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Aktuelles
DGB warnt vor Beratungsnotstand bei Erwerbslosen
Menschen zweiter Klasse
Von Hans-Dieter Hey

Mit großer Sorge sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund der bevorstehenden Schließung der Beratungszentren für Erwerbslose in Nordrhein-Westfalen durch die Rüttgers-Regierung entgegen. Betroffen sind rund 150 Beratungsstellen – für die Betroffenen oftmals die einzige und unverzichtbare Hilfe. Die Jobs der meist hochqualifizierten BeraterInnen stehen dabei ebenfalls auf dem Spiel. Und dass die Beratung der ARGEn ausreichend ist, hat sich inzwischen längst als Trugschluss erwiesen.

Für Guntram Schneider, Vorsitzender des DGB in NRW, sind Arbeitslosenzentren und Beratungsstellen ein wichtiger Anlaufpunkt für Menschen, die wegen Erwerbslosigkeit in materielle und soziale Not geraten sind und Hilfe benötigen. Er wies darauf hin, dass allein im letzten Jahr in NRW 15.000 Klagen wegen zu geringer ALG-II-Leistungen geführt wurden. Ständig kommen zudem Klagen Betroffener über „vergessene“ Auszahlungen oder ausgefallene Computer hinzu. Wegen der mittelmäßigen Arbeitsweise der ARGEn gewinnen die Kläger mehr als 50 Prozent der Klagen. Bundesweit stiegen sie vor den Sozialgerichten im Jahre 2008 um 36 Prozent. Wohl deswegen wurden durch die schwarz-rote Bundesregierung die Hürden für den Zugang zu den Sozialgerichten kürzlich deutlich höher gelegt. Für Erwerbslose eine Degradierung zu Menschen zweiter Klasse.


Unterschriften gegen Schließung der Beratungszentren vor dem Kölner Dom
Fotos: arbeiterfotografie.com

Dass Erwerbslose von den Arbeitsagenturen und Job-Centern richtig beraten werden, hat sich inzwischen längst als falsch erwiesen. Das Erwerbslosenforum Deutschland geht davon aus, das zwischen 70 und 80 Prozent der öffentlichen Bescheide fehlerhaft sind. Die ARGEn seien, so der DGB, nämlich keineswegs unfehlbar. Steuerberater wären ja auch nicht arbeitslos, weil es Finanzämter gibt. Vernichtende Kritik gab es Anfang des Jahres auch vom Bundesrechnungshof, der beispielsweise die völlig ausufernde und willkürliche Vergabe von 1-Euro-Jobs ohne nennenswerten Arbeitsmarkterfolg kritisiert hatte. Die Prüfer: „Bei zwei Dritteln der geprüften Maßnahmen war mindestens eine Fördervoraussetzung nicht erfüllt.“


Sozialpolitik nach Rüttgers Art:
Sparen bei den Armen statt Streichen
bei den Reichen
Die letzte Prüfung der Job-Center war im Jahre 2006. Doch „Seither hat sich nichts gebessert“, so eine Sprecherin des Bundesrechnungshofes – für Erwerbslose ist es eine verheerende Bilanz. Teilweise müssten Erwerbslose monatelang auf Beratungsgespräche warten. Am schlimmsten sind Langzeiterwerbslose dran. Für sie stellen die Ämter die Beratung nach einem Jahr einfach wieder ein.

Sanktionen gegen die miserable Arbeitsweise der Job-Center sind nicht vorgesehen. Dagegen sind Arbeitsagenturen in der Verhängung existenzbedrohender Sanktionen selbst sehr schnell. Nach Angabe der Bundesagentur wurde seit letztem Jahr die Anzahl der verhängten Sanktionen um 60 Prozent gesteigert, im November 2007 bei 114.300 Hartz-IV-Empfänger die Leistungen sogar teilweise mehrfach gekürzt. Ein Jahr zuvor waren es noch 87.500 Menschen, die durch Sanktionen meist in Existenznot getrieben wurden.

Viele dieser Zwangsmaßnahme mussten die Arbeitsagenturen nach Klagen wieder zurücknehmen. Auch in all diesen Notfällen waren die Beratungsstellen stets für die Betroffenen hilfreiche Unterstützung und seelische Betreuung, da die Beratung in den Beratungszentren sehr niedrigschwellig – also mit psychosozialem Beistand – ist, die ARGEn überhaupt nicht anbieten. Doch offensichtlich passt diese Unterstützung Herrn Rüttgers nicht ins Sparkonzept.

Die Begründung der CDU-geführten Landesregierung zur Einstellung der Arbeitslosenzentren seien die knappen Kassen. Allerdings – so der DGB – hat Landeschef Rüttgers nicht gezögert, erhebliche Summen zur Rettung der WestLB locker zu machen. Guntram Schneider: „Das Land hat einen Schutzschirm von fünf Milliarden Euro zur Rettung der WestLB aufgewandt. Mit einem Promille davon könnte die Landesregierung die Arbeitslosenzentren aufrechterhalten. Hier hat Ministerpräsident Rüttgers die Chance, seinen medienwirksamen Sorgen um die sozial Schwachen endlich Taten folgen zu lassen.“ (HDH)



Online-Flyer Nr. 160  vom 20.08.2008



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