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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Politische Brandstifter und ihre Feindbilder
Von Evelyn Hecht-Galinski
Die schrecklichen Anschläge von Paris, Nizza, Avignon und Wien laden geradezu ein, die längst vorhandenen „Vorbehalte“ gegen den Islam und Muslime nochmals zu verstärken. Aktuell gab es am Montagabend (02.11.2020) in Wien ein Attentat eines 20-jährigen Wieners mit nordmazedonischen Wurzeln, der sowohl die österreichische als auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft hatte. Offenbar wollte er in der Vergangenheit nach Syrien ausreisen und sich erneut der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anschließen, doch man hinderte ihn daran. Nun zog er durch Wien, ausgestattet mit Sprengstoffgürtel-Attrappe, mit einer automatischen Langwaffe, einer Faustfeuerwaffe und einer Machete und richtete ein Gemetzel unter Passanten an, mit aktuell 5 Toten, inklusive Terrorist, sowie 17 Verletzten in Krankenhäusern, davon 7 in lebensbedrohlichen Zustand. Diese Zahlen können sich stündlich ändern. Wie also war es möglich, dass dieser einschlägig vorbestrafte Täter sich unerkannt Waffen besorgen konnte, und warum stand er nicht unter Beobachtung?
Für Freiheit und Sicherheit?
Die europäischen Regierungschefs überboten sich geradezu in ihren Solidaritätsbekundungen. Dazu noch die Vorgängerin des Zentralratspräsidentin Schuster, Charlotte Knobloch, die einen „Anschlag auf die Freiheit und die Rohheit und Verachtung menschlichen Lebens“ beklagte und forderte, gegen die Radikalisierung „in der Mitte der Gesellschaft“ vorzugehen, damit die Freiheit und Sicherheit gesichert werde.
Zusätzlich teilten Merkel, Macron und Johnson schon einmal Europa unter sich auf. Sie twitterten sofort „dies ist unser Europa“. Merkel und Macron reagierten mit Kampfansagen: „unsere Feinde müssen wissen mit wem sie es zu tun haben.“ Österreich geht in eine dreitägige Staatstrauer, wird sich Deutschland anschließen? Genau wie Frankreich, wo für den ermordeten Lehrer zu einer Schweigeminute in den Schulen aufgerufen wurde. Auch die Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen riefen dazu auf. Ich kann mich nicht erinnern, dass nach den NSU-Morden mit muslimischen Opfern je dazu aufgerufen wurde.
Knobloch ist die denkbar falsche Person, um zu „fordern“. Diese Israel-Lobbyistin, die noch nie die illegale Besatzung Palästinas kritisierte oder die heimtückischen Anschläge jüdischer Extremisten gegen Muslime, sowie die Massaker und die „Rohheit“ der jüdischen „Verteidigungsarmee“ verurteilte, sollte besser schweigen. Wahrscheinlich werden bald noch andere Israel-Lobbyisten und das Netanjahu-Regime folgen.
Heuchelei und Doppelmoral
Es gibt natürlich einen speziellen Präsidenten, den französischen Emmanuel Macron, der Vertreter Frankreichs von Heuchelei und Doppelmoral. Hatte er doch nach der schrecklichen Enthauptung des Lehrers Samuel Paty durch einen 18jährigen tschetschenischen Flüchtling nichts Eiligeres zu tun, als den ermordeten Lehrer posthum als Held für die Meinungsfreiheit zu würdigen. Wenn es beispielsweise um jüdische Karikaturen mit Bezug auf die illegale Besatzung Palästinas, mit jüdischen oder israelischen Symbolen oder Personen gegangen wäre, hätte Macron gewiss anders argumentiert und sie als Beispiel für Antisemitismus verurteilt!
Nach dem Anschlag in Nizza, der drei unschuldige Opfer in der Basilika Notre Dame forderte, brodelte die „Volkseele“ und mehrere Moscheen wurden angegriffen und es gab einen Messerangriff gegen zwei muslimische Frauen in Paris und weitere gegen Muslime/innen im ganzen Land. Der Hass und Gewalt gegen Muslime explodierte förmlich. Macron der schon seit langem ein Problem mit dem Islam hat und für den Hass, den er gesät hat, nun den Hass erntet. Er hat es geschafft, von seinen wirklichen Problemen abzulenken, vom Versäumnis, eine strukturelle Neuordnung der französischen Wirtschaft aufzubauen, ebenso vom Versagen in der Covid-19 Pandemie. Frankreich hat inzwischen die meisten Covid-Toten und Neuansteckungen. Salbungsvolle „Napoleon Reden in Versailles“ reichen nicht mehr aus, um sein Volk zufrieden zu stellen und erfolgreich zu regieren. So wurde das Feindbild Islam = Islamismus aufgebaut, um damit Honig zu saugen für seine erhoffte Wiederwahl 2022.
