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Lokales
Welche Forderungen wurden bislang in Köln erfüllt?
Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen, Teil 2
Von Regina Schwarz
Am 25. November begeht das Kölner Aktionsbündnis "Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen" zum fünften Mal den "Internationalen Aktionstag". Was hat das Bündnis seit seiner Gründung im August 2000 konkret für die Frauen und Mädchen in dieser Stadt erreicht? Unsere Autorin sprach darüber mit Ossi Helling, Mitbegründer des Bündnisses und Sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Stadtrat.
Bereits im Jahr 2000 wurde vom Aktionsbündnis ein Forderungskatalog mit sieben konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Situation für die von Gewalt betroffenen Frauen und zur Prävention von Männergewalt an Mädchen und Frauen beim Rat der Stadt Köln eingereicht. Im Jahr 2004 wurde der Forderungskatalog überarbeitet, um drei Punkte erweitert und erneut dem Rat vorgelegt. Neben öffentlichen Kampagnen, Postkartenaktionen und themenbezogenen Ausstellungen ist bei der Durchsetzung dieser konkreten Forderungen inzwischen einiges erreicht.
Stadt erfüllte eine Reihe von Forderungen
So forderte das Bündnis eine genauere Differenzierung der Kölner Kriminalstatistik in Bezug auf sexualisierte Gewalttaten an Frauen. Nachdem zuvor nur Vergewaltigungen berücksichtigt wurden, gehen jetzt alle Formen der sexualisierten Gewalt von sexueller Nötigung bis Frauenhandel in die Statistik ein. Auch in Bezug auf die finanzielle Absicherung von Einrichtungen zum Schutz und zur Beratung von Frauen und Mädchen mit Gewalterfahrungen konnten Erfolge verbucht werden. Im Gegensatz zu anderen Städten wurden in Köln Frauenberatungsstellen von finanziellen Kürzungen ausgenommen. So konnte im Amt für Gleichstellung die Fachstelle für Frauen in Gewaltsituationen erhalten bleiben. Sie koordiniert als Netzwerk- und Öffentlichkeitsstelle die Kooperation mit Fraueneinrichtungen, die mit betroffenen Frauen arbeiten und ist gleichzeitig ein wichtiges Sprachrohr für ihre Anliegen.
Dem Aktionsbündnis ist es auch mit zu verdanken, dass in Köln zwei Interventionsstellen, jeweils rechts- und linksrheinisch, erhalten blieben, an die sich Frauen nach akuten Vorfällen so genannter häuslicher Gewalt sowie Bedrohungssituationen rund um die Uhr wenden können. Verhindert wurde, dass den autonomen Frauenhäusern ihre Basisfinanzierung gestrichen wurde. Viele Frauenhäuser bundesweit kämpfen gegen die Finanzierung über Einzelfallbezüge, weil damit die Aufnahme von misshandelten Frauen im Frauenhaus von einer Kostenzusage und einem dementsprechenden Prüfungsverfahren abhängig gemacht wird. Misshandelte Frauen brauchen aber vor allem schnelle, unbürokratische und häufig auch anonyme Hilfe!
Teilerfolge bei der Jugendarbeit
Ein Teilerfolg wurde bei der Forderung nach präventiven Maßnahmen in der Arbeit mit Jugendlichen erzielt. Das Bündnis entwickelte eine Informationsbroschüre zur Gewalt an Mädchen und Frauen, die flächendeckend an Kölner Schulen verteilt wurde. Einige Schulen veranstalteten daraufhin Projektwochen zum Thema oder bearbeiteten es auf unterschiedliche Weise im Regelunterricht. Einigkeit herrscht darüber, dass dies noch nicht ausreicht, da die insgesamt zunehmende Gewalt an Schulen noch systematischere Arbeit erfordert.
Die Forderung nach präventiven Maßnahmen bei der Stadtplanung wurde bisher in einigen von Frauen benannten "Angsträumen" im öffentlichen Raum umgesetzt. Sie wurden von der Stadtverwaltung saniert. Zudem berücksichtigen inzwischen die Kölner Verkehrsbetriebe bei der zukünftigen Planung von Verkehrseinrichtungen die Gefahrensituation für Mädchen und Frauen besser als früher.
Durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich einer themenbezogenen Artikelserie in der Kölner Lokalpresse konnte eine stärkere Sensibilisierung der Bürger und Bürgerinnen erreicht werden. Durch die Mobilisierung engagierter Prominenter wurde das bislang ignorierte und zum Teil tabuisierte Thema in den öffentlichen Diskurs gebracht. Auch bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung ist mittlerweile in allen Referaten ein größeres Problembewusstsein vorhanden.
