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Literatur
Matt Groenings Kultserie „Die Simpsons“ im Kino
Eine amerikanische Familie
Von Gerrit Wustmann

Nach 400 Folgen auf der Mattscheibe hat Matt Groening seine gelbe Kultfamilie nun auf die Kinoleinwand gebracht. Anstatt der üblichen 23 Serienminuten haben Homer, Bart und Co. ganze 87 Minuten Zeit, ihre bissige Satire der amerikanischen Gesellschaft zum Besten zu geben. Um das kritische US-Kino ist es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gut bestellt. Schon deshalb ist „Simpsons: The Movie“ einer der intelligentesten und auch lustigsten Filme der letzten Jahre – und das obwohl einem das Lachen nicht selten im Hals stecken bleibt.


Alle Bilder: „Simpsons: The Movie“

Die Story: Bei einem Besuch in einer Fast-Food-Kette rettet Homer Simpson ein kleines Schwein vor dem Schlachten und nimmt es mit nach Hause. Seine Tochter Lisa macht sich dafür stark, dass kein Müll mehr im übelst verseuchten Springfield River abgeladen werden darf. Als sie während einer Bürgerkonferenz die drohende Umweltkatastrophe verdeutlichen will, nennt sie ihre Präsentation „Eine irritierende Wahrheit“ – ein bitterböser Seitenhieb auf Al Gores „Klimatainment“.

Die Katastrophe tritt natürlich trotzdem ein: Homer entsorgt den gesammelten Schweinekot im Fluss, und es kommt zum Kollaps, woraufhin die staatliche Umweltbehörde ganz Springfield unter einer gigantischen Glaskuppel isoliert. „Die Kuppel wurde von einer Firma gebaut, die mir gehört, aber das tut nichts zur Sache“, stellt, nachdem US-Präsident Arnold Schwarzenegger seinen Segen erteilt hatte, der Leiter der Behörde klar: „Wollen Sie das Papier nicht wenigstens lesen?“, hatte er vorher gefragt. Schwarzenegger: „Die hom’ mi g’wählt um zu lenken, nit um zu denken.“ Nicht der Präsident denkt – er ist nur eine Marionette – sondern seine diabolischen Einflüsterer, die er ungehindert walten lässt.


Springfield unter staatlicher Käseglocke
Alle Bilder:
„Simpsons: The Movie“

Als der Behördenleiter die ganze Stadt dem Erdboden gleichmachen will und ihm ein Mitarbeiter vorwirft, die Macht würde ihn langsam aber sicher irre machen, antwortet er, das sei ja der Sinn der Sache: „Ohne Macht irre zu sein ist sinnlos, da hört einem ja niemand zu.“ AKW-Betreiber Montgomery Burns treibt den tiefschwarzen Humor auf die Spitze, als die verzweifelten Stadtbewohner samt Bürgermeister und Polizeichef ihn bitten, ihnen etwas von seinem Strom abzugeben: „Endlich ist mal der reiche weiße Mann am Drücker!“

Mitten in dem absurden Theater steht die Familie Simpson, eine amerikanische Durchschnittsfamilie, die in ihrer eigenen Sphäre agiert. Die einzige, die von Anfang an gegen politische und wirtschaftliche Willkür ankämpft, ist die kleine Lisa. Als aber der wütende Mob versucht, Homer als Auslöser der Misere in die Finger zu kriegen und zu lynchen, stellt sich die Familie geschlossen hinter ihn, und zusammen fliehen sie nach Alaska. Dort angekommen erfahren sie aus dem Fernsehen von der geplanten Auslöschung Springfields und entscheiden sich, ihre Stadt zu retten – bis auf Homer, für den ausschließlich sein eigenes Wohl zählt, und der zum dickleibigen Antihelden wird, als seine Familie ihn in Alaska sitzen lässt.


Alle Bilder: „Simpsons: The Movie“

Natürlich reist er später hinterher, aber nicht ohne vorher ein Feuerwerk der Parodien auf diverse Disneyproduktionen losgelassen zu haben. Dass Bart, der mit schwarzem BH auf dem Kopf eine Micky-Maus-Parodie gibt, dann kommentiert: „Seht mal, ich bin das Maskottchen eines skrupellosen Konzerns“, wirkt allerdings nicht mehr so authentisch, wenn man im Abspann erfährt, dass der Film in Korea gezeichnet wurde – denn, wie die dortigen Künstler bezahlt werden und unter welchen Bedingungen sie arbeiten, ist ein Thema, das in einer der früheren Staffeln bereits sehr zynisch unter die Lupe genommen wurde. Zumal es unwahrscheinlich ist, dass Groening bei der Produktion unter Budget-Engpässen litt.

Diese moralische Unwägbarkeit ist aber auch wirklich das einzige, das den Genuss des Films schmälert. Die Spielfilmlänge fällt kaum ins Gewicht, denn die gefühlte Zeit ist weitaus kürzer. Auch die Bedenkenträger dürfen beruhigt sein: In diesem Film werden nicht, wie oft im Vorfeld befürchtet, zahlreiche alte Gags neu aufgewärmt. Die anderthalb Stunden von „Simpsons: The Movie“ sind kurzweiliges Kino, das nichts vermissen lässt. Der Film ist politische und gesellschaftliche Satire, so aktuell wie es nur geht – und das ist es ja, was über weite Strecken den Charme der Serie seit jeher ausmacht. Dieses Augenzwinkern, das dem Zuschauer sagt „Alles nur Spaß. Ach, wenn es wirklich so einfach wäre…

Eines darf noch verraten werden: Maggie, deren Stummheit ein Running Gag in vierhundert Fernsehfolgen ist, spricht – nur ein Wort, doch dieses eine Wort lässt hoffen. (CH)


Mehr Informationen zum Film und unterhaltsame Spiele auf www.simpsonsmovie.com

Online-Flyer Nr. 108  vom 15.08.2007



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