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Der Unfug der Woche - Folge 4
Gesundheitsreform
Von Christian Spin
Die Berliner Hirnakrobaten haben sich etwas Tolles überlegt: die Teilfinanzierung des Gesundheitswesens aus Steuern. Das hätte man bereits viel früher ins Kalkül ziehen können, die Schweden machen es uns seit Jahren in der Vollfinanzierung vor. Grund für die gewundenen Überlegungen ist die Feststellung, dass unsere Gesundheit (respektive deren Erhaltung) zunehmend teurer wird. Die Aussage wollen wir natürlich nicht im Raum stehen lassen, ohne sie eingehend zu überprüfen.
Bemühen wir also kurz den Rechenschieber, erfassen die Fakten des Statistischen Bundesamtes und bringen diese in den notwendigen Zusammenhang, der die gesamten Kosten des Gesundheitswesens betrachtet und nicht nur die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen:
- Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) betrug in 2005 ausgewiesene 2,244 Billionen Euro
- Die durchschnittliche, gleitende Steigerungsrate des BIP betrug von 1996 bis 2005 jährlich etwa 1,36% (preisbereinigt OHNE Inflation!)
- Die Ausgaben für das Gesundheitswesen schwankten in etwa demselben Zeitraum (1996-2003) jährlich zwischen 10,8% und 11,3% des BIP
- Die Ausgaben im Gesundheitswesen werden nominal (INKLUSIVE Inflation) betrachtet!
- Die Inflationsrate bewegte sich im Betrachtungszeitraum 1996-2003 bei rund 1,5% jährlich
Im Jahr 2003 stand der Veränderung des BIP um minus 0,2% zum Vorjahr eine Ausgabenhöhe im Gesundheitswesen von 11,3% des BIP gegenüber, was also bereinigt eigentlich einen Rückgang der Ausgaben zum Jahr 2002 (11,1% zu real 11,2% des BIP) darstellt.
Hoppla werden Sie nun sagen: Das BIP steigt jährlich preisbereinigt um 1,36 %, die Inflationsrate betrug zwischen 1996 und 2003 durchschnittlich 1,5%, wieso wird es dann für Alle teurer, ergibt sich doch eine Verringerung von 0,14% zugunsten der Gesundheitsausgaben?
Da haben Sie prima geschlussfolgert.
Per Saldo hat sich so gut wie nichts verändert, die Zahlen sprechen für sich. Das Gesundheitswesen ist anhand der vorliegenden Zahlen wohl nicht teurer geworden. Sehr wohlwollend könnte man sogar von gesunkenen Ausgaben sprechen. Wir wollen dies aber nicht zu weit führen, sondern nur die Korrelation exemplarisch vorführen.
Um den endgültigen Durchblick zu erlangen, müssen wir uns dazu kurz die Einnahmenseite ansehen.
1996 waren in der BRD 27,7 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 2005 waren es noch 26,5 Millionen, mithin 1,2 Millionen weniger. Bei den Vollzeitbeschäftigten betrug der Rückgang 1,95 Millionen Menschen, während die Masse der Teilzeitarbeiter (Minijobber) um rd. 750.000 anstieg. Es sind also annähernd 2.0 Mio. Beitragszahler für die gesetzlichen Sozialversicherungen ausgefallen. Ein durchschnittliches Jahresgehalt von 25.000 Euro und einen Beitragssatz von 14.0% vorausgesetzt, fehlen an Beitragseinnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung etwa 7.0 Milliarden Euro.
Hoppla werden Sie nun wieder sagen, diese Zahl hörte ich doch vor wenigen Tagen aus dem Munde des Regierungssprechers Ulrich Wilhelm. Sie entspricht ziemlich genau der in diesem Jahr erwarteten Finanzierungslücke.
Mit anderen Worten: Wir haben kein Ausgaben- sondern ein Einnahmeproblem. Gesundheit ist nicht zu teuer. Diesen Umstand auf die Demografie zu schieben ist schon hinterhältig genug, aber mit leerer Geldbörse dem Kaufmann Preistreiberei vorzuwerfen, haut dem Fass den Boden aus.
