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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Aktuelles
Mitglieder verlassen VS Köln und NRW wegen Streit um „Junge Freiheit“-Autor
„Nazijäger-Nazis“?
Von Peter Kleinert

Der im Zusammenhang mit der 68er Bewegung im Juni 1969 in Köln gegründete Verband Deutscher Schriftsteller (VS) hat die Zahl seiner Mitglieder seither auf etwa 4.000 kontinuierlich steigern können. Ausgerechnet in Köln und NRW treten nun aber seit ein paar Wochen immer mehr lange engagiert mitarbeitende AutorInnen aus. Grund: Die Haltung der Vorstände in Köln und NRW unter ihrer Vorsitzenden Margit Hähner im Streit um den rechten „Junge Freiheit“-Kolumnisten Rolf Stolz, dessen Texte offenbar gegen die Satzung der Gewerkschaft ver.di verstoßen, zu der der VS gehört. Gründungsväter wie Heinrich Böll, der damals erfolgreich zur „Einigkeit der Einzelgänger“ aufgerufen hatte, würden darüber wohl mit dem Kopf schütteln.

Austritt von Fritz Bilz

fritz bilz
Fritz Bilz: Alle Ausschlussversuche wurden      
vom Vorstand blockiert
Quelle: www.fritz-bilz.de
Der Kölner Historiker und Publizist Dr. Fritz Bilz, der durch seine Forschungen zum Nationalsozialismus, Antisemitismus und zur Fremdenfeindlichkeit bekannt wurde, begründet seinen Austritt am 1. Dezember u.a. so: „Im VS-Bezirk Köln ist Rolf Stolz Mitglied, der sich in vielen schriftlichen Äußerungen in den verschiedenen rechtsradikalen Publikationsorganen durch ausländerfeindliche, rassistische und menschenverachtende Positionen hervortut. Alle Versuche, diesen Menschen aus dem VS auszuschließen, wurden durch den Kölner VS, insbesondere durch seinen Vorstand blockiert. Ein von mir an den Kölner Vorstand im März dieses Jahres gerichtetes Schreiben mit diesem Ansinnen blieb bisher unbeantwortet und wurde auch nicht auf einer Mitgliederversammlung behandelt. Überhaupt zeichnet sich der Kölner VS-Vorstand dadurch aus, in einer falsch verstandenen Liberalität - „Freiheit der Meinung des Schriftstellers“ - das Thema kleinzureden und den Herrn Stolz zu schützen. Auch die Versuche, dieses Thema auf einer MV als Haupttagesordnungspunkt zu diskutieren mit dem Ziel des Auschlusses von Rolf Stolz wurden permanent blockiert.“
 
Erklärung von Antje Dertinger
 
Zu der angeblichen „Gegendarstellung“ der Kölner und NRW-VS-Vorsitzenden Hähner, die wir als Redaktion inzwischen aus guten Gründen gelöscht haben, hier ein Ausschnitt aus einem aktuellen Brief der ehemaligen VS-Landesvorsitzenden Antje Dertinger an VS-Mitglieder zu ihrem Austritt aus dem Vorstand, dem sie bis dahin angehörte:
 
antje dertinger
Von allen Landesvorstands-
ämtern zurückgetreten –
Antje Dertinger
Quelle: www.vsbonn.de
„Erstens: Ich bin die Person, die vor ihrem Rücktritt im VS-Landesvorstand auf jeder Sitzung seit Februar dieses Jahres darauf gedrängt hat, der Kölner VS-Vorstand möge Stellung zu einem sich rechtsextrem und rassistisch äußernden Mitglied beziehen. Es wurde von der Kölner und Landesvorsitzenden des VS niemals konkret auf diese Aufforderung reagiert, sondern stets in Formulierungen wie sie sich auch in der sog. Gegendarstellung finden: Man wisse doch, dass der Kölner VS Lesungen gegen Rechts veranstalte, dass er sich für Ausländer engagiere und sich z.B. gegen den ,Anti-Islamisierungskongress' stark gemacht habe. - So pflaumenweich geht das offenbar bis heute weiter.
 
