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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Fotogalerien
Die Dokumentation: Fragen und Antworten Teil 3
„68er Köpfe“
Von der Arbeiterfotografie und Christian Heinrici

Bis vor zwei Wochen war sie noch in der Alten Feuerwache in Köln zu sehen, die Ausstellung der Arbeiterfotografie „68er Köpfe“: Menschen die sich vor vierzig Jahren an Schulen, Unis oder in den Betrieben politisiert haben und die nicht aufgehört haben zu kämpfen. In großformatigen Portraits zeigte die Ausstellung Vertreter der Generation in ihrem heutigen Aktionsfeld: Im dritten Teil unserer Dokumentation zeigen wir Menschen der Wissenschaft und der Aktion.

Mit ihrer Ausstellung legt die Arbeiterfotografie ein eindrucksvolles Dokument der Rebellion vor – damals wie heute. In dem hier veröffentlichten Fragenkatalog geben die Portraitierten Auskunft über ihre Motivationen, Aktivitäten, Ereignisse, die sie besonders geprägt haben, Ziele, Wirkung und Rezeption der 68er Jahre. Denn allen dieses Jahr von vielen Mainstream-Medien hervorgequakten Unkenrufen zum Trotz, diese Generation hat etwas vorzuweisen: Einen wichtigen Schritt zu mehr Emanzipation, Demokratisierung, Offenheit und Transparenz auf breiter gesellschaftlicher Ebene.

68er Köpfe eine ausstellung der arbeiterfotografie
Hängung der dokumentierten Portraits in der Ausstellungshalle der Alten Feuerwache in Köln | Foto: Arbeiterfotografie

„68er Köpfe“ hat ohne Zweifel zeitdokumentarischen Wert, doch die Fragen und die Antworten der Exponenten weisen in die Gegenwart und in die Zukunft, die es noch zu gestalten gilt. Die Ausstellung mit Fotografien von Anneliese Fikentscher, Senne Glanschneider, Hans-Dieter Hey, Andreas Neumann, Karin Richert und Gabriele Senft, hat auch der Kinder- und Enkelgeneration etwas zu sagen und wird hoffentlich noch in anderen Zusammenhängen zu sehen sein.

Die NRhZ zeigt in den kommenden Ausgaben weitere Fotografien aus „68er Köpfe“ und in diesem dritten Teil einige Antworten auf den Fragenkatalog der Fotografen. Lesen Sie dazu auch die Biographien der Portraitierten in Fotogalerie aus der NRhZ 167.


Maria Mies:
„Unter dem Pflaster, da liegt das Land“

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Maria Mies | Foto: Anneliese Fikentscher

1. Was war damals (um 1968) persönlicher Auslöser, dein Umfeld und deine Hauptaktivität?

1968 kam ich aus Indien zurück, nach fünf Jahren Arbeit am Goethe-Institut. Ich begann ein Zweitstudium in Soziologie in Köln und geriet sofort in die Studentenbewegung.

2. Was ist für dich ein für die 68er-Zeit besonders typisches persönliches Erlebnis?

Persönlich wurde ich vor allem durch das von Dorothee Sölle und anderen gegründete „Politische Nachtgebet“ inspiriert. Zum ersten Mal fanden politische Diskussionen zu Vietnam und anderen brennenden Fragen in einer Kirche statt. Mit anderen Freunden und Freundinnen führte ich dort Nachtgebete zum Teufelskreis Entwicklungshilfe, zur Frauenemanzipation und zu anderen Themen durch.

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Maria Mies mit einer Publikation über die verstorbene Mitstreiterin Dorothee Sölle (Politisches Nachtgebet) | Foto: Anneliese Fikentscher

3. Was war damals das Wichtigste, das es deiner Meinung nach zu erreichen galt?

Am wichtigsten fand ich damals, wie heute, den Kampf gegen den immer noch herrschenden Kolonialismus, das Patriarchat und das Kapital.

4. Was hat die 68er-Bewegung tatsächlich erreicht?

Die 68er Bewegung hat durch ihre Aktionen und Diskussionen tatsächlich diese kapitalistischen Verhältnisse „zum Tanzen gebracht“. Viele der Veränderungen von damals wirken bis heute.

