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Aktueller Online-Flyer vom 30. April 2024  

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Lokales
Rat der Stadt Köln entscheidet für den Godorfer Hafenausbau
Proteste gingen an CDU/SPD vorbei
Fred Schierlinge

Der Rat der Stadt Köln hat in seiner Sitzung am 30. August mit Mehrheit für den Ausbau des Godorfer Hafens gestimmt. Gegen die vehement vorgetragene Kritik der Ausbaugegner im Rat setzten SPD und CDU das umstrittene Projekt auf die Schiene. Vor der Ratssitzung demonstrierten mehrere hundert BürgerInnen für den Erhalt des Naturschutzgebietes Sürther Aue und gegen die teuren Erweiterungspläne.
Bereits eine Stunde vor Beginn der Ratssitzung am Donnerstag war der Rathausplatz gut gefüllt. BürgerInnen vor allem aus den betroffenen Stadtteilen im Kölner Süden hatten sich eingefunden, um ihre Ablehnung gegen die Erweiterung des Hafens kundzutun. Mit Reden, Plakaten, Trillerpfeifen und Musik protestierten sie - in der Hoffnung, die Mehrheit des Stadtrates zum Umdenken bewegen zu können. Hauptkritik der Demonstranten: Die Zerstörung des Naturschutzgebietes Sürther Aue, Mehrbelastung durch Verkehr für die Anwohner sowie ein weiteres Großprojekt der Stadt, dass nach ihren Vorhersagen „in einem finanziellem Desaster“ enden könnte.


Heftiger Bürgerprotest vor dem Kölner Rathaus

60 Millionen sind kein Pappenstiel

Das wirtschaftliche Desaster für die Stadt liege „in der Verschwendung von Steuergeldern“, da kostengünstigere Alternativen noch nie ernsthaft geprüft worden seien. Und niemand könne garantieren, dass nicht „noch mehr Kosten auf die Kölner Bürger zukommen“. Darin ist sich die Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen einig, unter deren Namen die Vereine pro Sürth, Bürgervereinigung Rodenkirchen, Dorfgemeinschaft Weiß, Bürgerinitiative Hochwasser Altgemeinde Rodenkirchen, Goding, Immendorf 2000, der NABU, der BUND sowie das Umweltforum Kölner Süden zusammengeschlossen haben.

Kurz vor Beginn der Ratssitzung bilden die Demonstranten ein Spalier zwischen dem historischen Rathaus und dem spanischen Bau, durch das ein Teil der Volksvertreter hindurch muss. Den Hafenbefürwortern der SPD – sie können den Ratssaal von ihren Fraktionsräumen im spanischen Bau aus erreichen – ihnen bleibt die Volksnähe erspart. Die Grünen lassen sich – als erklärte Ausbaugegner - den Gang durch die Menge gefallen, genau wie die Linke und die FDP, deren Vertreter unter den Demonstranten zu sichten waren. Uneinheitlich die CDU. Verschiedene huschen hinter den Linien der Protestierenden vorbei, andere scheuen den Weg durch die Menge nicht. Dass Oberbürgermeister Fritz Schramma nicht auftaucht, quittiert die Menge mit „Feigling, Feigling“ Rufen.



OB Schramma entzog sich dem „Feigling, Feigling"

Geänderter Ablauf der Ratssitzung

Wie OB Schramma in den Ratssaal gelangte, blieb ungeklärt. Dass er die Tagesordnung auf den Kopf stellte und die Diskussion um die Hafenerweiterung vorzog, „weil das Interesse auf der Zuschauertribüne“ so groß sei, fiel auf. Vielleicht auch ein Zugeständnis an die Kölner Tageszeitungen aus dem Verlagshaus DuMont Schauberg, die ansonsten das Abstimmungsergebnis erst am Samstag in gedruckter Form an die Leser hätten bringen können…