Zweitens: Es ist eine Lüge, wenn die Kölner und Landesvorsitzende des VS behauptet, ich sei nicht wegen der leidigen Angelegenheit Stolz von meinen Landesvorstandsposten zurück getreten. Es gab in der Tat weitere Rücktrittsgründe, weil ich wesentlich andere Vorstellungen von ehrenamtlicher Arbeit habe als die Vorsitzende. Aber der Auslöser war gerade der ,Fall Stolz': Auf einer kulturpolitischen Veranstaltung wurde ich Anfang September von einem Vertreter der ver.di-Landesebene und einem Vertreter der VS-Bundesebene mit der Information über eine Verleumdungskampagne konfrontiert: Ich hätte nicht wirklich ein Interesse an der verbandsinternen Klärung des ,Falles Stolz'; vielmehr trachtete ich in Wahrheit danach, der Kölner und Landesvorsitzenden zu schaden. - Das brachte für mich das Fass zum Überlaufen und meines Bleibens war im VS-Landesvorstand nicht länger. Genau dies habe ich in meiner Rücktrittserklärung am 29.9.08 allen Landesvorstandsmitgliedern mitgeteilt." 
 
Scharf kritisiert wird das Verhalten des Vorstands und einer Mitgliederversammlung zum ,Fall Stolz' auch von Hermann Spix aus dem "Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“. Aus der aktiven Mitarbeit im Kölner VS in Mitgliederversammlungen zurückgezogen haben sich deshalb inzwischen die ehemalige langjährige Kölner VS-Vorsitzende Ulla Lessmann, Dr. Eva Weissweiler, Dr. Werner Rügemer und Dr. Erasmus Schöfer, und ihren Austritt aus dem VS erklärten am Wochenende die beiden LyrikerIinnen Isolde Ahr und Reinhard Bartsch. 
 
Einladung zum Essen zurückgezogen
 
Nachdem sie auch noch von der Austrittserklärung der Kölner Schriftstellerin und Fernsehautorin Dr. Ingrid Strobl, die vor allem durch ihre Bücher und Filme über Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus bekannt wurde, und vom Rücktritt aus dem Vorstand von Nika Bertram, erfahren hatte, die im Jahr 2000 das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln erhielt, sah die Autorin Rumjana Zacharieva keinen Sinn mehr darin, den Kölner VS-Mitgliedern „die Friedensfahne zusammen mit bulgarischen Kochspezialitäten anzubieten“. Die aus Bulgarien stammende Autorin zog ihre Einladung an die KollegInnen zu einem Friedensgespräch für den 16. Dezember zurück. Hier einige ihrer Gründe:
 
„Haufenweise persönliche Schmähungen“ in der Hähner-„Gegendarstellung“ zu Eva Weissweilers Artikel in der NRhZ 174 und „die eigenartige Verdrängung der rechten und ausländerfeindlichen Gedanken von Rolf Stolz“ im Vorstand hätten sie dazu gebracht, ihre Einladung zum Essen zurückzuziehen. Dies vor allem auch, weil sie noch einmal in die Gewerkschaftssatzung geschaut und dort eindeutig festgestellt habe, dass der „rechtsradikal denkende und schreibende “Kollege“ Stolz aus unseren Gewerkschaftsreihen einfach auszuschließen“ sei. 
 
Auszüge aus der ver.di-Satzung
 
Tatsächlich findet man im § 5 der ver.di-Satzung u.a. folgende Punkte: „Verdi bekennt sich …zum Einsatz für eine pluralistische Gesellschaft, in der Toleranz und gleiche Rechte gelten, unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung…“ und zur „…Auseinandersetzung mit und Bekämpfung von faschistischen, militaristischen und rassistischen Einflüssen…“. „Von der Mitgliedschaft ausgeschlossen sind Personen, a) deren Bestreben und Betätigung in Widerspruch zu den in § 5 genannten gewerkschaftlichen Zielen steht oder b) die antidemokratische oder antigewerkschaftliche Bestrebungen von Vereinigungen, Parteien oder anderen Gruppierungen fördern, diese Bestrebungen in Wort und Schrift oder durch andere aktive Mitwirkung unterstützen“. Und nach § 10, 2, a „müssen diese Bestimmungen von jedem Mitglied eingehalten werden. Andernfalls kann es nach § 12, 1 ausgeschlossen werden“.
 