Dass angesichts der laut aktuellen Ankündigungen NOCH freizusetzenden Volkswagen-(20.000), Telekom-(30.000), Allianz-(7.500) Mitarbeiter, sowie den unzähligen Arbeitsplatzverlusten in der Republik in kleinen und mittelständischen Unternehmen die Einnahmeseite des Gesundheitswesens auch zukünftig nicht praller ausfallen wird, ist daher zu erwarten. Dreimal dürfen Sie also raten, woher die dringend benötigten Mittel in Form von realem Geld kommen werden. Richtig! Die Sondersteuer wird bereits ins Kalkül gezogen.
Aber genug der kurzweiligen Analyse, die uns deutlich aufgezeigt hat, dass ein X kein U ist.
Wohin steuert die große Koalition mit ihrer Gesundheitsreform?
Nun, Prognosen sind schwierig zu stellen, wenn sie in die Zukunft gerichtet sind. Stacheldraht wird nicht harmloser und ungefährlicher, wenn man ihn pinkfarben lackiert, will heißen: Solange bundesdeutsche Regierungen, egal welcher Farbschattierung sie auch angehören, nicht darauf hinarbeiten, das Einnahmenproblem zu lösen, solange wird sich immer ein mehr oder minder großes Minus in ALLEN Kassen der gesetzlichen Versicherungen ergeben. Denn: 2 Millionen fehlende Beitragszahler in der Krankenversicherung fehlen auch in der Arbeitslosenversicherung und in der Rentenversicherung. In letzterer wird es zukünftig aufgrund der Beitragssätze (19.5%) zu noch größeren Verwerfungen kommen. Ein Umschichten von Topf zu Topf bringt zwar Umsatz, aber noch lange keinen Gewinn.
Diese Kaufmannsweisheit sollte man bei den Konstrukteuren der Deutschland AG aber voraussetzen können. Die avisierten 16 bis 24 Milliarden Euro zusätzlicher direkt erhobener Steuermittel werden somit jeden deutschen Bürger mit weiteren 200 bis 300 Euro im Jahr belasten. Nach der unter den Regierenden herrschenden Logik, dass Dinge, die ich mangels Geld nicht bezahlen kann, zu teuer sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Bürger sich ernsthaft fragen muss, wie lange er sich diesen Staat noch leisten will (oder kann).
Zur Versöhnung bietet die Regierung darüber hinaus an, den "Wettbewerb zu fördern", indem sie etwa hundert kleinere Krankenkassen vom Markt nimmt. Geschehen soll dies durch Fusionen mit den bereits heute großen Krankenkassen. Die Konzentration von Marktmacht aber auf wenige große Anbieter - so lehrt uns bereits der Gas- und Strommarkt - führt für den Bürger keinesfalls zu mehr Wettbewerb und damit zu geringeren Kosten. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Der Schritt, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf vielleicht ein oder zwei (staatliche!) Krankenkassen zu konzentrieren, wäre grundsätzlich begrüßenswert. Dann würde der gigantische Verwaltungsapparat unnötig und Lobbyarbeit uninteressant. Leider wird man diesen Schritt nicht gehen und damit die Chance versäumen, wenigstens bei der Gesundheitspolitik eine vernünftige, handwerkliche Arbeit abzuliefern.
Würden deutsche Ärzte und Krankenschwestern so arbeiten, wie unsere Politiker, Deutschland wäre bereits ausgestorben.
Christian Spin, 38 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, ist technischer Betriebswirt und Industriemeister Chemie. Er beschäftigt sich seit 1998 mit Wirtschaftsthemen, nachdem ihm an einem TV-Abend aufgefallen war, dass weder der Bundesfinanzminister, noch der Ministerpräsident von NRW, noch der OB einer Ruhrgebietsstadt über das notwendige Geld zur Lösung eines dringenden Problems verfügten. Daraus entwickelte er sein persönliches "Ursache-Wirkungsprinzip".
Online-Flyer Nr. 51 vom 04.07.2006
Der Unfug der Woche - Folge 4
Gesundheitsreform
Von Christian Spin
Die Berliner Hirnakrobaten haben sich etwas Tolles überlegt: die Teilfinanzierung des Gesundheitswesens aus Steuern. Das hätte man bereits viel früher ins Kalkül ziehen können, die Schweden machen es uns seit Jahren in der Vollfinanzierung vor. Grund für die gewundenen Überlegungen ist die Feststellung, dass unsere Gesundheit (respektive deren Erhaltung) zunehmend teurer wird. Die Aussage wollen wir natürlich nicht im Raum stehen lassen, ohne sie eingehend zu überprüfen.