Interessant in diesem Zusammenhang wurde der vereitelte Anschlag in Avignon kaum erwähnt, war der Täter doch ein rechtsextremer Anhänger der „Identitären Bewegung“.
Agenda, Islam und Muslime ins Visier zu nehmen
In Frankreich scheint es inzwischen eine Agenda zu geben, die speziell den Islam und die in Mehrheit friedlich in Frankreich lebenden Muslime an sich ins Visier nimmt, nicht nur die Extremisten, wie sie in ALLEN Glaubensrichtungen zu finden sind. Als im September von Macron der „Krieg gegen den Islam“ begonnen wurde, enthüllte er die Pläne, die unter anderem vorsahen, den lokalen Behörden die Befugnis zu erteilen, islamische Organisationen ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren auflösen zu können. Außerdem plante er, französisch-muslimische Pilger, die zum jährlichen Hadsch (Pilgerfahrt) nach Saudi-Arabien reisen, zu besteuern, um Gelder für Antiradikalisierungsprogramme zu sammeln. Religiösen Organisationen wurde es untersagt, nicht-religiöse Aktivitäten zu organisieren. Es wurden Razzien bei muslimischen Organisationen durchgeführt, etwa 70 Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen in muslimischem Besitz wurden bereits geschlossen. Bei Dutzenden von Muslimen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt, die wie der französische Innenminister zugeben musste, nichts mit dem Lehrer-Mord zu tun hatten. Es sollte nur „eine Botschaft an die 6 Millionen muslimischen Bürger gesandt werden. Eine feindselige Botschaft des Hasses aus der französischen Regierung!
Es kam noch schlimmer, als zwei Organisationen, die sich mit der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen befassen, als „Feinde der Republik“ bezeichnet wurden, nämlich das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (Collective against Islamophobia in France, CCIF, sowie die wichtige humanitäre Hilfsorganisation Baraka City. Die CCIF genießt einen Sonderstatus bei der UNO und ist eine wichtige NGO innerhalb der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit. Sie genießt bei allen ihren Partnern in ganz Europa großes Ansehen und hilft jedes Jahr Tausenden von Opfern des Rassismus. BarakaCity hat Millionen von Männern, Frauen und Kindern auf der ganzen Welt geholfen, die unter Armut leiden und viele einfach mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Auch diese NGO wurde von der Macron-Regierung geschlossen, obwohl sie mit keinem der Terroranschläge in Verbindung steht. Idriss Sihamedi, der Chef von BarakaCity, hat nach dem maßlosen Vorgehen der französischen Regierung die Türkei öffentlich um Asyl gebeten, für sich und seine Organisation. Dazu wurde vor 3 Wochen sein Haus von der Anti-Terror-Einheit der Polizei wegen Vorwurfs von Schikanen und Extremismus heimgesucht. Sihamedi twitterte an den türkischen Präsidenten Erdogan, „nach den Lügen der französischen Regierung und der Schließung der Menschenrechts-NGO beantrage ich offiziell Asyl für mich und mein Team, da wir uns vom Tod bedroht sehen.“
Macron behauptet, dass der „Islam in der Krise steckt“ und er ihn in grandiosem Größenwahn „reformieren“ will. Da sollte man diesen Westentaschen-Napoleon Macron an die koloniale Vergangenheit Frankreichs erinnern, an die Massaker von Algerien bis nach Afrika, die bis heute ungesühnt und unvergessen sind. „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ möchte man ihm zurufen, reformiere zuerst dein Land, denn der „Islam“ ist eine Nummer zu groß für kleine Geisteszwerge. Es ist daher ganz klar, dass sich die französischen Muslime wegen dieser rassistischen Politik der Ausgrenzung als angeblicher „fünften Kolonne“, die den Staat destabilisieren und „unsere“ Werte zerstören will, in der Krise sehen. Ein gefährlicher Schwachsinn!