Schlagabtausch – reine Routine

Die Debatte um die Hafenerweiterung konnte die reine Routine nicht überwinden. Winrich Granitzka, CDU, machte den Auftakt. Er beschwor angesichts der über Dekaden gelaufenen Diskussion, „aus der Vision Realität“ zu machen, und lobte die „deutlichen Beschäftigungseffekte“, derentwegen auch der DGB und die IHK den Ausbau gefordert hätten. Das Gegengutachten biete das eine oder andere Argument, die aber „nicht überzeugend seien“. Ausbaubefürworter und Mitglied des Aufsichtsrats der Häfen- und Gütergesellschaft (HGK), Johannes Waschek von der SPD behauptete, zum Ausbau des Godorfer Hafens gebe es „keine Alternative“, wenn Köln weiterhin zweitgrößter Binnenhafen in Deutschland bleiben wolle. Für die Grünen trat Sabine Müller ans Rednerpult und appellierte an die Ratsmitglieder, sich doch einmal klar zu machen, „ welche Auswirkungen das (der Ausbau) für die Menschen, Tiere und Pflanzen in der Sürther Aue hat“. Sie kündigte zudem für ihre Fraktion an, ein geplantes Bürgerbegehren unterstützen zu wollen. „Wer nur an Wachstum denkt, handelt unverantwortlich an den Nachkommen“, gab sie den wirtschaftlich argumentierenden Befürworten mit auf den Weg.

Märchen aus 1001 Nacht

Dietmar Repgen, FDP, beschrieb das Wirtschaftlichkeitsgutachten von Professor Baum als ein „Märchen aus 1001 Nacht“. Das Gutachten könne nicht seriös und unabhängig sein, wenn man wisse, dass die HGK der Auftraggeber sei. Die Linke befürwortete „generell eine Hafenerweiterung“ - allerdings nicht in Godorf, weil das ein schlechter Standort sei, so Jörg Detjen.

Vorgetragene Einwände der Kritiker, dass beispielsweise die Kostenvorteile der Binnenschifffahrt im Jahr 2006 gesunken wären, versuchte Rolf Bender, Vorstandsvorsitzender der HGK zu zerstreuen. „Das ist nur eine Momentaufnahme“, denn der Güterverkehr auf Wasserstrassen werde seiner Auffassung nach in den kommenden Jahren deutlich zulegen.


Ziviler Protest: Dem Rat den Weg versperrt

Kopf aus der Schlinge


Kurz vor der Abstimmung, die dann auf Antrag der Grünen geheim erfolgte, gab Karsten Möring von der CDU eine Erklärung für sich und die Ratsmitglieder Carola Blum, Karl Jürgen Klipper und Michael Paul ab. Die vier gehörten in der Ausbaufrage des Hafens zur „kritischen Masse“ innerhalb der CDU, und es war nicht absehbar, ob Fraktionschef Granitzka sie unter den Scheffel stellen könnte. Es ist ihm gelungen, auch wenn die vier durch Möring verlauten ließen, sie hätten „erhebliche Zweifel, dass die Wirtschaftlichkeit gegeben ist“. Dennoch würden sie dem Votum ihrer Fraktion folgen und zustimmen. Ein kurzes Aufbäumen vor dem Fraktionszwang und Gesichtswahrung bei der Klientel im Kölner Süden.


Folgt ein Desaster nach altem Muster?
Fotos: Hans-Dieter Hey, arbeiterfotografie.com


Die Auszählung der geheimen Abstimmung ergab 53 Ja- und 35 Nein-Stimmen, dabei hatten sich zwei CDU-Mitglieder krank gemeldet, und ein SPD-Mitglied hatte sich nicht beteiligt. Unter dem Strich ein klares Votum für den Hafenausbau. Nach Verkündung des Ergebnisses durch OB Schramma gab es einen zaghaften Ansatz zum Applaus seitens der SPD, der aber rasch erstarb. Danach füllte eine eigenartige Stille den Ratssaal. Vielleicht der Anflug einer ersten Ahnung, dass die über ihre Volksvertreter unzufriedenen BürgerInnen mit einem Bürgerbegehren diesen Beschluss wieder kippen könnten. (PK)

Weitere Informationen auf den Internetseiten der
Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen
Umweltforum Kölner Süden
Pro Sürth

Online-Flyer Nr. 110  vom 31.08.2007



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