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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Lokales
Eskalation der Jugendgewalt
Frankreich ist überall!
Von Rudi Rute

Eine Eskalation der Jugendgewalt, wie sie sich zur Zeit in Frankreich seit zwei Wochen abspielt, können wir in Deutschland und speziell in Köln auf Dauer nur verhindern, wenn wir der Ghettoisierung der am Stadtrand liegenden Trabentensiedlungen wie Finkenberg, Ostheim, Chorweiler und Kölnberg, aber auch einigen Stadtvierteln innerhalb unserer Kommune frühzeitig, konsequent und nachhaltig entgegenwirken. Dazu gehören städtebauliche Maßnahmen, um die Sünden der Vergangenheit zu beheben, aber auch eine verstärkte Jugendarbeit und nicht zuletzt eine bessere Belegungspolitik der Stadt.

In den sozialen Brennpunkten bedarf es zusätzlich einer breiten Aufklärungsoffensive von Arbeitsamt, Schulen und Handwerk, um den dort lebenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen multi-ethnischer Herkunft Alternativen und Chancen aufzuzeigen, wie sie sich in unserer Gesellschaft etablieren können.

Bei der Bewertung der Jugendkriminalität in Köln mit zunehmender Gewaltbereitschaft, einhergehend mit räuberischer Erpressung und Diebstahl, darf bei allem Unverständnis neben der Strafandrohung der soziale Abspeckt nicht ausgeblendet werden. Als brennendes Beispiel stehen dafür die zum Teil in Deutschland geborenen Jugendlichen, deren Eltern als verarmte Roma-Flüchtlinge nach über 10 Jahren immer noch ohne Arbeitserlaubnis dem Duldungsstatus unterliegen. Sie haben nicht die Mittel, um ihre Kinder an unserer Konsumwelt teilnehmen zu lassen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Jugendlicher einen schicksalsbedingten Dauerverzicht auf Handy, Fahrrad, Schminke, Markenturnschuh und Taschengeld nicht einfach so hinnimmt, während seine  Altersgenossen diesen Luxus als Selbstverständlichkeit ansehen.

Die Staatsanwälte haben inzwischen mit dieser alltäglichen Kleinkriminalität alle Hände voll zu tun, und die Sozialarbeit ist im Bereich des "niedrigschwelligen Ansatzes" in den Stadtvierteln mit sozialen Brennpunkten personell zu schwach besetzt. Auch muss bei der Ausbildung von Sozialarbeitern mehr darauf geachtet werden, dass sie im Hinblick auf diese schwierige Klientel praxisorientierter wird. Und die Demoskopie würde mit Hinblick auf  Alterspyramide und Reformierung der Sozialsysteme weitaus besser aussehen, wenn wir bei der Integration der hier geborenen Migrantenkinder insbesondere türkischer Herkunft nicht nur Worte, sondern auch DEUTSCHE PÄSSE und RECHTE folgen ließen.

Es ist für einen jungen Türken, er in Köln geboren und aufgewachsen ist, nur schwer nachvollziehbar, dass dies hier nicht seine Heimat sein soll, zumal sein Türkisch schlechter ist als sein Deutsch. Auch eine jeweils dreimonatige Arbeitserlaubnis ist bei der Suche nach einem beständigen Job oder einer Lehre bei einem Bewerbungsgespräch nicht gerade förderlich. Deshalb gilt es, auch bei der notwendigen Weitentwicklung von Hartz, sehr darauf zu achten, dass dies nicht weiter mit dem Unterton oder unter dem Vorwand des Missbrauchs von sozialen Leistungen stattfindet.

Es dürfen dort, wo jedwede  Repression und Gängelei völlig unangebracht ist, keine weiteren Fehler gemacht werden, weil das, wie in Frankreich, schnell in einer Spirale der Gewalt und Zwangskriminalität enden kann. Die Wut unter den Opfern von Hartz, die inzwischen als Grundhaltung zur Gesellschaft von den Eltern auf die Kinder und Jugendlichen herunterbricht, ist groß genug, und die Jugendlichen sind mit ihrer "gelebten Realität" nur noch ein Zerrbild der Erwachsenengesellschaft.

So geht es in den sozialen Brennpunkten bei der jugendlichen Klientel primär darum,  Chancen aufzuzeigen und formalistische und bürokratische Hürden abzubauen. Warum müssen so viele Jugendliche mit regulären Abschlüssen in Köln ein Jahr auf der Straße stehen, weil nicht genügend Lehrer und Plätze auf den weiterführenden Schulen zur Verfügung stehen? Ein Bewerbungskurs auf dem Arbeitsamt als Beschäftigungstherapie erscheint da nicht gerade attraktiv oder besonders innovativ. Arbeitslose Lehrer und ungenutzte Unterrichtsräume haben wir genug. Praxisnah in die Bildung zu investieren, scheint mir als Sofortmaßnahme das Gebot der Stunde. Jedenfalls dann, wenn das, was heute in Frankreich  passiert und in den USA bereits ein Alter Hut ist, übermorgen nicht auch hier die Schlagzeilen füllen soll.


Online-Flyer Nr. 17  vom 09.11.2005



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