Teile der muslimischen Gesellschaft zu Außenseitern gemacht
Es geht nicht um „den Islam“, es geht vor allem darum, dass man in Frankreich jahrelang Teile der muslimischen Gesellschaft, viele davon Bewohner in den Banlieu-Ghettos, zu Außenseitern gemacht und ausgegrenzt hat, ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit arabischem Namen. Integration kann dadurch nicht gelingen! Auch die Schulen in Frankreich haben nichts dazu beizutragen, dieses wichtige Problem endlich anzupacken. Mit rassistischen Mohammad Verspottungs-Karikaturen ist das der denkbar falsche Weg!
So wie es keine moralische oder ethische Rechtfertigung für die Tötung unschuldiger Menschen gibt, ist jedes Attentat oder Angriff aufs schärfste zu verurteilen.
Auch die aggressive europäische und französische Außenpolitik unter Macron trägt dazu bei, die Stimmung noch mehr aufzuheizen. So wird Macrons ständige Betonung „französischer westlicher Werte“ in den Banlieus als Kampfansage wahrgenommen werden. Solange Macron an dieser Taktik nichts ändert, wird der Islamismus unter vielen ausgegrenzten Jugendlichen immer mehr an Anziehungskraft gewinnen, der ihnen die Identität gibt, die der Staat ihnen verweigert.
In einem gezielten Al-Jazeera „Exklusivinterview“ am Samstag gab er der muslimischen Welt zu verstehen, dass er ihre Aufregung über die „Mohammed-Karikaturen“ verstehe, erwähnte aber nicht die ganze Wahrheit, nämlich sein vor Wochen angekündigtes neues Gesetzespaket „gegen Separatismus“, das sich ausschließlich auf die Polizeiarbeit und die Kontrolle der muslimischen Gemeinden konzentrierte.
Diffamierungen widersprechen universellen Werten einer demokratischen Gesellschaft
Es gibt Beleidigungen, Schändungen und Angriffe gegen den Islam und Muslime, und es kursieren falsche Koran-„Interpretationen“. Will Macron diese in der Öffentlichkeit kaum beobachteten Vorfälle auch unter die „Meinungsfreiheit“ fallen lassen? Haben die viel gepriesenen „Werte“ keine Bedeutung mehr, wenn es um den Islam geht? Die ständigen Diffamierungen widersprechen den universellen Werten einer demokratischen Gesellschaft.
Es scheint, als ob Macron die „Bodenhaftung“ und Nähe zum Volk völlig verloren hat und nicht mehr in der Lage ist, die öffentliche Stimmung richtig einzuschätzen. Hat er jemals versucht, die „Gelbwesten“-Bewegung („Gilets jaunes“), die Basis Protestbewegung, zu verstehen?
Ist Macron nicht der Präsident der Elite und der jüdischen und israelischen Lobby, der die BDS-Bewegung in Frankreich kriminalisierte und französische Menschenrechtsaktivisten durch französische Gerichte verurteilt wurden? Erst in letzter Instanz hob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Unrechtsurteil auf und erklärte, dass der Aufruf zum Boykott israelischer Produkte durch freie Meinungsäußerung geschützt sei. Zusätzlich musste Frankreich wegen Verstoßes gegen den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt und musste einzelne Angeklagte entschädigen. Das war ein wichtiger Sieg auf dem Weg des BDS-Kampfes für Gerechtigkeit, Würde und Gleichheit.
Während Macron den ermordeten Lehrer Samuel Paty noch dafür lobte, dass dieser für die „Meinungsfreiheit“, also das Verteilen der widerwärtigen Mohammed-Karikaturen ,als französischer Held starb, soll den BDS-Unterstützern eben diese Meinungsfreiheit verwehrt werden.
Auf der Seite der Menschenwürde und Grundwerte?
Dessen ungeachtet bekräftigte Macron, dass er durch die „Verteidigung der Meinungsfreiheit auf der Seite der Menschenwürde und Grundwerte“ stehe, und goss nochmals Öl ins Feuer. Er hat es geschafft, Millionen Muslime gegen sich und Frankreich aufzubringen. Schon 2004 wurde das Tragen des muslimischen Nijab und Burka in der Öffentlichkeit und 2015 wurde der „Burkini“ verboten. Meinungsfreiheit für wen?