5. Welches sind wesentliche Ziele, bei denen du ein Scheitern der 68er-Bewegung siehst? Und wie kam es dazu?

Das Scheitern dieser Bewegung sehe ich vor allem darin, dass viele nur Gleichberechtigung im herrschenden System anstrebten, nicht die Abschaffung dieses Systems. Sie unterschätzten die Macht des Kapitals.

6. Womit ist damals versucht worden, die 68er-Bewegung zu Fall zu bringen?

Der Radikalenerlass spielte bei der Anpassung an das System eine entscheidende Rolle. Die Radikalen wurden bestraft und die Braveren wurden durch Aufstiegschancen belohnt. Dieser Prozess wurde vor allem nach der Parteigründung der Grünen gefördert.

7. Womit wird heute im nachhinein versucht, die Auswirkungen der 68er-Bewegung kaputt zu machen?

Heute wird die 68er-Bewegung vor allem dadurch zerstört, dass sie zu einem rein kommerziellen Medienspektakel gemacht wird. Dabei spielt aber auch die Nostalgie mancher 68er eine Rolle.

8. Wo und wie siehst du für heute die Notwendigkeit einer ähnlichen Bewegung wie 1968? Was möchtest du der heute jungen Generation vermitteln?

Ich habe Zweifel, dass eine Bewegung wie die von 1968 heute wieder möglich ist. Eine neue politische Bewegung ist zwar absolut notwendig; sie dürfte sich aber nicht nur auf die Jungen beschränken. Die Situation ist heute anders als damals. Heute kann es nicht mehr nur um Gleichberechtigung aller Entrechteten gehen, sondern um die Erhaltung unseres Planeten. Dazu müsste eine neue Bewegung den Lebensstil in den reichen Ländern grundsätzlich in Frage stellen und nach einer wirklichen Alternative zu diesem System suchen. Ob Junge und Alte dazu bereit sind?

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Etwa 10.000 Jahre alte Muttergottheit aus Harappa im Indus-Tal (repräsentiert den Zusammenhang) | Foto: Anneliese Fikentscher

9. Was gibt es sonst noch, was dir wichtig ist, zum Ausdruck zu bringen?

Diese andere, bessere Welt hat meines Erachtens aber schon begonnen. Sie kommt nicht mit großem Getöse und einem Big Bang, sondern durch oft unscheinbare Ansätze, die andere Verhältnisse zwischen Menschen und zur Natur zu schaffen. Ich nenne das die Subsistenzperspektive.


Klaus Schmidt:
„Der Kampf geht weiter – global“

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Klaus Schmidt | Foto: Andreas Neumann

1. Was war damals (um 1968) persönlicher Auslöser, dein Umfeld und deine Hauptaktivität?

Erster Impuls 1961/62 war das Geschichtsstudium in den USA und das Antirassismus-Training unter Martin Luther King mit nachfolgender Buch-Publikation. 1968 begann meine Mitarbeit im Kölner „Politischen Nachtgebet“ (mit Dorothee Sölle, Maria Mies und anderen) und im „Republikanischen Club“ (1970 Vorsitzender). 1970-78 war ich Studentenpfarrer im Kontext der globalen Studentenbewegung („Trikont“).

2. Was ist für dich ein für die 68er-Zeit besonders typisches persönliches Erlebnis?

Die Freundschaft mit dem aus Nikaragua gekommenen studentischen Sandinisten Enrique Schmidt, der nach dem Sturz der Somoza-Diktatur Kommunikationsminister wurde und von „Contras“ erschossen wurde.

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Publikation über den ermordeten Enrique Schmidt, mit dem Klaus Schmidt befreundet war | Foto: Andreas Neumann

3. Was war damals das Wichtigste, das es deiner Meinung nach zu erreichen galt?

Basisdemokratie und demokratischer Sozialismus auf der Basis „permanenter Kritik alles Bestehenden“ (Marx), solidarische Aufklärung über die trikontinentalen Befreiungsbewegungen.