Wissenschaftliche Untersuchung ist notwendig
Nicht untersucht wurde bislang, warum Köln immer noch den Spitzenplatz in der bundesweiten Statistik zu sexualisierten Gewalttaten an Frauen hält. Eine ungeprüfte Theorie der Kölner Polizei besagt, dass die Frauen in Köln diese Taten viel selbstbewusster zur Anzeige bringen, als dies aufgrund von Schamgefühl und Angst vor Diskriminierung in anderen Städten geschehe. Angeblich behandle die Polizei in Köln betroffene Frauen in akuten Situationen auch sensibler als die in anderen Städten. Das sind allerdings nur Spekulationen. Bis zu einer wissenschaftlichen Untersuchung der Gründe für diesen unrühmlichen Spitzenplatz bleiben die Ursachen dafür ungeklärt.

Frau am Kreuz
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Bislang nicht thematisiert und auch nicht im Forderungskatalog berücksichtigt ist der Teil des Hip-Hop-Musik- und Videokultes, der sich durch Gewaltverherrlichung, Sexismus und Frauenverachtung auszeichnet. Dieser Kult wird auch bei Kölner Jugendlichen immer beliebter und bringt ihnen - gegenläufig zu allen Präventionsmaßnahmen - Gewalt und sexistisches Verhalten als neue Werte vorbildhaft nahe.
Frauen verachtende Wirtschaftsideologie
Nicht außer Acht lassen darf man, dass die damit verbreitete Frauen verachtende Ideologie sich in einem wirtschaftlichen System spiegelt, das strukturelle Gewalt gegenüber Frauen mit sich bringt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden hundertausende Frauenarbeitsplätze - zum Beispiel in der Bekleidungsindustrie - fast unwidersprochen von der Öffentlichkeit abgebaut. Arbeitslose Frauen werden durch Hartz IV wieder in ökonomische Abhängigkeit von ihren Männern gebracht. Für viele allein erziehende Frauen wurden Kindergartenplätze unbezahlbar. Zudem bringen zunehmender Sozialabbau und wirtschaftlicher Druck Frustrationen mit sich, die Männer häufig an Schwächeren abreagieren: an Frauen und Kindern.
Bleibt die Frage, wie ein Engagement gegen Männergewalt an Frauen dauerhaft wirken kann, wenn zugleich politische und ökonomische Weichenstellungen stattfinden, die die Situation von Frauen kontinuierlich verschlechtern? Es wäre sinnvoll, auch diese Aspekte durch das Aktionsbündnis gegen Männergewalt an Frauen in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Die drei Frauen, zu deren Erinnerung die weltweite Frauenbewegung den Aktionstag gegen Männergewalt an Frauen auf den 25.11. gelegt hat, wurden am 25.11.1960 ermordet, weil sie Widerstand leisteten gegen ein politisches System, das gewalttätig und menschenverachtend war. Die politische Dimension ihres Kampfes wird von vielen Frauen weltweit in Widerstandsbewegungen fortgesetzt.
Veranstaltung in der Antoniterkirche
Dass dieser Tag und das mit ihm verbundene Anliegen auch an Köln nicht spurlos vorüber geht, verdanken wir dem lokalen Bündnis zum 25.11., das in Köln schon einiges bewegt hat.
Die sich grundsätzlich verschlechternde ökonomische und soziale Situation der Frauen weltweit und in Köln und die zunehmende strukturelle Gewalt eines frauenausbeuterischen Wirtschaftssystems sollte jedoch neben den tagtäglich stattfindenden Gewaltverbrechen an Frauen nicht vergessen werden.
Im Gemeindesaal der Antoniterkirche eröffnet das Bündnis am 25.11. von 15.30 - 19.30 Uhr die Ausstellungskarawane "Mein Beitrag für Köln - eine Seite gegen Männergewalt an Mädchen und Frauen." Zur Ausstellungseröffnung sprechen Bürgermeisterin Angela Spizig und Pastorin Daniela Hammelsbeck (mit anschließender Diskussion). Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung von den "Magic Street Voices", die anlässlich der Gründung des Kölner Bündnisses ein Lied zum Thema geschrieben haben. Alle interessierten Bürger und Bürgerinnen sind eingeladen, sich am 25.11. mit eigenen Ideen zu beteiligen oder zur Veranstaltung. Männergewalt an Frauen geht schließlich alle an!
Externe Links:
Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen
Online-Flyer Nr. 18 vom 16.11.2005
Welche Forderungen wurden bislang in Köln erfüllt?
Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen, Teil 2
Von Regina Schwarz
Am 25. November begeht das Kölner Aktionsbündnis "Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen" zum fünften Mal den "Internationalen Aktionstag". Was hat das Bündnis seit seiner Gründung im August 2000 konkret für die Frauen und Mädchen in dieser Stadt erreicht? Unsere Autorin sprach darüber mit Ossi Helling, Mitbegründer des Bündnisses und Sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Stadtrat.
Bereits im Jahr 2000 wurde vom Aktionsbündnis ein Forderungskatalog mit sieben konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Situation für die von Gewalt betroffenen Frauen und zur Prävention von Männergewalt an Mädchen und Frauen beim Rat der Stadt Köln eingereicht. Im Jahr 2004 wurde der Forderungskatalog überarbeitet, um drei Punkte erweitert und erneut dem Rat vorgelegt. Neben öffentlichen Kampagnen, Postkartenaktionen und themenbezogenen Ausstellungen ist bei der Durchsetzung dieser konkreten Forderungen inzwischen einiges erreicht.
Stadt erfüllte eine Reihe von Forderungen
So forderte das Bündnis eine genauere Differenzierung der Kölner Kriminalstatistik in Bezug auf sexualisierte Gewalttaten an Frauen. Nachdem zuvor nur Vergewaltigungen berücksichtigt wurden, gehen jetzt alle Formen der sexualisierten Gewalt von sexueller Nötigung bis Frauenhandel in die Statistik ein. Auch in Bezug auf die finanzielle Absicherung von Einrichtungen zum Schutz und zur Beratung von Frauen und Mädchen mit Gewalterfahrungen konnten Erfolge verbucht werden. Im Gegensatz zu anderen Städten wurden in Köln Frauenberatungsstellen von finanziellen Kürzungen ausgenommen. So konnte im Amt für Gleichstellung die Fachstelle für Frauen in Gewaltsituationen erhalten bleiben. Sie koordiniert als Netzwerk- und Öffentlichkeitsstelle die Kooperation mit Fraueneinrichtungen, die mit betroffenen Frauen arbeiten und ist gleichzeitig ein wichtiges Sprachrohr für ihre Anliegen.
Dem Aktionsbündnis ist es auch mit zu verdanken, dass in Köln zwei Interventionsstellen, jeweils rechts- und linksrheinisch, erhalten blieben, an die sich Frauen nach akuten Vorfällen so genannter häuslicher Gewalt sowie Bedrohungssituationen rund um die Uhr wenden können. Verhindert wurde, dass den autonomen Frauenhäusern ihre Basisfinanzierung gestrichen wurde. Viele Frauenhäuser bundesweit kämpfen gegen die Finanzierung über Einzelfallbezüge, weil damit die Aufnahme von misshandelten Frauen im Frauenhaus von einer Kostenzusage und einem dementsprechenden Prüfungsverfahren abhängig gemacht wird. Misshandelte Frauen brauchen aber vor allem schnelle, unbürokratische und häufig auch anonyme Hilfe!
Teilerfolge bei der Jugendarbeit
Ein Teilerfolg wurde bei der Forderung nach präventiven Maßnahmen in der Arbeit mit Jugendlichen erzielt. Das Bündnis entwickelte eine Informationsbroschüre zur Gewalt an Mädchen und Frauen, die flächendeckend an Kölner Schulen verteilt wurde. Einige Schulen veranstalteten daraufhin Projektwochen zum Thema oder bearbeiteten es auf unterschiedliche Weise im Regelunterricht. Einigkeit herrscht darüber, dass dies noch nicht ausreicht, da die insgesamt zunehmende Gewalt an Schulen noch systematischere Arbeit erfordert.
Die Forderung nach präventiven Maßnahmen bei der Stadtplanung wurde bisher in einigen von Frauen benannten "Angsträumen" im öffentlichen Raum umgesetzt. Sie wurden von der Stadtverwaltung saniert. Zudem berücksichtigen inzwischen die Kölner Verkehrsbetriebe bei der zukünftigen Planung von Verkehrseinrichtungen die Gefahrensituation für Mädchen und Frauen besser als früher.
Durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich einer themenbezogenen Artikelserie in der Kölner Lokalpresse konnte eine stärkere Sensibilisierung der Bürger und Bürgerinnen erreicht werden. Durch die Mobilisierung engagierter Prominenter wurde das bislang ignorierte und zum Teil tabuisierte Thema in den öffentlichen Diskurs gebracht. Auch bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung ist mittlerweile in allen Referaten ein größeres Problembewusstsein vorhanden.
