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Krieg und Frieden
Vor 70 Jahren von deutschen Piloten zerstört und von Picasso gemalt
Guernica
Von Anna Riedel

Vier Jahre Irak-Krieg. – Im Februar 2003 stimmte US-Außenminister Powell die Welt auf diesen Krieg ein. Im Sitzungssaal des Sicherheitsrats im UNO-Hauptgebäude in New York ließ er Satellitenaufnahmen zeigen, welche die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak des Saddam Hussein beweisen sollten. Für diese Bildvorführung wurde mit blauem Tuch ein Gemälde zugehängt, dessen Anblick nicht gut zur amerikanischen Kriegstreiberei gepasst hätte.

Pablo Picasso Picasso – Selbstbildnis von 1906
Foto:  Museum Prado


Das Bild in den enormen Ausmaßen von dreieinhalb auf fast acht Meter zeigt das Grauen und die Schrecken des Krieges: Pablo Picassos Guernica-Gemälde; es entstand als eines der berühmtesten Bilder des Meisters 1937. Im Juli des Vorjahres hatte Francisco Franco einen militärischen Aufstand gegen die legitim gewählte, republikanische Regierung in Spanien ausgelöst. Gestützt auf nationalistische, autoritäre, konservativ-katholische Kräfte putschte das Militär gegen die Volksfront-Regierung. Gewerkschafter zählten zu den entschiedensten Verteidigern der Republik. Sie forderten Waffen und erhielten sie, nachdem die Regierung anfangs gezögert hatte, diesen nicht verfassungskonformen Weg zu gehen.

Erbetene Hilfe von befreundeten Ländern, darunter Großbritannien und Frankreich, erhielt die spanische Regierung nicht. Die Sowjetunion verhielt sich widersprüchlich. Sie bekannte sich zur Nichteinmischung, lieferte jedoch Waffen und unterstützte die Bildung der Internationalen Brigaden zur Verteidigung der spanischen Republik. Den Putschisten aber wurde massive Hilfe von außen zuteil: Mussolini in Italien und Hitler in Deutschland unterstützten Franco und seine Aufständischen tatkräftig. Die Deutschen bildeten zu diesem Zweck die ‚Legion Condor’. Mit ihren Kampfflugzeugen trug die Legion wesentlich zum Sieg der Putschisten bei.

Guernica ist eine kleine Stadt im spanischen Baskenland. Im Bürgerkrieg galt sie als Frontstadt, da sie nicht weit entfernt von Bilbao liegt, der bedeutenden Industrie- und Hafenstadt, in der sich der Widerstand der baskischen republikanischen Truppen konzentrierte. Vor 70 Jahren - am 26. April 1937 – bombardierten Flugzeuge der deutschen ‚Legion Condor’ das Städtchen Guernica. Dies war in der Geschichte der Kriege das erste Mal, dass eine Stadt aus der Luft angegriffen und zerstört wurde. Unmittelbar danach vollendeten Francos Bodentruppen das Werk der Vernichtung. Innerhalb dreier Tage starben mehr als 1.600 Einwohner Guernicas.

Guernica
Guernica – Zur Einstimmung auf den Irak-Krieg zugehängt
Foto:NRhZ-Archiv


Pablo Picasso hatte 1936 von der republikanischen Regierung den Auftrag erhalten, ein Bild für den spanischen Pavillon der Weltausstellung zu malen, die 1937 in Paris stattfand. Nach der Zerstörung Guernicas verwarf er sein ursprüngliches Bildmotiv und malte Guernica. Das Werk weist weit über das Ereignis der Bombardierung der kleinen Stadt im Baskenland hinaus. In Kenntnis all der Vernichtung, die wenig später, im Zweiten Weltkrieg, erfolgte, möchte man annehmen, Picasso habe alles vorausgesehen: Coventry und Dresden, Warschau und Köln, Rotterdam und Berlin, Hiroshima und Nagasaki…

Tatsächlich aber hatte Pablo Picasso sein Guernica-Bild sehr schnell und unter dem Druck des 1937 aktuellen und schockierenden Ereignisses gemalt. Doch der Zweite Weltkrieg, der kurz nach Ende des Spanischen Bürgerkriegs begann, veränderte und erweiterte die Bedeutung des bald legendär gewordenen Monumentalwerks: Es gilt bis heute generell als Protest gegen die Barbarei moderner Kriege.

Das ungewöhnlich formatierte Bild, das zur Einstimmung auf den Irak-Krieg im Weltsicherheitsrat zugehängt wurde, ist übrigens nicht das Original: Picasso hatte sein Guernica-Gemälde einer zukünftigen spanischen Republik vermacht. Aber Diktator Franco und seine Nationalisten regierten Spanien nach gewonnenem Bürgerkrieg noch Jahrzehnte lang. Unterdessen hing Guernica im Museum of Modern Art in New York. Erst 1981 – nach Francos Tod und der Wiedererrichtung der Demokratie – wurde das Bild nach Spanien gebracht. Es ist nun im Museo Reina Sofia in Madrid zu sehen – und im UNO-Gebäude hängt nur eine Kopie.


Mehr über den Bürgerkrieg in Spanien erfahren Sie in unserem Fortsetzungsbuch „Ein Lied kehrt zurück“. Der Artikel von Anna Riedel erschien in Nummer 38 von www.weltderarbeit.de


Online-Flyer Nr. 92  vom 25.04.2007



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