4. Was hat die 68er-Bewegung tatsächlich erreicht?

Befreiung von vielen kleinbürgerlich-reaktionären Tabus und Gesetzen; für viele Leute ein verändertes, kritischeres Bewusstsein; Anstiftung und Verstärkung sozialer, ökologischer und friedenspolitischer Bewegungen; problematische Märsche durch die Institutionen.

5. Welches sind wesentliche Ziele, bei denen du ein Scheitern der 68er-Bewegung siehst? Und wie kam es dazu?

„Studentenbewegung und globale Revolte“ (Norbert Frei) sind als zu optimistisch, teilweise geschichtsblind erhofftes Erfolgsmodell weitgehend gescheitert – aufgrund (US-)imperialistischer Übermacht und eigener Fehlentwicklungen (vom Joschka-Gehabe bis zu Mugabe, SU, China).

6. Womit ist damals versucht worden, die 68er-Bewegung zu Fall zu bringen?

Mit systematischen Schreck- und Feindbildern (zum Beispiel in der BILD-Zeitung) und entsprechender monomanischer Reduktion auf RAF und sexuelle Promiskuität, mit Verlockungen zu „demokratischer Mitarbeit“, die meist im etablierten Parteien- und BRD-Machtapparat endete.

7. Womit wird heute im nachhinein versucht, die Auswirkungen der 68er-Bewegung kaputt zu machen?

Durch kalkulierte Durchsetzung neoliberaler, mit dem Etikett „sozial notwendige Reformen“ propagierter Politik; mit Geschichtsfälschungen a là Götz Aly, der die 68er in die Nähe der NS-„Jugendbewegung“ und Dutschke in die Nähe von Goebbels rückte.

8. Wo und wie siehst du für heute die Notwendigkeit einer ähnlichen Bewegung wie 1968? Was möchtest du der heute jungen Generation vermitteln?

Die globale Notwendigkeit manifestiert sich in zunehmenden ökologischen/sozialen (weniger in Anti-Kriegs-) Protestbewegungen, gegen Hartz IV, Neonazis (wie „pro Köln“) und andere. Der jungen Generation vermittle ich Demo-Präsenz und in meinen Büchern Befreiungserfahrungen von 1848 bis 1968.

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Geschenk für Studentenpfarrer Klaus Schmidt: ein trojanisches Pferd, mit dem er in die Evangelische Studentengemeinde ESG eindringt
Foto: Andreas Neumann

9. Was gibt es sonst noch, was dir wichtig ist, zum Ausdruck zu bringen?

Selbstkritische, gelassene Identifizierung mit dem Besten, was Studentenbewegung und globale Revolte hervorgebracht haben und Kommunikation des damals entstandenen „Wärmestroms“ (Ernst Bloch). Trotz notwendiger Skepsis: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.



Ellen Diederich:
„Wir werden die Welt verändern“

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Ellen Diederich | Foto: Anneliese Fikentscher

1. Was war damals (um 1968) persönlicher Auslöser, dein Umfeld und deine Hauptaktivität?

Ich war 68 Hausfrau und Mutter, politisch in der Friedensbewegung, den Ostermärschen und der Bewegung gegen die Notstandsgesetze engagiert. Am intensivsten hat mich die antiautoritäre Erziehung bewegt. '68 habe ich den ersten antiautoritären Kinderladen im Ruhrgebiet initiiert.

2. Was ist für dich ein für die 68er-Zeit besonders typisches persönliches Erlebnis?

Die endlosen Diskussionen über alle Themen im Republikanischen Club in Dortmund, vom Antiimperialismus bis zur Sexualität; es gab keine Tabus. Aktionen zu machen, ohne sich endlos absprechen zu müssen, sie einfach tun. Die Auflösung nahezu aller Ehen unter der Maxime: Keine Besitzansprüche an die PartnerIn zu stellen und daran zu scheitern. Gefühle hinken Jahrhunderte hinter Einsichten her.