Der türkische Präsident Erdogan war der schärfste Kritiker und bezichtigte Macron zu Recht als Rassisten, der „ein Problem mit dem Islam und Muslimen“ hätte und bezeichnete ihn als einen „Krankheitsfall, der in psychologische Behandlung gehöre“. Auch kritisierte er zu Recht Europa, das schon seit langem immer mehr der Islamophobie verfallen sei und attestierte europäischen Politikern Islamfeindlichkeit und bezeichnete sie als „Kettenglieder der Nazis“. Er rief zum Boykott französischer Waren auf, dem sich der größte Teil der muslimischen Länder anschloss. Was für eine Solidarität, die ich mir auch für den Boykott des „jüdischen Besatzerstaat“ wünschen würde.
Mir bereitet auch in Deutschland die Stimmung, die sich immer heftiger gegen den Islam und Muslime wendet, tiefe Sorge. Ebenso wie in Frankreich ist der Rassismus weit verbreitet und rechtsradikale Parteien wie die AfD als Beispiel, tun alles dafür um die anti-muslimische Stimmung zu schüren. Der Kampf um die „westlichen-christlichen Werte“ ist längst in ganz Europa in vollem Gange. Niemals darf es einen neuen „Kreuzzug“, diesmal gegen den Islam und die Muslime, geben. Mediale Beispiele gibt es schon zuhauf, und die ständige Verunglimpfung des türkischen Präsidenten Erdogan , und geschmacklose, unter die Gürtellinie gehende Erdogan-Karikaturen, wiederum in „Charlie Hebdo“, tragen dazu bei, den Hass zu verstärken.
Was du nicht willst…
Die politischen Brandstifter, die Feindbilder aufbauen, sollten sich immer wieder an die „goldene Regel“, deren Wert bis heute nichts an seiner Bedeutung verloren hat, erinnern:
„Was du nicht willst, dass man dir tut, füge auch keinem anderen zu!
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Online-Flyer Nr. 756 vom 04.11.2020
Kommentar vom Hochblauen
Politische Brandstifter und ihre Feindbilder
Von Evelyn Hecht-Galinski
Die schrecklichen Anschläge von Paris, Nizza, Avignon und Wien laden geradezu ein, die längst vorhandenen „Vorbehalte“ gegen den Islam und Muslime nochmals zu verstärken. Aktuell gab es am Montagabend (02.11.2020) in Wien ein Attentat eines 20-jährigen Wieners mit nordmazedonischen Wurzeln, der sowohl die österreichische als auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft hatte. Offenbar wollte er in der Vergangenheit nach Syrien ausreisen und sich erneut der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anschließen, doch man hinderte ihn daran. Nun zog er durch Wien, ausgestattet mit Sprengstoffgürtel-Attrappe, mit einer automatischen Langwaffe, einer Faustfeuerwaffe und einer Machete und richtete ein Gemetzel unter Passanten an, mit aktuell 5 Toten, inklusive Terrorist, sowie 17 Verletzten in Krankenhäusern, davon 7 in lebensbedrohlichen Zustand. Diese Zahlen können sich stündlich ändern. Wie also war es möglich, dass dieser einschlägig vorbestrafte Täter sich unerkannt Waffen besorgen konnte, und warum stand er nicht unter Beobachtung?
Für Freiheit und Sicherheit?
Die europäischen Regierungschefs überboten sich geradezu in ihren Solidaritätsbekundungen. Dazu noch die Vorgängerin des Zentralratspräsidentin Schuster, Charlotte Knobloch, die einen „Anschlag auf die Freiheit und die Rohheit und Verachtung menschlichen Lebens“ beklagte und forderte, gegen die Radikalisierung „in der Mitte der Gesellschaft“ vorzugehen, damit die Freiheit und Sicherheit gesichert werde.
Zusätzlich teilten Merkel, Macron und Johnson schon einmal Europa unter sich auf. Sie twitterten sofort „dies ist unser Europa“. Merkel und Macron reagierten mit Kampfansagen: „unsere Feinde müssen wissen mit wem sie es zu tun haben.“ Österreich geht in eine dreitägige Staatstrauer, wird sich Deutschland anschließen? Genau wie Frankreich, wo für den ermordeten Lehrer zu einer Schweigeminute in den Schulen aufgerufen wurde. Auch die Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen riefen dazu auf. Ich kann mich nicht erinnern, dass nach den NSU-Morden mit muslimischen Opfern je dazu aufgerufen wurde.
