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Globales
Türkische Anwältin wegen Kölner Frauenveranstaltung verhaftet
Protest wegen Strafverfahren
gegen Eren Keskin in Istanbul
Von Hildegard Miensopust

Die kurdische Menschenrechtsanwältin Eren Keskin (47) wurde vor zwei Wochen in Istanbul nach der Rückkehr von einer Berlin-Reise verhaftet, weil sie im März 2002 in einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag in Köln unter dem Titel "Frauenrechte gleich Menschenrechte" über Erfahrungen bei der Arbeit eines türkischen Menschenrechtsprojektes gesprochen hatte.

Dazu gehörten auch an Frauen begangene Verbrechen staatlicher Täter, wie Vergewaltigungen in Gefängnissen. Nach ihrem Kölner Diskussionsbeitrag hatten türkische Tageszeitungen eine beispiellose Hetzkampagne gegen die Aachener Friedenspreisträgerin des Jahres 2004 gestartet. Im Falle eines Urteils droht ihr eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Im Namen der "Internationalen Liga für Menschenrechte" (Berlin) fordert deren Präsident Rolf Gössner die umgehende Einstellung des gleich an mehreren türkischen Gerichten in Gang gesetzten Strafverfahrens wegen "Beleidigung der Streitkräfte". Gössner: "Das Strafverfahren gegen Eren Keskin ist ein internationaler Skandal, der umgehend bei den EU-Beitrittsverhandlungen zur Sprache kommen muss."

Gössner hat Anfang des Jahres im Rahmen einer Menschenrechtsdelegation in der Türkei auch Eren Keskin getroffen, um sich über die dortige Menschenrechtslage zu informieren. Seiner Ansicht nach reiht sich das Verfahren gegen die Anwältin ein in "weitere skandalöse Prozesse, die gegenwärtig von der türkischen Justiz gegen Kritiker des türkischen
Staates und der türkischen Politik geführt werden" - so etwa der Strafprozess gegen den international ausgezeichneten Romancier Orhan Pamuk (u.a. "Rot ist mein Name"), der vor kurzem den Friedenspreis des deutschen Buchhandels in Frankfurt erhielt, so die absurde Anklage gegen Kurden, weil sie den verbotenen Buchstaben ,W' gebraucht haben, den es im türkischen Alphabet nicht gibt, wohl aber in ihrer eigenen Sprache, so Prozesse gegen Menschen, die sich kritisch zum Völkermord an den Armeniern äußern.

Eren Keskin
Eren Keskin
Bild: NRhZ-Archiv


"Während der EU-Beitrittsverhandlungen zur Sprache bringen!"

Die Liga fordert, "dass diese systematischen Menschenrechtsverletzungen, aber auch die nach wie vor ungelöste kurdische Frage während der EU-Beitrittsverhandlungen umgehend zur Sprache gebracht werden - und zwar solange, bis jene Gesetze abgeschafft sind, die die "Beleidigung des Militärs" und die "Herabwürdigung des Türkentums" mit Haftstrafen bedrohen, bis der Gebrauch der kurdischen Sprache und die kurdische Kultur legalisiert werden und bis die Folterer strafrechtlich verfolgt werden, und nicht diejenigen, die Folterungen dokumentieren."

Als Vorsitzende des angesehenen kurdischen Menschenrechtsvereins IHD deckt Eren Keskin seit vielen Jahren Menschenrechtsverletzungen auf, die von türkischen Sicherheitskräften begangen werden. Die engagierte Anwältin in politischen Strafverfahren ist den türkischen Behörden schon lange ein Dorn im Auge. Dazu trug nicht unwesentlich das im WDR 1999 gesendete Filmporträt von Gülsel Özkan und Ludger Pfanz bei: "Die kurdische Anwältin Eren Keskin klagt an." Neben einer seit Jahren anhaltenden Prozessflut ist sie auch immer wieder Morddrohungen ausgesetzt. Und der bekannte türkische Journalist Fatih Altayli sagte laut "Emma" in einem Radiointerview wörtlich: "Würde ich sie nicht bei der erstbesten Gelegenheit sexuell angreifen, wäre ich ein Feigling."

Pech gehabt! Ich habe Kurdisch gedacht
Karikatur: Kostas Koufogiorgos


Nach Freispruch weitere Prozesse und Berufsverbot

Angeklagt und zum ersten Mal - im Zusammenhang mit der Kölner Veranstaltung der Vereinigung Alevitischer Frauen in Deutschland und von TÜDAY, dem Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V. vom 8. März 2002 - auf dem Istanbuler Flughafen festgenommen wurde Eren Keskin, weil eine der Podiumsteilnehmerinnen, die Istanbuler Professorin Necla Arat, anschließend dem Generalstab darüber berichtet und Strafantrag gestellt hatte. Angeblich hätte die Rechtsanwältin in Köln gesagt, die Armee führe in Kurdistan einen dreckigen Krieg und vergewaltige bei Hausdurchsuchungen Frauen und Mädchen. Der erste Prozess in dieser Sache gegen Eren Keskin fand im September 2002 statt. Sie bestritt die ihr vorgeworfenen Äußerungen. Sie habe lediglich von der Arbeit des Frauenrechtsbüros gegen sexuelle Folter berichtet, in dem sie mitarbeite und an das sich bereits 157 Frauen gewandt hätten, die Opfer von sexueller Gewalt durch Polizei, Gendarmerie oder Militär geworden seien. Nach dem Prozess erhielt sie für ein Jahr Berufsverbot.

Weitere Prozesse vor anderen Gerichten folgten. Weil sie im ersten Verfahren vor dem mittlerweile aufgelösten Staatssicherheitsgericht freigesprochen worden war, weigerte Eren Keskin sich, bei den Ladungen zu den folgenden Prozessen zu nachzukommen: "Wenn ich zu all diesen Prozessen gehe, kann ich meiner Arbeit nicht nachgehen." Eins dieser Gerichte, das vor einem Jahr erfolglos einen Vorführungsbefehl gegen sie erlassen hatte, hat nun vor zwei Wochen ihre Festnahme durchgesetzt. Begründung: Der Prozess dürfe nicht weiter verschleppt werden.

Externe Links:
Internationale Liga für Menschenrechte

Online-Flyer Nr. 17  vom 09.11.2005



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