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Aktueller Online-Flyer vom 15. Oktober 2025  

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Kommentar
Autoritätsgläubigkeit führt zur Autoritätshörigkeit
Politiker sind Menschen wie du und ich
Von Rudolf Hänsel

In den westlichen Demokratien werden alle paar Jahre Politiker in hohe Regierungsämter gewählt und von den Bürgern als respektable Autoritäten angesehen. Viele Erwachsene reagieren auf diese Politiker wie Kinder in Form eines magischen Autoritätsglaubens, kritiklos und umnebelt von positiven Gefühlen und Glücksverheißungen. Und das hat Folgen: Die Autoritätsgläubigkeit führt zur Autoritätshörigkeit, die in der Regel einen geistigen Gehorsam und eine Verstandeslähmung auslösen. Vollsinnige Erwachsene können dann nicht mehr selbständig denken und vernünftig urteilen. Sie übergeben die Entscheidungsgewalt Politikern.

Gewählte Politiker verbinden mit ihrer Wahl umgehend Herrschaftsansprüche. Sie schaffen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung und setzen gegenüber den Bürgern ihren Willen durch. Oft betreiben sie auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung eine Politik, die es der Macht- und Milliardärs-Elite im Hintergrund ermöglicht, so viele Dollar-Milliarden zusammenzuraffen, dass sie sich alles und jeden kaufen können – auch Politiker.

Hinzu kommt, dass oft Personen zu Politikern gewählt werden, die das Volk belügen und betrügen können (Tolstoi). Was gestern noch gegolten hat, gilt am nächsten Tag bereits nicht mehr; Versprechen werden nicht eingehalten, sondern gebrochen.

Das sind nur einige Beispiele für negative Verhaltensweisen von Politikern, die wir Bürger verwerflich und für Vertreter des Volkes in keiner Weise passend finden.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, dieses Verhalten zu beurteilen: Entweder wir verdammen es und schwören uns, solche verlogenen Personen nie wieder zu wählen. Oder wir solidarisieren uns mit diesen Politikern, weil wir im tiefsten Inneren wissen, dass wir uns in ihrer Situation wahrscheinlich nicht anders verhalten hätten. Trotzdem bejahen wir ihr Herrschaftsgebaren nicht.

Die Tiefenpsychologie ist davon überzeugt, dass der Mensch jegliches Verhalten lernt, auch von einer Bezugsperson abschaut, sich dessen aber nicht bewusst ist.

So kann ein zu strenger Vater zum Beispiel bewirken, dass das Kind aus Angst nicht bei der Wahrheit bleibt und zur Lüge greift, um die Gunst des Vaters nicht zu verlieren. Und den Charakter, den der Mensch in der frühen Kindheit erwirbt, schleppt und er ein ganzes Leben lang mit.

Wird eine Person nicht in die Position eines Politikers gehievt, kommt dieses überhebliche Verhalten nicht zum Tragen. Das betrifft herrschende Politiker wie auch mögliche Nachfolger. Und wir selbst müssen uns fragen, ob wir in vergleichbaren Situationen nicht ebenso gehandelt hätten. Sind Politiker nicht Menschen wie du und ich?

Was ist zu tun?

Wir müssen den Aufforderungen eines Politikers nicht Folge leisten und können NEIN! sagen, denn jeder Mensch besitzt ein natürliches Urteilsvermögen. Er besitzt nicht nur ein natürliches Urteilsvermögen, er ist auch autonom.

Autonomie ist der Zustand und das Lebensgefühl der Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Selbstverwaltung, Philosophisch gesehen ist sie die Fähigkeit, sich als Wesen der Freiheit zu sehen und aus dieser Freiheit heraus zu handeln. Damit ist sie auch die Kraft zum Nicht-Mitmachen (Adorno).

Ausgestattet mit diesen besonderen Fähigkeiten übergibt der Mensch jedoch ohne Not immer wieder anderen Menschen die Macht über sein Leben und seine Zukunft. Um das zu unterlassen, ist es notwendig, dass er sich selbst erkennt und sein Verhalten richtig beziehungsweise ehrlich einschätzt.

