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Medien
Kommentar zu Abmahnung und Klagedrohung aus Köln-Bocklemünd
GEZ gegen Meinungsfreiheit
Von Gerrit Wustmann

„GEZ-Gebühr“ ist ein geläufiger Begriff. Der Volksmund bezeichnet so die Euros, die bezahlt werden sollen, wenn man „Rundfunkempfangsgeräte bereithält“; und auch Google findet den Begriff rund 94.000mal allein im deutschen Web. Sogar auf der Website des ZDF, das über eben jene Gebühren finanziert wird, findet sich der Begriff, wie der Spiegel berichtet, 36mal. Das Onlineportal Akademie.de, das Onlineberatung für kleine Unternehmen bereitstellt, erhielt nun von der GEZ ein Abmahnungsschreiben und eine Klagedrohung, sollten dieser und andere Begriffe weiterhin verwendet werden.
Lieber Bürokratendeutsch

Stattdessen soll laut GEZ-Abmahnung ab sofort in reinstem Bürokratendeutsch „gesetzliche Rundfunkempfangsgebühr“ geschrieben werden. Auch der Begriff „Gebührenfahnder“ bzw. „GEZ-Fahnder“ dürfe keine Verwendung mehr finden, sondern stattdessen die von der Pressestelle der Gebühreneinzugszentrale mit Sitz in Köln-Bocklemünd festgelegte Fassung „Beauftragtendienst der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten oder Rundfunkgebührenbeauftragter“.


Briefkopf der „Gebühreneinzugszentrale" – selbst schuld an „Namensmissbrauch"? | Foto: Zeitfixer

„GEZ-Verweigerer“, in der Regel Menschen, die die gesetzlichen Regelungen zur Gebührenentrichtung kritisieren und daher die Zahlung boykottieren, sollen als „Schwarzseher“ genannt und somit begrifflich kriminalisiert werden. Und als letztes und vielleicht absurdestes Beispiel für mehr als 20 beanstandete Begriffe: So etwas wie eine „GEZ-Zwangsanmeldung“ gäbe es gar nicht, könne es gar nicht geben: „Begriff nicht existent, da bei einer gesetzlichen Gebührenpflicht keine Zwangsanmeldung möglich ist“, definiert die GEZ in ihrem Abmahnschreiben, das auf Akademie.de veröffentlicht wurde.

Für jeden Fall 5.100 Euro Bußgeld

Für den Fall, dass die Betreiber von Akademie.de sich weigern sollten, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, droht die GEZ mit einer Klage, bei der „erhebliche Kosten entstehen“ würden. Im Falle der Unterzeichnung soll jede weitere Verwendung der betreffenden Begriffe mit einem Bußgeld von 5.100 Euro belegt werden.

Interessant ist in diesem Kontext die Begründung, die die Gemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten via GEZ für ihre Aktion vorbringt: Die beanstandeten Begriffe würden dazu dienen, „ein negatives Image der GEZ hervorzurufen“. Nun ist es tatsächlich so, dass die Arbeitsweise der GEZ, sowie die Begründungen für den Einzug von Gebühren in der Bevölkerung auf heftige Kritik stoßen. Zahlreiche Onlineforen, beispielsweise www.gez-abschaffen.de befassen sich ausschließlich mit dem Thema, geben Ratschläge zum Umgang mit „GEZ-Fahndern“ (die im Onlinejargon aufgrund ihrer oft rabiaten Methoden „GEZtapo“ genannt und mit Drückerbanden verglichen werden) und monieren beispielsweise, dass neuerdings auch Handys und Computer als „neuartige Rundfunkempfangsgeräte“ gelten (Artikel auf „Telepolis“), obwohl das Onlineprogramm nicht zu den im ursprünglichen Rundfunkstaatsvertrag festgelegten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gehört.

Bild oben: www.gez-abschaffen.de

Angriff gegen Meinungsfreiheit

Bei all dem sind die erwähnten Begriffe durchaus ein Indikator dafür, wie Teile der Bevölkerung die Gebührenpraxis empfinden, und fallen somit in den Bereich der freien Meinungsäußerung. Dazu müsste dann wohl auch gehören, dass man Institutionen wie die GEZ negativ darstellen darf, wenn man sie als negativ besetzt empfindet. Die Abmahnung der GEZ zur eigenen Imagepflege dürfte damit gegen das Grundgesetz verstoßen. Man verweigert sich so der verständlichen Empörung von Bürgern, die für ihren defekten Videorecorder (der tatsächlich als Rundfunkempfangsgerät gilt) zahlen sollen, oder von Leuten, die zwar einen Fernseher besitzen (etwa um DVDs anzusehen), aber nicht fernsehen. Die GEZ argumentiert, dass man das nicht kontrollieren könne, und dass die betreffenden Personen „theoretisch“ die Möglichkeit hätten, das öffentlich-rechtliche Programm anzusehen. Die Gebühren fallen folglich nicht für tatsächliche, sondern für theoretische Verhältnisse an, was immer wieder zu Entrüstung führt.

Akademie.de wehrt sich

Dass Akademie.de bisher Hilfestellung bei der „GEZ-Abmeldung“ (ab jetzt: „gesetzlich vorgesehene Abmeldung der angemeldeten zum Empfang bereit gehaltenen Rundfunkgeräte“) gab, trug womöglich ebenfalls zur Motivation der „strafbewehrten Unterlassungserklärung“ bei. Die entsprechenden Seiten wurden inzwischen bei Akademie.de entfernt, und man hat vor, die Erklärung zu unterschreiben. Immerhin steht Akademie.de im Gegensatz zur GEZ kein Milliardenbudget für eine Prozessfinanzierung zur Verfügung.


Kein Knast, sondern GEZ-Hauptgebäude in Köln
Quelle: www.gez.de

Gleichzeitig wehrt Akademie.de sich aber, indem man nun die eigene Website zur „GEZ-freien Zone“ erklärt und die Abmahnung als „Zensur(…) umgangssprachlich geläufige[r] Wortbildungen zum Thema Rundfunkgebühren“ bezeichnet. Außerdem verweist man auf die Gefahr einer möglichen Abmahnungswelle durch die GEZ, die der Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen könnte: durch finanziellen und Arbeitsaufwand, der nötig würde, müssten die Begriffe nun überall entfernt beziehungsweise ausgebessert werden.

Die NRhZ wird über Reaktionen auf diese GEZ-Abmahnung und Klagedrohung weiter berichten. (PK)

Online-Flyer Nr. 110  vom 29.08.2007



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