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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Nach AKW-„Pannen“ wollen Tricastin-Winzer Namen ändern
Nein zu Atommüll-Endlagerung
Von Uwe Karsten Petersen

„Wenn in unserem Dorf Atommüll gelagert wird, dann bist du nicht mehr mein Vater". - Bei dem Vater handelt es sich um den Bürgermeister des im Herzen der ostfranzösischen Region Champagne gelegenen Dorfes Reynel. Nicht nur diese Warnung seines Sohnes veranlasste Gilles Desnouveaux zum entschlossenen Nein zum Vorhaben der Behörden, in Reynel Atommüll aufzubewahren. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch vier „Pannen“ in französischen AKWs während der vergangenen vier Wochen.

Champagne-Winzer - alle sagen Nein zum Atommüll
Champagne-Winzer -
alle sagen Nein zum Atommüll
Foto: E. Tresmontant/ViaMichelin
Der Untergrund des 180 Einwohner zählenden Dorfes Reynel wäre für die risikofreie Lagerung von Atommüll geeignet, behauptet die "Nationale Agentur für die Verwaltung von Atommüll" (Andra). Sie hat von den über 36 000 Kommunen des Landes genau 3.115 als mögliche Lagerorte für Atommüll ausgewählt. Von denen haben aber angeblich kaum mehr als zehn Gemeinden ihr Interesse bekundet. Der Rest lehnte das Ansinnen von Andra trotz zugesicherter finanzieller Zuschüsse und Arbeitsplätze ab. Wie Reynel will man nicht als "nationaler atomarer Abfalleimer" dienen.

In der Champagne erfolgte das Nein auch mit Blickrichtung auf den Champagner, den weltberühmten "König der Weine". Dort scheut man das Risiko wegen einer möglichen "Panne" - wie die jüngsten beiden im AKW Tricastin des EDF-Konzerns innerhalb von zwei Wochen - Kunden zu verlieren. In Tricastin wollen die Winzer
Zwei „Pannen“ in einem Monat – AKW Tricastin
Zwei „Pannen“ in einem Monat – AKW Tricastin
Quelle: www.industcards.com
sogar den Namen für ihr Weinanbaugebiet Coteaux du Tricastin an der Rhone ändern, weil die Nachfrage schon nach dem ersten zunächst heruntergespielten Unfall empfindlich abgenommen hat. Der bisher nicht nachgewiesene Verdacht, dass ihre Rebensäfte durch verseuchtes Grundwasser vergiftet worden sein könnten, würde eine folgenschwere abschreckende Wirkung ausüben, klagen die betroffenen Winzer.
 
Müll aus 58 AKWs
 
Atommüll produziert Frankreich schon seit 1949. Der stammt nicht nur aus den 58 Atomkraftwerken. Die Bereiche Verteidigung, Medizin und Industrie tragen ebenfalls zur Anhäufung des Atommülls bei. Bis 2020 könnte er von derzeit einer auf über zwei Millionen Kubikmeter anwachsen, heißt es in Fachkreisen. Die Dauer der Reduzierung der Radioaktivität auf den Nullpunkt hängt von der Art des Atommülls ab. Sie beträgt zwischen 30 und 200.000 und vielleicht noch sehr viel mehr Jahren, betonen Fachleute. Die Endlagerung des Atommülls ist nach wie vor ungeklärt. In den Anfangsjahren des französischen Atomzeitalters wurde der atomare Abfall dem Atlantik anvertraut. Der erste französische "atomare Mülleimer" wurde 1969 in La Hague am Ärmelkanal eingerichtet. Der Atommüll der Streitkräfte wird in Cherbourg auf einem militärischen Gelände aufbewahrt. Die meisten vorläufigen atomaren Müllberge befinden sich in Ost- und Südfrankreich.
 
Mit seinen Atomkraftwerken deckt Frankreich zurzeit 70 bis 80 Prozent des nationalen Strombedarfes ab. So wird die Abhängigkeit von ausländischen Erdgas- und Öllieferanten vermindert, und der überschüssige Atomstrom wird verkauft. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat kürzlich den Bau eines zweiten Atomkraftwerkes der dritten Generation angekündigt. Bei seinen Auslandsreisen wirbt er stets für die französischen Atomkraftwerke. Besorgt fragt sich die "Atomlobby" nun allerdings, ob und wie sich die vorgenannten "Pannen" auf die Verkaufszahlen für Atomkraftwerke auswirken werden. (PK)

Online-Flyer Nr. 157  vom 30.07.2008



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