Weiterhin können wir gegen unsachliches Verhalten von Politikern protestieren. Ein Protest ist Ausdruck der Zurückweisung oder des Widerspruchs gegenüber einer bestimmten Art der Politik. Auch können wir gegen gesellschaftliches Unrecht revoltieren (Camus). Jedenfalls dürfen wir keinem die Macht übergeben!

Jugendliche, die Erziehungsmethoden erleben, die nicht von Gewalt und übertriebener Autorität geprägt sind, werden der Gewalt abschwören und eine gerechte Sozial- oder Gesellschaftsordnung schaffen, in der Menschen ihre Mitmenschen nicht beherrschen wollen.



English version
Belief in authority leads to obedience to authority
Politicians are People like you and me

By Dr. Rudolf Hänsel

In Western democracies, politicians are elected to high government offices every few years and are regarded by citizens as respectable authorities. Many adults react to these politicians like children, with a magical belief in authority, uncritical and clouded by positive feelings and promises of happiness. And that has consequences: Belief in authority leads to obedience to authority, which usually triggers mental obedience and intellectual paralysis. Sensible adults are then no longer able to think independently and judge reasonably. They hand over decision-making power to politicians.

Elected politicians immediately associate their election with claims to power. They create a relationship of superiority and subordination and impose their will on the citizens. Often, at the expense of the working population, they pursue policies that enable the power and billionaire elite in the background to amass so many billions of dollars that they can buy anything and anyone – including politicians.

In addition, people who can lie to and deceive the people are often elected as politicians (Tolstoy). What was true yesterday is no longer true the next day; promises are not kept, but broken.

These are just a few examples of negative behaviour by politicians that we citizens find reprehensible and in no way appropriate for representatives of the people.

There are two ways of judging this behaviour: either we condemn it and vow never to vote for such dishonest people again, or we show solidarity with these politicians because deep down we know that we would probably have behaved no differently in their situation. Nevertheless, we do not approve of their behaviour in power.

Depth psychology is convinced that humans learn all behaviour, including from a caregiver, but are not aware of it.

For example, an overly strict father may cause a child to lie out of fear of losing his father's favour rather than telling the truth. And the character that a person acquires in early childhood stays with them throughout their entire life.

If a person is not elevated to the position of a politician, this arrogant behaviour does not come into play. This applies to ruling politicians as well as potential successors. And we ourselves must ask whether we would not have acted in the same way in similar situations. Are politicians not people like you and me?

What can be done?

We do not have to obey the demands of politicians and can say NO! because every human being possesses natural judgement. Not only do they possess natural judgement, they are also autonomous.

Autonomy is the state and attitude of self-determination, independence and self-governance. Philosophically speaking, it is the ability to see oneself as a being of freedom and to act out of that freedom. It is therefore also the power to refuse to participate (Adorno).

Equipped with these special abilities, however, human beings repeatedly and unnecessarily hand over power over their lives and futures to other people. In order to refrain from doing so, it is necessary for them to recognise themselves and assess their behaviour correctly and honestly.

Furthermore, we can protest against inappropriate behaviour by politicians. A protest is an expression of rejection or opposition to a certain type of politics. We can also revolt against social injustice (Camus). In any case, we must not hand over power to anyone!

Young people who experience educational methods that are not characterised by violence and excessive authority will renounce violence and create a just social order in which people do not seek to dominate their fellow human beings.



Dr. Rudolf Lothar Hänsel ist Schul-Rektor, Erziehungswissenschaftler und Diplom-Psychologe. Nach seinen Universitätsstudien wurde er wissenschaftlicher Lehrer in der Erwachsenenbildung. Als Pensionär arbeitete er als Psychotherapeut in eigener Praxis. In seinen Büchern und Fachartikeln fordert er eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung sowie eine Erziehung zu Gemeinsinn und Frieden.

Dr Rudolf L. Hänsel is a school rector, educational scientist and psychologist. After his university studies, he became an academic teacher in adult education. As a pensioner, he worked as a psychotherapist in his own practice. In his books and specialist articles, he calls for a conscious ethical and moral education of values as well as an education for public spirit and peace.




Online-Flyer Nr. 852  vom 10.10.2025



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