Knobloch ist die denkbar falsche Person, um zu „fordern“. Diese Israel-Lobbyistin, die noch nie die illegale Besatzung Palästinas kritisierte oder die heimtückischen Anschläge jüdischer Extremisten gegen Muslime, sowie die Massaker und die „Rohheit“ der jüdischen „Verteidigungsarmee“ verurteilte, sollte besser schweigen. Wahrscheinlich werden bald noch andere Israel-Lobbyisten und das Netanjahu-Regime folgen.
Heuchelei und Doppelmoral
Es gibt natürlich einen speziellen Präsidenten, den französischen Emmanuel Macron, der Vertreter Frankreichs von Heuchelei und Doppelmoral. Hatte er doch nach der schrecklichen Enthauptung des Lehrers Samuel Paty durch einen 18jährigen tschetschenischen Flüchtling nichts Eiligeres zu tun, als den ermordeten Lehrer posthum als Held für die Meinungsfreiheit zu würdigen. Wenn es beispielsweise um jüdische Karikaturen mit Bezug auf die illegale Besatzung Palästinas, mit jüdischen oder israelischen Symbolen oder Personen gegangen wäre, hätte Macron gewiss anders argumentiert und sie als Beispiel für Antisemitismus verurteilt!
Nach dem Anschlag in Nizza, der drei unschuldige Opfer in der Basilika Notre Dame forderte, brodelte die „Volkseele“ und mehrere Moscheen wurden angegriffen und es gab einen Messerangriff gegen zwei muslimische Frauen in Paris und weitere gegen Muslime/innen im ganzen Land. Der Hass und Gewalt gegen Muslime explodierte förmlich. Macron der schon seit langem ein Problem mit dem Islam hat und für den Hass, den er gesät hat, nun den Hass erntet. Er hat es geschafft, von seinen wirklichen Problemen abzulenken, vom Versäumnis, eine strukturelle Neuordnung der französischen Wirtschaft aufzubauen, ebenso vom Versagen in der Covid-19 Pandemie. Frankreich hat inzwischen die meisten Covid-Toten und Neuansteckungen. Salbungsvolle „Napoleon Reden in Versailles“ reichen nicht mehr aus, um sein Volk zufrieden zu stellen und erfolgreich zu regieren. So wurde das Feindbild Islam = Islamismus aufgebaut, um damit Honig zu saugen für seine erhoffte Wiederwahl 2022.
Interessant in diesem Zusammenhang wurde der vereitelte Anschlag in Avignon kaum erwähnt, war der Täter doch ein rechtsextremer Anhänger der „Identitären Bewegung“.
Agenda, Islam und Muslime ins Visier zu nehmen
In Frankreich scheint es inzwischen eine Agenda zu geben, die speziell den Islam und die in Mehrheit friedlich in Frankreich lebenden Muslime an sich ins Visier nimmt, nicht nur die Extremisten, wie sie in ALLEN Glaubensrichtungen zu finden sind. Als im September von Macron der „Krieg gegen den Islam“ begonnen wurde, enthüllte er die Pläne, die unter anderem vorsahen, den lokalen Behörden die Befugnis zu erteilen, islamische Organisationen ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren auflösen zu können. Außerdem plante er, französisch-muslimische Pilger, die zum jährlichen Hadsch (Pilgerfahrt) nach Saudi-Arabien reisen, zu besteuern, um Gelder für Antiradikalisierungsprogramme zu sammeln. Religiösen Organisationen wurde es untersagt, nicht-religiöse Aktivitäten zu organisieren. Es wurden Razzien bei muslimischen Organisationen durchgeführt, etwa 70 Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen in muslimischem Besitz wurden bereits geschlossen. Bei Dutzenden von Muslimen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt, die wie der französische Innenminister zugeben musste, nichts mit dem Lehrer-Mord zu tun hatten. Es sollte nur „eine Botschaft an die 6 Millionen muslimischen Bürger gesandt werden. Eine feindselige Botschaft des Hasses aus der französischen Regierung!
