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Wirtschaft und Umwelt
Plünderungen durch Renditejäger am Beispiel ProSiebenSAT1
Heuschreckenplage
Von Franz Kersjes
Fast 6.000 Unternehmen in Deutschland werden inzwischen von den Renditejägern in Fondsgesellschaftendirigiert, darunter Permira, KKR (Kohlberg Kravis Roberts) und Apax, Blackstone und Texas Pacific. Etwa eine Million Arbeitsplätze hängen von solchen Beteiligungsgesellschaften ab. Zahlreiche große Unternehmen sind bereits in ihre Fänge geraten: Der Nähmaschinenhersteller Pfaff, die Modellbahnbauer von Märklin, der Brillenproduzent Rodenstock, die Werkstattkette ATU, die Autobahnrestaurants Tank & Rast, Neckermann, Hugo Boss, Wehmeyer, Hertie, usw, usw. Fast jede Woche werden neue Übernahmen oder Beteiligungen durch Private-Equity-Unternehmen gemeldet.
„Buy it, strip it, flip it“
Die Investoren verfolgen vor allem drei Ziele: Rendite, Rendite, Rendite. Erstrebt wird eine Verzinsung des Kapitals von mindestens 25 Prozent. Ihr
Credo lautet: „Buy it, strip it, flip it“. Kauf es, zieh es aus, wirf es weg! Die
Beteiligungsgesellschaften sind mit ihren räuberischen Methoden auf
schnelle Gewinnmaximierung aus. Sie kaufen Unternehmen und versuchen
kurzfristig deren Wert zu steigern. Das hat oft massiven Arbeitsplatzabbau
und wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zur
Folge.
Die Geschäftsmethoden bei der Übernahme von Unternehmen sind fast immer gleich: Zunächst gründen die Käufer eine neue Gesellschaft. Diese
nimmt einen Kredit auf und erwirbt damit das Unternehmen. Anschließend
werden beide Gesellschaften miteinander verschmolzen. Die Kreditschulden
liegen dann beim aufgekauften Unternehmen, das nun die Zinsen bedient
und somit seinen Kaufpreis selber bezahlt. Allerdings müssen die neuen „Investoren“ einen gewissen Teil des Kaufpreises selbst aufbringen, um den Verkäufer zu bezahlen. Das aufgekaufte Unternehmen hat in der Folge den „Investoren“ auch diesen Teil des Kaufpreises zu erstatten. Die Gewinne werden dann hochgetrieben durch Personalabbau und Rationalisierung, durch den Verkauf defizitärer Bereiche und durch Sparprogramme. Ausgeschlachtet wird das Opfer meist durch das Abräumen des Firmenvermögens, durch Zerschlagung des Unternehmens und den Verkauf lukrativer Unternehmensteile, durch den Stopp von Investitionen und durch teure
Beraterverträge der Investoren. Nach der Sanierung wird das Unternehmen
mit oft riesigen Gewinnen verkauft oder an die Börse gebracht.
Vorteilsnahme und Selbstbedienung
Wie man ein gesundes Unternehmen in kurzer Zeit ausbeutet und in existenzielle Schwierigkeiten bringt zeigt der Fall von Deutschlands größtem
kommerziellen Fernsehanbieter, der ProSiebenSat1 Media AG. Der Fernsehsender ProSieben wurde 1989 von Leo Kirch gegründet und ging 1997 an die Börse. Der Konzern bestand damals nur aus den Sendern ProSieben und Kabel Eins und erlöste 644 Millionen Euro am Aktienmarkt. Nach der Kirch-Pleite wurde die Gruppe mit SAT1 fusioniert. Im August 2003
kaufte der Milliardär und Medienmogul Haim Saban, der sowohl israelischer
wie US-Staatsbürger ist, die Gruppe für 525 Millionen Euro.
Er sanierte den Konzern und verkaufte ihn Ende 2006 für 3,1 Milliarden Euro.
