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Aktueller Online-Flyer vom 13. Dezember 2025  

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Aktuelles
Ein Nachruf
Die NGfP trauert um Dr. Almuth Bruder-Bezzel
Von Vorstand der Neuen Gesellschaft für Psychologie

Mit tiefer Betroffenheit nehmen wir Abschied von Dr. Almuth Bruder-Bezzel, einer herausragenden Kollegin und Freundin, die die Individualpsychologie in Deutschland maßgeblich geprägt und bereichert hat. Ihr Tod hinterlässt eine schmerzliche Lücke in der Neuen Gesellschaft für Psychologie, die sie über viele Jahre inhaltlich und organisatorisch unterstützt hat und wo sie bis zuletzt als Mitglied des Vorstands den Kongress für das nächste Jahr vorbereitete.


Almuth Bruder-Bezzel mit Klaus-Jürgen Bruder, Woche der Demokratie, 1. August 2022 (Foto: arbeiterfotografie.com)

Almuth Bruder-Bezzel war nicht nur Psychoanalytikerin, Lehranalytikerin und Supervisorin von außergewöhnlichem Format – sie war eine Brückenbauerin zwischen Vergangenheit und Gegenwart der Individualpsychologie. Als Mitbegründerin des Alfred-Adler-Instituts Berlin im Januar 1992 schuf sie einen Ort, an dem Adlers humanistisches Erbe weiterleben und sich entfalten konnte. Ihre historischen Arbeiten, insbesondere ihre Standardwerke zur Geschichte der Individualpsychologie und zu Alfred Adlers Wiener Umfeld, haben uns die oft vergessenen oder verdrängten Wurzeln der Psychoanalyse neu erschlossen.  

Was Almuth Bruder-Bezzel als Kollegin besonders auszeichnete, war ihre Fähigkeit, psychoanalytisches Denken konsequent mit gesellschaftskritischer Reflexion zu verbinden. In der Tradition Alfred Adlers verstand sie psychisches Leiden nie losgelöst von gesellschaftlichen Machtverhältnissen, Geschlechterkonstruktionen und ökonomischen Zwängen. Dabei widersprach sie auch denjenigen, die gesellschaftliche Verhältnisse psychologisierten und affirmierten. Ihre Publikationen zu Macht und Herrschaft, zum Neoliberalismus und dessen Auswirkungen auf die Psyche sowie ihre Auseinandersetzung mit dem Prekariat zeugten von einem kritischen politischen Bewusstsein, das sie nie von ihrer therapeutischen und wissenschaftlichen Arbeit trennte.

Als Lehranalytikerin und Dozentin am Alfred-Adler-Institut prägte sie Generationen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Ihre Vermittlung der Individualpsychologie war geprägt von historischer Tiefe, theoretischer Klarheit und dem Mut, auch unbequeme Fragen zu stellen – etwa nach der Verstrickung von Psychologen in den Nationalsozialismus, nach der Anpassung an neoliberale Zwänge im heutigen Gesundheitssystem oder nach dem weit verbreiteten Gehorsam der organisierten Psychoanalyse während der Corona-Inszenierung und nach der Militarisierung der Gesellschaft.

Wer das Privileg hatte, sie kennenzulernen und von ihr zu lernen, erfuhr nicht nur fachliche Exzellenz, sondern auch eine Haltung: die Verpflichtung der Psychoanalyse gegenüber der Emanzipation des Individuums.

Almuth Bruder-Bezzels wissenschaftliches Werk – von ihrer Dissertation über Alfred Adler über ihre Arbeiten zu Jugendkultur, Objektbeziehungstheorie und Macht und bis zu ihren jüngsten Publikationen über Manipulation und Meinungsbildung – wird uns erhalten bleiben. Ebenso bleiben ihre Impulse, die Individualpsychologie als lebendige, gesellschaftskritische Kraft weiterzuentwickeln. Als Kollegin, Lehrerin und Freundin wird sie uns fehlen. Ihr Werk, ihr Mut, ihre Kreativität und ihre freundschaftliche Herzlichkeit werden uns weiter begleiten. Almuth Bruder-Bezzel ist am 23.11 2025 in Berlin gestorben.

Online-Flyer Nr. 855  vom 12.12.2025



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