Es kam noch schlimmer, als zwei Organisationen, die sich mit der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen befassen, als „Feinde der Republik“ bezeichnet wurden, nämlich das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (Collective against Islamophobia in France, CCIF, sowie die wichtige humanitäre Hilfsorganisation Baraka City. Die CCIF genießt einen Sonderstatus bei der UNO und ist eine wichtige NGO innerhalb der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit. Sie genießt bei allen ihren Partnern in ganz Europa großes Ansehen und hilft jedes Jahr Tausenden von Opfern des Rassismus. BarakaCity hat Millionen von Männern, Frauen und Kindern auf der ganzen Welt geholfen, die unter Armut leiden und viele einfach mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Auch diese NGO wurde von der Macron-Regierung geschlossen, obwohl sie mit keinem der Terroranschläge in Verbindung steht. Idriss Sihamedi, der Chef von BarakaCity, hat nach dem maßlosen Vorgehen der französischen Regierung die Türkei öffentlich um Asyl gebeten, für sich und seine Organisation. Dazu wurde vor 3 Wochen sein Haus von der Anti-Terror-Einheit der Polizei wegen Vorwurfs von Schikanen und Extremismus heimgesucht. Sihamedi twitterte an den türkischen Präsidenten Erdogan, „nach den Lügen der französischen Regierung und der Schließung der Menschenrechts-NGO beantrage ich offiziell Asyl für mich und mein Team, da wir uns vom Tod bedroht sehen.“
Macron behauptet, dass der „Islam in der Krise steckt“ und er ihn in grandiosem Größenwahn „reformieren“ will. Da sollte man diesen Westentaschen-Napoleon Macron an die koloniale Vergangenheit Frankreichs erinnern, an die Massaker von Algerien bis nach Afrika, die bis heute ungesühnt und unvergessen sind. „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ möchte man ihm zurufen, reformiere zuerst dein Land, denn der „Islam“ ist eine Nummer zu groß für kleine Geisteszwerge. Es ist daher ganz klar, dass sich die französischen Muslime wegen dieser rassistischen Politik der Ausgrenzung als angeblicher „fünften Kolonne“, die den Staat destabilisieren und „unsere“ Werte zerstören will, in der Krise sehen. Ein gefährlicher Schwachsinn!
Teile der muslimischen Gesellschaft zu Außenseitern gemacht
Es geht nicht um „den Islam“, es geht vor allem darum, dass man in Frankreich jahrelang Teile der muslimischen Gesellschaft, viele davon Bewohner in den Banlieu-Ghettos, zu Außenseitern gemacht und ausgegrenzt hat, ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit arabischem Namen. Integration kann dadurch nicht gelingen! Auch die Schulen in Frankreich haben nichts dazu beizutragen, dieses wichtige Problem endlich anzupacken. Mit rassistischen Mohammad Verspottungs-Karikaturen ist das der denkbar falsche Weg!
So wie es keine moralische oder ethische Rechtfertigung für die Tötung unschuldiger Menschen gibt, ist jedes Attentat oder Angriff aufs schärfste zu verurteilen.
Auch die aggressive europäische und französische Außenpolitik unter Macron trägt dazu bei, die Stimmung noch mehr aufzuheizen. So wird Macrons ständige Betonung „französischer westlicher Werte“ in den Banlieus als Kampfansage wahrgenommen werden. Solange Macron an dieser Taktik nichts ändert, wird der Islamismus unter vielen ausgegrenzten Jugendlichen immer mehr an Anziehungskraft gewinnen, der ihnen die Identität gibt, die der Staat ihnen verweigert.
In einem gezielten Al-Jazeera „Exklusivinterview“ am Samstag gab er der muslimischen Welt zu verstehen, dass er ihre Aufregung über die „Mohammed-Karikaturen“ verstehe, erwähnte aber nicht die ganze Wahrheit, nämlich sein vor Wochen angekündigtes neues Gesetzespaket „gegen Separatismus“, das sich ausschließlich auf die Polizeiarbeit und die Kontrolle der muslimischen Gemeinden konzentrierte.
