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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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„Sie sagen ja jetzt...“
Die Mutter hat man nun mal da sitzen
Von Ulla Lessmann

„Ehret die Mutter“, hieß es in Deutschland 1922, als sich die Blumenhändler für einen nationalen Muttertag einsetzten und Anna Marie Jarvis, Pazifistin und Initiatorin des Tages, längst wieder für die Abschaffung desselben kämpfte – erfolglos. 1933 von den Nazis zum Feiertag erhoben, eignete sich der Anlass hervorragend, eine Gebärmaschinerie in Gang zu setzen. Danach kam die „Mutterproblematik“ und noch später das Genschaf Dolly auch ganz ohne Mutter zur Welt. Was Ulla Lessmann dazu sagt, lesen Sie selbst – die Redaktion.

erster muttertag "ehret die mutter"
So fing alles an...
Illustration zum Muttertag                        
Manche haben Mütter, da kann man sich nur wundern, was dann trotzdem aus denen geworden ist. Da können die so alt sein wie sie wollen, die Töchter meine ich, also die haben ihre Mutterproblematik am Hals, lebenslang. Ich hatte ja auch eine Mutter, aber die mochte ich ganz gerne und sie mich auch und mir ist das richtig unangenehm, dass ich keine Mutterproblematik habe, weil man die nämlich jetzt hat und man fühlt sich richtig ausgeschlossen.

Die von meiner Freundin, die hat ihr schon als junges Mädchen immer gesagt, aus dir wird nie was und Du kriegst auch so starke Hüften wie ich und so ist es dann auch gekommen in dem Sinne, dass meine Freundin Sachbearbeiterin geworden ist, wogegen im Prinzip wenig zu sagen ist, aber wenn ihre Mutter ihr nicht immer gesagt hätte, dass aus ihr nichts wird, wäre sie vielleicht was Besseres geworden und das mit den Hüften stimmt auch, aber da konnte ja schließlich die Mutter nichts dafür.

Du musst das nun endlich mal aufarbeiten, diese Mutterproblematik, habe ich ihr gesagt, wo Du nun bald 70 wirst, denn das brachten sie neulich in dieser einen Sendung, dass man das jetzt macht, die Mutterproblematik aufarbeiten, weil das unwahrscheinlich verbreitet sein soll und eine Tendenz ist. Aber kümmern tut sie sich trotzdem, meine Freundin und das ist was, worüber ich mich doch wundern muss: Irgendwie kümmern tun die sich alle trotz ihrer Mutterproblematik und die Mütter?
Die erkennen das noch nicht mal an, dass ihre Töchter dauernd anrufen und kommen. Und hinterher geht es ihnen wirklich mies, weil sie dann ja wieder gemerkt haben, dass sie ihre Mutter nicht die Bohne leiden können und die immer noch so rum nörgelt und nichts anerkennt, obwohl sie es doch selber schuld ist, dass es wenig anzuerkennen gibt.

wickelraum Foto: Stihl024 pixelio.de
...oder fängt SO alles an?!                                    
Foto: Stihl024 | pixelio.de
Merkwürdigerweise haben meine Freundinnen alle keine Vaterproblematik, vielleicht, weil die Väter meist schon gestorben sind und dann hat sich das irgendwie erledigt und die Mütter werden alle uralt und dann werfen die Töchter ihnen bis ins Altersheim hinterher, dass sie zur Konfirmation 1949 dieses grauenhafte Kleid von Tante Lisa tragen mussten und das hat sie fürs Leben so geschädigt, dass sie nur Sachbearbeiterin werden konnten.

Ich bin auch dafür, dass man alles aufarbeitet, wie das heute heißt, aber es muss doch auch mal gut sein mit den alten Geschichten und dass meine Cousine ihrer Mutter immer noch nicht verzeihen kann, dass sie als Kind diesen blöden Pottschnitt tragen mußte, finde ich übertrieben. Und überhaupt, wenn man alles aufgearbeitet hat, was macht man dann damit? Die Mutter hat man nun mal da sitzen. (CH)

Online-Flyer Nr. 146  vom 14.05.2008



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