3. Was war damals das Wichtigste, das es deiner Meinung nach zu erreichen galt?

'68, das war das Lebensgefühl: Wir werden die Welt verändern! Es gab keinen Zweifel. Wir fühlten uns eingebettet in weltweite Umwälzungsprozesse, verbunden mit den Befreiungsbewegungen in der „2.-3. Welt“, von Kuba bis Vietnam. Wir verfolgten die Kämpfe der AfroamerikanerInnen in den USA, die Arbeitskämpfe in Europa. Aber auch Woodstock, neue Formen der Musik, der Kleidung, Wohngemeinschaften, entkrampfte Umgangsformen bestimmten das Lebensgefühl.

4. Was hat die 68er-Bewegung tatsächlich erreicht?

'68 hat die Kindererziehung in Deutschland nachhaltig verändert, das Bewusstsein über die eigene Sexualität, die Frauenbefreiung ein großes Stück weiter gebracht. Internationale Zusammenhänge wurden deutlich, der Kapitalismus und die herrschenden Systeme grundlegend in Frage gestellt, die faschistische Geschichte Deutschlands wurde aufgearbeitet.

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie
Ellen Diederich im IFFA (Internationales Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen) in Oberhausen | Foto: Anneliese Fikentscher

5. Welches sind wesentliche Ziele, bei denen du ein Scheitern der 68er-Bewegung siehst? Und wie kam es dazu?

Unsere Hoffnung, Hunger, Krieg, Kinderelend abzuschaffen, haben sich nicht erfüllt.

6. Womit ist damals versucht worden, die 68er-Bewegung zu Fall zu bringen?

Bodenlose Diskriminierung der Bewegung durch die Massenmedien, Gewaltanwendung gegen die Protagonisten der Bewegung in den Aktionen durch die Polizei oder das Attentat auf Rudi Dutschke, Kriminalisierung von Protestformen. Allein in Berlin gab es über 7.000 Strafverfahren nach den Aktionen.

7. Womit wird heute im nachhinein versucht, die Auswirkungen der 68er-Bewegung kaputt zu machen?

Das hat Oskar Negt in seinem Buch '68 gut beantwortet: „Zornig bin ich, weil ich in der intellektuellen Landschaft der deutschen Gesellschaft, die sich wieder in ihren normalen geschichtlichen Rhythmen bewegt, immer mehr öffentliche Auftritte von Personen wahrnehme, die sich selbst als 68er bezeichnen, um mit glaubwürdiger Geste alles abwerten zu können, wofür sie sich einst haben schlagen lassen. Das lässt einen Schluss zu: Der Opportunismus ist die eigentliche Geisteskrankheit der Intellektuellen.“

8. Wo und wie siehst du für heute die Notwendigkeit einer ähnlichen Bewegung wie 1968? Was möchtest du der heute jungen Generation vermitteln?

In der „Bewegung gegen die Globalisierung der Konzerne“, dem „Volk von Seattle!“ – Es ist eine Bewegung, die sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken, genmanipulierte Nahrung und genmanipuliertes Saatgut, das Abholzen der Urwälder, Krieg, das Verschleudern von Ressourcen in die unsinnige Rüstung, die verschärfte Ausbeutung von Frauen und vieles mehr richtet. Es ist eine Bewegung, die sich für Nahrungssicherheit, Regionalisierung der Nahrungsproduktion, Frieden und Gerechtigkeit einsetzt. Die junge Generation fordere ich auf, hier mitzumachen.

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie Rudi Dutschke Fikentscher
Tagebuch von 2008 – Umschlag mit Bild von Rudi Dutschke
Foto: Anneliese Fikentscher

9. Was gibt es sonst noch, was dir wichtig ist, zum Ausdruck zu bringen?

Erich Frieds Dank an Rudi Dutschke: „Was ich von dir gelernt habe... Daß Freiheit Güte und Liebe sein muß und daß Güte und Liebe; Freiheit sein müssen – und wirkliche Güte und Liebe; Nicht nur ein Begriff von Güte und Liebe; Denn sonst bleibt auch die Freiheit nur ein Begriff...“



Norman Paech:
„1968: Die Entrümpelung der Republik“

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie Norman Paech Gabi Senft
Norman Paech | Foto: Gabriele Senft

1. Was war damals (um 1968) persönlicher Auslöser, dein Umfeld und deine Hauptaktivität?

Immer noch auf der Suche nach einem sinnvollen Beruf – Zusatzstudium am Institut für Entwicklungspolitik in Berlin – Reise nach Afghanistan – Mitglied im Republikanischen Club und Lektüre der Anti-Vietnamkriegsartikel von Noam Chomsky und Kenneth Tynan.