Diesen Betrag zahlten die Private-Equity-Unternehmen KKR und Permira für einen 50 Prozent-Anteil an der Münchner TV-Gruppe mit ihren Sendern
ProSieben, SAT1, Kabel Eins, N24 und Neunlive. Im Dezember 2007 erhöhten sie ihr Aktienpaket für knapp 510 Millionen auf rund 63 Prozent.
Transaktion auf Pump
Die Katastrophe begann, als die beiden Beteiligungsgesellschaften die TVGruppe zwangen, die niederländisch-skandinavische Sendergruppe SBS
dem eigenen Großaktionär Permira für 3,3 Milliarden Euro abzukaufen. Das benötigte Geld für die Fusion besaß die deutsche Sendergruppe aber nicht.
So ging die Transaktion vollständig auf Pump über die Bühne. Die Schulden
lasten nun schwer auf dem Konzern. Seitdem ist der Börsenwert der
TV-Gruppe um 80 Prozent gesunken. Allein die Zinszahlungen kosten 240
Millionen Euro im Jahr. Trotzdem ließen sich die Investoren Permira und KKR im Frühjahr 2008 eine Dividende von 270 Millionen Euro ausschütten – dreimal so viel wie der Nettogewinn.
Proteste von Betriebsräten
Die Betriebsräte der ProSiebenSAT1 Media AG haben sich in einem offenen
Brief an Vorstand und Aufsichtsrat des Medienkonzerns gewandt. Darin kritisieren sie in scharfer Form das dem Unternehmen schadende
Finanzgebaren der Gesellschafter und deren Sparmaßnahmen. Hinter dem
geplanten Abbau von rund 155 Stellen in München und Berlin verberge sich ein „Erosionsprozess“ innerhalb der Senderfamilie. Verantwortlich dafür sei die Unternehmensstrategie der Finanzinvestoren. In dem Brief an die Konzernleitung heißt es unter anderem: „Das Geschäftsgebaren der Finanzinvestoren schadet der ProSiebenSAT1 Group, sowohl den Kleinaktionären als auch den Mitarbeitern. (…) Überschuldung des Unternehmens, überhöhte Dividendenausschüttungen, Aktienrückkäufe und Kosteneinsparungen sind nicht im Interesse des Konzerns und seiner Mitarbeiter.“ Die Betriebsräte rechnen vor: „Die Nettofinanzverschuldung betrug zum 1. März 2008 über 3,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2006 lag sie gerade mal bei 122 Millionen Euro.“

ProSiebenSAT1 – Stellenabbau zugunsten der Investoren
Quelle: NRhZ-Archiv
Unterstützt durch die Bundesregierung
Die künstlich geschaffenen Schulden sind steuerlich abzugsfähig. Und die
ehemalige rot-grüne Bundesregierung befreite die Renditejäger von der Steuer bei Unternehmensverkäufen. In unserem Grundgesetz heißt es zwar: Eigentum verpflichtet! Aber die Raubzüge der Beteiligungsbranche scheinen die verantwortlichen Politiker in Berlin nicht zu interessieren. In der Antwort der schwarz-roten Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion heißt es vielmehr: Die Private-Equity-Branche übernehme „eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion bei der Vermittlung von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage“. Von der Politik haben die Renditejäger demnach wohl nichts zu befürchten. Und das ist auch kein Wunder: Städte und Gemeinden,
Länder und Bund brauchen selbst frisches Geld. Mit der Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge bieten sich für Kapitalsammelstellen zunehmend Gelegenheiten, ihre Raubzüge auszudehnen – zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger. Durch die Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen sind in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre mindestens 600.000 Arbeitsplätze vernichtet worden.
Für die privatisierten Betriebe gibt es in der Regel keine langfristige Strategie.