Rolf Stolz in der „Jungen Freiheit“
 
Warum die VS-Vorstände Köln und NRW diese Satzung mehrheitlich ignorieren, ist nicht nur für ihre inzwischen aus- oder zurückgetretenen KollegInnen ein Rätsel, sondern auch für Leute, die keine Bücher schreiben aber lesen können. Sie brauchten nur mal ins Archiv der Wochenzeitung der "Neuen Rechten" „Junge Freiheit“ zu gucken, in der Rolf Stolz regelmäßig mit Kolumnen auftaucht. Unter dem Titel „Eigengewächse“ hätten sie dort am 14. September 2007 unter anderem erfahren: „Wir Europäer haben uns unsere Terroristen selbst erzeugt. Nicht Sie und ich - es waren "unsere" Staatenlenker, die nach historischem Vorbild den Massenimport von Fremdarbeitern ("Gastarbeiter" tituliert) betrieben, diese aus Profitgier vor allem in Anatolien rekrutierten und mit deren Familien reichlich Nachwuchs an Hilfsarbeitern hinzuholten. Daß aus dieser als nützliche Idioten vorgesehenen Masse nun Nachwuchs für den Islamterrorismus sprießt, haben Kohl, Süssmuth, Geißler & Co. natürlich nicht geahnt und gewollt…“. Doch nun dränge in das „geistig-moralisch-religiöse Vakuum, das die 68er vorfanden und vergrößerten (…) der Islam mit seinem Anspruch, alles erklären und mit aller Gewalt verändern zu können (…).“
 
Auf der Suche nach „Verbündeten“

Die notwendigen Konsequenzen gegen den uns drohenden „Islamterrorismus“ hat er den JF-Lesern bereits am 22. Juni 2007 unter dem Titel „Von deutschem Selbsthaß“ klar gemacht: „Im Innern geht es darum, den Vormarsch des politischen Islam zu stoppen, die Islamisten auszuweisen, die Ghettos aufzulösen und den Primat der europäischen Werte, der deutschen Sprache und der deutschen Kultur in allen Stadtvierteln, Schulen und Universitäten wiederherzustellen.“ Deshalb sei es notwendig, „Verbündete zu suchen, eine handlungsfähige Koalition zu schmieden. Dabei ist es immer vorrangig, das nationale Selbstbewußtsein zu stärken und die patriotischen Kräfte zu organisieren“.

Linke „Gutmenschen“ hingegen „dulden“, so Stolz, „daß der politische Islam sich auf deutschem Boden entfalten kann und über vorwärtsrollende Kinderwagen, Missionserfolge (nicht nur unter frisch verhüllten deutschen Ehefrauen), Feigheit der Nicht-Muslime und Verrat der professionellen Islam-Versteher langfristig die Macht zu erobern droht“. Und diese „Gutmenschen“ hielten sich selbst in „dumm-bösartige(r) Selbstüberhebung“ auch noch für „Internationalisten“ und „für antifaschistisch und glaubt(en) sich selbst die fromme Legende, man hätte, wenn man nur damals gelebt hätte, reihenweise Juden gerettet und Nazis besiegt. Da einem dies aber leider leider nicht vergönnt war, muß man eben nachträglich den Faschismus begreifen und besiegen (und) dem Volk aufbürden, unerbetene und oft illegale "Gäste" in großer Zahl durchzufüttern“.