Diffamierungen widersprechen universellen Werten einer demokratischen Gesellschaft
Es gibt Beleidigungen, Schändungen und Angriffe gegen den Islam und Muslime, und es kursieren falsche Koran-„Interpretationen“. Will Macron diese in der Öffentlichkeit kaum beobachteten Vorfälle auch unter die „Meinungsfreiheit“ fallen lassen? Haben die viel gepriesenen „Werte“ keine Bedeutung mehr, wenn es um den Islam geht? Die ständigen Diffamierungen widersprechen den universellen Werten einer demokratischen Gesellschaft.
Es scheint, als ob Macron die „Bodenhaftung“ und Nähe zum Volk völlig verloren hat und nicht mehr in der Lage ist, die öffentliche Stimmung richtig einzuschätzen. Hat er jemals versucht, die „Gelbwesten“-Bewegung („Gilets jaunes“), die Basis Protestbewegung, zu verstehen?
Ist Macron nicht der Präsident der Elite und der jüdischen und israelischen Lobby, der die BDS-Bewegung in Frankreich kriminalisierte und französische Menschenrechtsaktivisten durch französische Gerichte verurteilt wurden? Erst in letzter Instanz hob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Unrechtsurteil auf und erklärte, dass der Aufruf zum Boykott israelischer Produkte durch freie Meinungsäußerung geschützt sei. Zusätzlich musste Frankreich wegen Verstoßes gegen den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt und musste einzelne Angeklagte entschädigen. Das war ein wichtiger Sieg auf dem Weg des BDS-Kampfes für Gerechtigkeit, Würde und Gleichheit.
Während Macron den ermordeten Lehrer Samuel Paty noch dafür lobte, dass dieser für die „Meinungsfreiheit“, also das Verteilen der widerwärtigen Mohammed-Karikaturen ,als französischer Held starb, soll den BDS-Unterstützern eben diese Meinungsfreiheit verwehrt werden.
Auf der Seite der Menschenwürde und Grundwerte?
Dessen ungeachtet bekräftigte Macron, dass er durch die „Verteidigung der Meinungsfreiheit auf der Seite der Menschenwürde und Grundwerte“ stehe, und goss nochmals Öl ins Feuer. Er hat es geschafft, Millionen Muslime gegen sich und Frankreich aufzubringen. Schon 2004 wurde das Tragen des muslimischen Nijab und Burka in der Öffentlichkeit und 2015 wurde der „Burkini“ verboten. Meinungsfreiheit für wen?
Der türkische Präsident Erdogan war der schärfste Kritiker und bezichtigte Macron zu Recht als Rassisten, der „ein Problem mit dem Islam und Muslimen“ hätte und bezeichnete ihn als einen „Krankheitsfall, der in psychologische Behandlung gehöre“. Auch kritisierte er zu Recht Europa, das schon seit langem immer mehr der Islamophobie verfallen sei und attestierte europäischen Politikern Islamfeindlichkeit und bezeichnete sie als „Kettenglieder der Nazis“. Er rief zum Boykott französischer Waren auf, dem sich der größte Teil der muslimischen Länder anschloss. Was für eine Solidarität, die ich mir auch für den Boykott des „jüdischen Besatzerstaat“ wünschen würde.
Mir bereitet auch in Deutschland die Stimmung, die sich immer heftiger gegen den Islam und Muslime wendet, tiefe Sorge. Ebenso wie in Frankreich ist der Rassismus weit verbreitet und rechtsradikale Parteien wie die AfD als Beispiel, tun alles dafür um die anti-muslimische Stimmung zu schüren. Der Kampf um die „westlichen-christlichen Werte“ ist längst in ganz Europa in vollem Gange. Niemals darf es einen neuen „Kreuzzug“, diesmal gegen den Islam und die Muslime, geben. Mediale Beispiele gibt es schon zuhauf, und die ständige Verunglimpfung des türkischen Präsidenten Erdogan , und geschmacklose, unter die Gürtellinie gehende Erdogan-Karikaturen, wiederum in „Charlie Hebdo“, tragen dazu bei, den Hass zu verstärken.
Was du nicht willst…
Die politischen Brandstifter, die Feindbilder aufbauen, sollten sich immer wieder an die „goldene Regel“, deren Wert bis heute nichts an seiner Bedeutung verloren hat, erinnern:
„Was du nicht willst, dass man dir tut, füge auch keinem anderen zu!
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Online-Flyer Nr. 756 vom 04.11.2020