Sie sind nur der Transmissionsriemen für die Profitversprechen der
Beteiligungsgesellschaften an die Kapitalanleger. Der kurzfristige Erfolg ist der alleinige Maßstab der Kapitalräuber. Das verantwortungslose Gesindel in Politik und Kapital macht damit jede Zukunftsperspektive unmöglich. (PK)
Online-Flyer Nr. 166 vom 01.10.2008
Plünderungen durch Renditejäger am Beispiel ProSiebenSAT1
Heuschreckenplage
Von Franz Kersjes
Fast 6.000 Unternehmen in Deutschland werden inzwischen von den Renditejägern in Fondsgesellschaftendirigiert, darunter Permira, KKR (Kohlberg Kravis Roberts) und Apax, Blackstone und Texas Pacific. Etwa eine Million Arbeitsplätze hängen von solchen Beteiligungsgesellschaften ab. Zahlreiche große Unternehmen sind bereits in ihre Fänge geraten: Der Nähmaschinenhersteller Pfaff, die Modellbahnbauer von Märklin, der Brillenproduzent Rodenstock, die Werkstattkette ATU, die Autobahnrestaurants Tank & Rast, Neckermann, Hugo Boss, Wehmeyer, Hertie, usw, usw. Fast jede Woche werden neue Übernahmen oder Beteiligungen durch Private-Equity-Unternehmen gemeldet.
„Buy it, strip it, flip it“
Die Investoren verfolgen vor allem drei Ziele: Rendite, Rendite, Rendite. Erstrebt wird eine Verzinsung des Kapitals von mindestens 25 Prozent. Ihr
Credo lautet: „Buy it, strip it, flip it“. Kauf es, zieh es aus, wirf es weg! Die
Beteiligungsgesellschaften sind mit ihren räuberischen Methoden auf
schnelle Gewinnmaximierung aus. Sie kaufen Unternehmen und versuchen
kurzfristig deren Wert zu steigern. Das hat oft massiven Arbeitsplatzabbau
und wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zur
Folge.
Die Geschäftsmethoden bei der Übernahme von Unternehmen sind fast immer gleich: Zunächst gründen die Käufer eine neue Gesellschaft. Diese
nimmt einen Kredit auf und erwirbt damit das Unternehmen. Anschließend
werden beide Gesellschaften miteinander verschmolzen. Die Kreditschulden
liegen dann beim aufgekauften Unternehmen, das nun die Zinsen bedient
und somit seinen Kaufpreis selber bezahlt. Allerdings müssen die neuen „Investoren“ einen gewissen Teil des Kaufpreises selbst aufbringen, um den Verkäufer zu bezahlen. Das aufgekaufte Unternehmen hat in der Folge den „Investoren“ auch diesen Teil des Kaufpreises zu erstatten. Die Gewinne werden dann hochgetrieben durch Personalabbau und Rationalisierung, durch den Verkauf defizitärer Bereiche und durch Sparprogramme. Ausgeschlachtet wird das Opfer meist durch das Abräumen des Firmenvermögens, durch Zerschlagung des Unternehmens und den Verkauf lukrativer Unternehmensteile, durch den Stopp von Investitionen und durch teure
Beraterverträge der Investoren. Nach der Sanierung wird das Unternehmen
mit oft riesigen Gewinnen verkauft oder an die Börse gebracht.
Vorteilsnahme und Selbstbedienung
Wie man ein gesundes Unternehmen in kurzer Zeit ausbeutet und in existenzielle Schwierigkeiten bringt zeigt der Fall von Deutschlands größtem
kommerziellen Fernsehanbieter, der ProSiebenSat1 Media AG. Der Fernsehsender ProSieben wurde 1989 von Leo Kirch gegründet und ging 1997 an die Börse. Der Konzern bestand damals nur aus den Sendern ProSieben und Kabel Eins und erlöste 644 Millionen Euro am Aktienmarkt. Nach der Kirch-Pleite wurde die Gruppe mit SAT1 fusioniert. Im August 2003
kaufte der Milliardär und Medienmogul Haim Saban, der sowohl israelischer
wie US-Staatsbürger ist, die Gruppe für 525 Millionen Euro.
Er sanierte den Konzern und verkaufte ihn Ende 2006 für 3,1 Milliarden Euro.