Wissenschaftliche Untersuchung ist notwendig
Nicht untersucht wurde bislang, warum Köln immer noch den Spitzenplatz in der bundesweiten Statistik zu sexualisierten Gewalttaten an Frauen hält. Eine ungeprüfte Theorie der Kölner Polizei besagt, dass die Frauen in Köln diese Taten viel selbstbewusster zur Anzeige bringen, als dies aufgrund von Schamgefühl und Angst vor Diskriminierung in anderen Städten geschehe. Angeblich behandle die Polizei in Köln betroffene Frauen in akuten Situationen auch sensibler als die in anderen Städten. Das sind allerdings nur Spekulationen. Bis zu einer wissenschaftlichen Untersuchung der Gründe für diesen unrühmlichen Spitzenplatz bleiben die Ursachen dafür ungeklärt.

Frau am Kreuz
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Bislang nicht thematisiert und auch nicht im Forderungskatalog berücksichtigt ist der Teil des Hip-Hop-Musik- und Videokultes, der sich durch Gewaltverherrlichung, Sexismus und Frauenverachtung auszeichnet. Dieser Kult wird auch bei Kölner Jugendlichen immer beliebter und bringt ihnen - gegenläufig zu allen Präventionsmaßnahmen - Gewalt und sexistisches Verhalten als neue Werte vorbildhaft nahe.
Frauen verachtende Wirtschaftsideologie
Nicht außer Acht lassen darf man, dass die damit verbreitete Frauen verachtende Ideologie sich in einem wirtschaftlichen System spiegelt, das strukturelle Gewalt gegenüber Frauen mit sich bringt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden hundertausende Frauenarbeitsplätze - zum Beispiel in der Bekleidungsindustrie - fast unwidersprochen von der Öffentlichkeit abgebaut. Arbeitslose Frauen werden durch Hartz IV wieder in ökonomische Abhängigkeit von ihren Männern gebracht. Für viele allein erziehende Frauen wurden Kindergartenplätze unbezahlbar. Zudem bringen zunehmender Sozialabbau und wirtschaftlicher Druck Frustrationen mit sich, die Männer häufig an Schwächeren abreagieren: an Frauen und Kindern.
Bleibt die Frage, wie ein Engagement gegen Männergewalt an Frauen dauerhaft wirken kann, wenn zugleich politische und ökonomische Weichenstellungen stattfinden, die die Situation von Frauen kontinuierlich verschlechtern? Es wäre sinnvoll, auch diese Aspekte durch das Aktionsbündnis gegen Männergewalt an Frauen in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Die drei Frauen, zu deren Erinnerung die weltweite Frauenbewegung den Aktionstag gegen Männergewalt an Frauen auf den 25.11. gelegt hat, wurden am 25.11.1960 ermordet, weil sie Widerstand leisteten gegen ein politisches System, das gewalttätig und menschenverachtend war. Die politische Dimension ihres Kampfes wird von vielen Frauen weltweit in Widerstandsbewegungen fortgesetzt.
Veranstaltung in der Antoniterkirche
Dass dieser Tag und das mit ihm verbundene Anliegen auch an Köln nicht spurlos vorüber geht, verdanken wir dem lokalen Bündnis zum 25.11., das in Köln schon einiges bewegt hat.
Die sich grundsätzlich verschlechternde ökonomische und soziale Situation der Frauen weltweit und in Köln und die zunehmende strukturelle Gewalt eines frauenausbeuterischen Wirtschaftssystems sollte jedoch neben den tagtäglich stattfindenden Gewaltverbrechen an Frauen nicht vergessen werden.
Im Gemeindesaal der Antoniterkirche eröffnet das Bündnis am 25.11. von 15.30 - 19.30 Uhr die Ausstellungskarawane "Mein Beitrag für Köln - eine Seite gegen Männergewalt an Mädchen und Frauen." Zur Ausstellungseröffnung sprechen Bürgermeisterin Angela Spizig und Pastorin Daniela Hammelsbeck (mit anschließender Diskussion). Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung von den "Magic Street Voices", die anlässlich der Gründung des Kölner Bündnisses ein Lied zum Thema geschrieben haben. Alle interessierten Bürger und Bürgerinnen sind eingeladen, sich am 25.11. mit eigenen Ideen zu beteiligen oder zur Veranstaltung. Männergewalt an Frauen geht schließlich alle an!
Externe Links:
Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen
Online-Flyer Nr. 18 vom 16.11.2005