2. Was ist für dich ein für die 68er-Zeit besonders typisches persönliches Erlebnis?

Das Attentat auf Rudi Dutschke, von dem ich auf dem jüdischen Friedhof in Prag erfuhr. Im Mai Fahrt nach Paris, als die Studentenunruhen begannen, die Barrikaden auf dem Boulevard St. Michel brannten und die Debatten den Saal des Odeon am Jardin du Luxembourg füllten.

Bundestag "68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie Norman Paech Gabi Senft
Norman Paech in seinem Bundestagsbüro | Foto: Gabriele Senft

3. Was war damals das Wichtigste, das es deiner Meinung nach zu erreichen galt?

Die Vertreibung der US-Army aus Vietnam – die Entkolonisierung der europäischen Geschichte und die Umkrempelung der Hierarchien und Autoritäten im eigenen Land. Stopp der Restauration, wofür der Ruf „Enteignet Springer“ der allgemeinste und präziseste gemeinsame Nenner war.

4. Was hat die 68er-Bewegung tatsächlich erreicht?

Die Wiederbelebung der vergessenen Aufklärung, die dem Marxismus den notwendigen Platz in der Diskussion um die Zukunft der Gesellschaft einräumte und den Blick hinter die Lügen der Lehrer und die Leugnung ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit freigab.

5. Welches sind wesentliche Ziele, bei denen du ein Scheitern der 68er-Bewegung siehst? Und wie kam es dazu?

Die „Sehnsucht nach einem anderen Zustand der Welt“ (Jean Genet), in der die Solidarität der Völker die Kriege der Staaten und die Utopie des Sozialismus das Gemetzel des Kapitalismus ablöst. Sie musste an der Gewalt der alten Gesellschaft scheitern.

6. Womit ist damals versucht worden, die 68er-Bewegung zu Fall zu bringen?

Mit der Pressefreiheit, die die Freiheit der reichsten und mächtigsten Leute in der Republik war und immer noch ist – und mit der Gewalt der Berufsverbote, die den pathologischen Antikommunismus gegen die demokratische Bewegung ins Feld führte. Es gab noch mehr.

7. Womit wird heute im nachhinein versucht, die Auswirkungen der 68er-Bewegung kaputt zu machen?

Mit dem Feuilleton, welches die Bewegung zum Life-Stile-Event umschreibt – nicht ohne aktive Unterstützung etlicher Kämpfer, die sich die Turnschuhe anzogen, um schneller auf die andere Seite zu kommen.

"68er Köpfe" eine Ausstellung der Arbeiterfotografie Norman Paech Heiner-Müller Gabi Senft
Norman Paech vor einem Heiner-Müller-Plakat | Foto: Gabriele Senft

8. Wo und wie siehst du für heute die Notwendigkeit einer ähnlichen Bewegung wie 1968? Was möchtest du der heute jungen Generation vermitteln?

Keine Botschaft – ich wollte nie Missionar oder Lehrer werden. Es genügt, über dem Reichtum der Vorgärten und dem Glanz der Fassaden nicht das Elend der Müllhalden und die Zerstörung der Schlachtfelder zu vergessen.

9. Was gibt es sonst noch, was dir wichtig ist, zum Ausdruck zu bringen?


Widerstand und kritisches Denken sind der Schlüssel zur Emanzipation.



„68er Köpfe“
Portraits mit Statements zur 68er Bewegung
Ausstellung der Arbeiterfotografie Köln
Hier zu allen Bildern und Dokumenten der Ausstellung


Online-Flyer Nr. 170  vom 29.10.2008



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