Diesen Betrag zahlten die Private-Equity-Unternehmen KKR und Permira für einen 50 Prozent-Anteil an der Münchner TV-Gruppe mit ihren Sendern
ProSieben, SAT1, Kabel Eins, N24 und Neunlive. Im Dezember 2007 erhöhten sie ihr Aktienpaket für knapp 510 Millionen auf rund 63 Prozent.
Transaktion auf Pump
Die Katastrophe begann, als die beiden Beteiligungsgesellschaften die TVGruppe zwangen, die niederländisch-skandinavische Sendergruppe SBS
dem eigenen Großaktionär Permira für 3,3 Milliarden Euro abzukaufen. Das benötigte Geld für die Fusion besaß die deutsche Sendergruppe aber nicht.
So ging die Transaktion vollständig auf Pump über die Bühne. Die Schulden
lasten nun schwer auf dem Konzern. Seitdem ist der Börsenwert der
TV-Gruppe um 80 Prozent gesunken. Allein die Zinszahlungen kosten 240
Millionen Euro im Jahr. Trotzdem ließen sich die Investoren Permira und KKR im Frühjahr 2008 eine Dividende von 270 Millionen Euro ausschütten – dreimal so viel wie der Nettogewinn.
Proteste von Betriebsräten
Die Betriebsräte der ProSiebenSAT1 Media AG haben sich in einem offenen
Brief an Vorstand und Aufsichtsrat des Medienkonzerns gewandt. Darin kritisieren sie in scharfer Form das dem Unternehmen schadende
Finanzgebaren der Gesellschafter und deren Sparmaßnahmen. Hinter dem
geplanten Abbau von rund 155 Stellen in München und Berlin verberge sich ein „Erosionsprozess“ innerhalb der Senderfamilie. Verantwortlich dafür sei die Unternehmensstrategie der Finanzinvestoren. In dem Brief an die Konzernleitung heißt es unter anderem: „Das Geschäftsgebaren der Finanzinvestoren schadet der ProSiebenSAT1 Group, sowohl den Kleinaktionären als auch den Mitarbeitern. (…) Überschuldung des Unternehmens, überhöhte Dividendenausschüttungen, Aktienrückkäufe und Kosteneinsparungen sind nicht im Interesse des Konzerns und seiner Mitarbeiter.“ Die Betriebsräte rechnen vor: „Die Nettofinanzverschuldung betrug zum 1. März 2008 über 3,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2006 lag sie gerade mal bei 122 Millionen Euro.“

ProSiebenSAT1 – Stellenabbau zugunsten der Investoren
Quelle: NRhZ-Archiv
Unterstützt durch die Bundesregierung
Die künstlich geschaffenen Schulden sind steuerlich abzugsfähig. Und die
ehemalige rot-grüne Bundesregierung befreite die Renditejäger von der Steuer bei Unternehmensverkäufen. In unserem Grundgesetz heißt es zwar: Eigentum verpflichtet! Aber die Raubzüge der Beteiligungsbranche scheinen die verantwortlichen Politiker in Berlin nicht zu interessieren. In der Antwort der schwarz-roten Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion heißt es vielmehr: Die Private-Equity-Branche übernehme „eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion bei der Vermittlung von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage“. Von der Politik haben die Renditejäger demnach wohl nichts zu befürchten. Und das ist auch kein Wunder: Städte und Gemeinden,
Länder und Bund brauchen selbst frisches Geld. Mit der Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge bieten sich für Kapitalsammelstellen zunehmend Gelegenheiten, ihre Raubzüge auszudehnen – zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger. Durch die Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen sind in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre mindestens 600.000 Arbeitsplätze vernichtet worden.
Für die privatisierten Betriebe gibt es in der Regel keine langfristige Strategie.
Sie sind nur der Transmissionsriemen für die Profitversprechen der
Beteiligungsgesellschaften an die Kapitalanleger. Der kurzfristige Erfolg ist der alleinige Maßstab der Kapitalräuber. Das verantwortungslose Gesindel in Politik und Kapital macht damit jede Zukunftsperspektive unmöglich. (PK)
Online-Flyer Nr. 166 vom 01.10.2008