. Eine Anpassung auf mindestens 435 Euro wäre dringend geboten, forderte die Partei DIE.LINKE bereits Mitte 2008. Denn seit 2005 haben Erwerbslose zwischen 12 und 14 Prozent netto verloren. Doch die Erhöhung wurde von den Christen und den Sozialdemokraten im Bundestag abgeschmettert. Lediglich die Regelsätze für Kinder von sechs bis 13 Jahren werden von 211 um 35 Euro auf 246 Euro erhöht werden. Eltern, die Kindergeld beziehen, sollen für jedes Kind einmalig 100 Euro zusätzlich erhalten. Erwerbslosen Eltern wird dies angerechnet. Dass die Bundesregierung die Kurzarbeit „attraktiver“ machen will, ist ebenfalls eine Mogelpackung. Letztlich bedeutet es nichts anderes, als Erwerbslose in der Erwerbslosenstatistik zu verstecken. Das wird auch den erwerbslosen Leiharbeitsbeschäftigten passieren, die demnächst Kurzarbeitergeld erhalten. Die Ausgaben für die Kurzarbeit waren schon 2008 mit 90 Mrd. Euro ca. 12 Prozent höher als 2007. Im Jahr 2009 dürften die Ausgaben erheblich explodieren.

Auch die neuen Mindestlohnregelungen sind nicht geeignet, die Wirtschaft anzukurbeln. Die von Arbeitsminister Olaf Scholz als Erfolg verkaufte Möglichkeit, Mindestlöhne für das Pflegegewerbe, die Sicherheitsdienste, die Entsorgungsbranche, industrielle Großwäschereien, Bergbau-Spezialdienste und Aus- und Weiterbildungsbeschäftigte auszuhandeln, wird den Namen nicht verdienen, denn die CDU wird darauf bestehen, dass lediglich Dumpinglöhne verhindert werden. Und für diesen faulen Deal, den die Sozis beim Jubeln nicht einmal bemerkt haben, hat sich die SPD die „Reichensteuer“ abkaufen lassen. Und so wird eben weiter daran gedreht, Vermögen von unten nach oben zu verteilen. Und irgendwann – das ist sicher – wird den Regierungen dies wieder auf die Füße fallen. In Deutschland Radio Kultur brachte es der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, am 21. Januar auf den Punkt: „Wir können uns in Deutschland keine rumänischen Löhne leisten, weil wir hier keine rumänischen Preise haben!" Von den marginalen Wirkungen der Steuerpolitik soll gar nicht erst gesprochen werden, weil es einfach zu lächerlich ist. So warnt Dr. Bernd Niederland vom Sozialverband Volkssolidarität: „Die Entlastung der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen fällt dagegen bescheiden aus. Sie dürfte kaum geeignet sein, wirksame Schritte zur Armutsvermeidung einzuleiten. Die Verursacher von Finanzkrise und wirtschaftlichem Abschwung bleiben verschont.“

Während den „notleidenden“ Banken und Konzernen also kräftig mit Steuermitteln unter die Arme gegriffen wird, gehen die Bürgerinnen und Bürger weitgehend leer aus. Vor allem die soziale Schieflage des Rettungspaketes II ist ein Skandal. Angesichts dieser Realität ist es auch kein Wunder, dass einer aktuellen Umfrage des Emnid-Instituts zufolge die Meinungen dazu negativ ausfielen. 60 Prozent aller Befragten waren überzeugt, dass das Konjunkturprogramm nicht zur Bewältigung der Krise beitragen würde, nur 35 sahen eine positive Wirkung. Bei einer Umfrage des Forsa-Instituts glaubten sogar 69 Prozent, dass es überhaupt nichts bringe, 26 Prozent hielten es für ein wirkungsvolles Mittel.

Und so dürfte es nur ein Mediengag gewesen sein, als Wirtschaftsminister Glos das Konjunkturprogramm in diesen Tagen als „vertrauensbildende Maßnahme“ bezeichnete. Merkwürdig nur, dass die Umfragewerte für eine solche Politik der CDU-geführten Regierung nicht deutlich schlechter ausfallen. Offensichtlich zeichnet sich für eine derartige Politik eine schwarz-gelbe Mehrheit ab. Man sieht: Es geht eben immer noch dümmer. (HDH)

Unser Startbild stammt von G. Altmann/pixelio

Online-Flyer Nr. 183  vom 28.01.2009



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