„Nazijäger-Nazis“ demonstrieren gegen „pro Köln“ | NRhZ-Archiv

Tatsächlich aber „finden sich“ so Stolz in der JF am 2. November 2007, unter diesen „Gutmenschen“ auch „Leute, die den von Kurt Schumacher beschriebenen Typus des im antifaschistischen Tarnanzug auftretenden "rotlackierten Nazis" um neue Varianten in Rosa und Grün erweitern. Für die Nazijäger-Nazis (also zum Beispiel für die, die sich am vergangenen Wochenende wieder einmal der „pro Köln“-Kundgebung auf dem Platz der geplanten Moschee entgegenstellen mussten, PK) sind alle Andersdenkenden selbstverständlich Enkel Adolfs und Teil einer neofaschistischen Weltverschwörung, die nicht mit dem Mittel demokratischer Auseinandersetzung, sondern per Kammerjäger-Arsenal zu bekämpfen ist.“

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In Stolz’ “Pantheon“ neben Ernst
Thälmann: Nazi-Märtyrer Schlageter        
Quelle: www.ica-d.de
Dass auch Antifaschistinnen, die damals seinem „Adolf“ Widerstand leisteten und dafür ermordet wurden, nicht allein des Gedenkens wert sind, teilt er den JF-Lesern am 28. Dezember 2007 mit. Auch wenn es nicht falsch gewesen sei, Sophie Scholl in der Walhalla bei Regensburg ein Denkmal zu setzen, würde „Unser Pantheon“, so Stolzens Überschrift zu dieser Kolumne in der „Jungen Freiheit“, anders aussehen. Dort sollte dann schon neben Karl Marx auch Ernst Jünger stehen (der sich wegen seiner Wehrmachtsvergangenheit in der Nazizeit geweigert hatte, den Entnazifizierungsfragebogen der Briten auszufüllen, PK). Neben ein Denkmal für Ernst Thälmann gehöre eins für Albert Leo Schlageter (den Naziaktivisten, der während der Ruhrgebietsbesetzung an Sabotageakten gegen die französischen Besatzungstruppen beteiligt war, deshalb im Mai 1923 hingerichtet und dafür von der NSDAP als Märtyrer geehrt wurde, PK). Und sollte in Stolzens „Pantheon“ einst Rosa Luxemburg aufgestellt werden, so sähe er an ihrer Seite am liebsten Carl Schmitt (der laut dem in die USA emigrierten jüdischen Politikwissenschaftler Waldemar Gurian als „geistiger Quartiermacher“ des Nationalsozialismus und „Kronjurist des Dritten Reiches“ in die Geschichte eingegangen ist, PK).

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Republikaner-Chef Rolf Schlierer
Quelle: www.rolfschlierer.de
Auch diese Kolumne von Rolf Stolz ist offenbar genau so ernst gemeint wie die über die „Gastarbeiter“, deren Nachkommen uns nun als Terroristen bedrohen, und die über die Antifas, die eigentlich „rotlackierte Nazis“ sind. Aber vielleicht wollen ihm ja seine FürsprecherInnen in den VS-Vorständen trotz allem weiter glauben, dass er ein „unabhängiger Linksdemokrat“ ist, wie er angesichts der Unruhe unter den VS-Mitgliedern am 21. November 2008 unter der Überschrift „In der Gletscherspalte festgeklemmt“ behauptet. Anlass für diese JF-Kolumne bot ihm übrigens „Das Parteijubiläum der Republikaner“, das für ihn „kein Anlaß zur Schadenfreude“ war. Denn, so seine Begründung: „Das Land und seine Verfaßtheit wären jedenfalls besser dran, wenn von Herbert Gruhl und Baldur Springmann bis Rolf Schlierer die demokratische Rechte der achtziger und neunziger Jahre besser (nämlich substantieller, klüger und stärker) gewesen wäre.“ Dass Springmann erst NSDAP-Mitglied und dann NPD-Förderer war und Schlierer seit 1994 Bundesvorsitzender der Republikaner ist, sei hier vorsichtshalber hinzugefügt. (PK)

Online-Flyer Nr. 177  vom 15.12.2008



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