Bemühen wir also kurz den Rechenschieber, erfassen die Fakten des Statistischen Bundesamtes und bringen diese in den notwendigen Zusammenhang, der die gesamten Kosten des Gesundheitswesens betrachtet und nicht nur die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen:
- Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) betrug in 2005 ausgewiesene 2,244 Billionen Euro
- Die durchschnittliche, gleitende Steigerungsrate des BIP betrug von 1996 bis 2005 jährlich etwa 1,36% (preisbereinigt OHNE Inflation!)
- Die Ausgaben für das Gesundheitswesen schwankten in etwa demselben Zeitraum (1996-2003) jährlich zwischen 10,8% und 11,3% des BIP
- Die Ausgaben im Gesundheitswesen werden nominal (INKLUSIVE Inflation) betrachtet!
- Die Inflationsrate bewegte sich im Betrachtungszeitraum 1996-2003 bei rund 1,5% jährlich
Im Jahr 2003 stand der Veränderung des BIP um minus 0,2% zum Vorjahr eine Ausgabenhöhe im Gesundheitswesen von 11,3% des BIP gegenüber, was also bereinigt eigentlich einen Rückgang der Ausgaben zum Jahr 2002 (11,1% zu real 11,2% des BIP) darstellt.
Hoppla werden Sie nun sagen: Das BIP steigt jährlich preisbereinigt um 1,36 %, die Inflationsrate betrug zwischen 1996 und 2003 durchschnittlich 1,5%, wieso wird es dann für Alle teurer, ergibt sich doch eine Verringerung von 0,14% zugunsten der Gesundheitsausgaben?
Da haben Sie prima geschlussfolgert.
Per Saldo hat sich so gut wie nichts verändert, die Zahlen sprechen für sich. Das Gesundheitswesen ist anhand der vorliegenden Zahlen wohl nicht teurer geworden. Sehr wohlwollend könnte man sogar von gesunkenen Ausgaben sprechen. Wir wollen dies aber nicht zu weit führen, sondern nur die Korrelation exemplarisch vorführen.
Um den endgültigen Durchblick zu erlangen, müssen wir uns dazu kurz die Einnahmenseite ansehen.
1996 waren in der BRD 27,7 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 2005 waren es noch 26,5 Millionen, mithin 1,2 Millionen weniger. Bei den Vollzeitbeschäftigten betrug der Rückgang 1,95 Millionen Menschen, während die Masse der Teilzeitarbeiter (Minijobber) um rd. 750.000 anstieg. Es sind also annähernd 2.0 Mio. Beitragszahler für die gesetzlichen Sozialversicherungen ausgefallen. Ein durchschnittliches Jahresgehalt von 25.000 Euro und einen Beitragssatz von 14.0% vorausgesetzt, fehlen an Beitragseinnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung etwa 7.0 Milliarden Euro.
Hoppla werden Sie nun wieder sagen, diese Zahl hörte ich doch vor wenigen Tagen aus dem Munde des Regierungssprechers Ulrich Wilhelm. Sie entspricht ziemlich genau der in diesem Jahr erwarteten Finanzierungslücke.
Mit anderen Worten: Wir haben kein Ausgaben- sondern ein Einnahmeproblem. Gesundheit ist nicht zu teuer. Diesen Umstand auf die Demografie zu schieben ist schon hinterhältig genug, aber mit leerer Geldbörse dem Kaufmann Preistreiberei vorzuwerfen, haut dem Fass den Boden aus.
Dass angesichts der laut aktuellen Ankündigungen NOCH freizusetzenden Volkswagen-(20.000), Telekom-(30.000), Allianz-(7.500) Mitarbeiter, sowie den unzähligen Arbeitsplatzverlusten in der Republik in kleinen und mittelständischen Unternehmen die Einnahmeseite des Gesundheitswesens auch zukünftig nicht praller ausfallen wird, ist daher zu erwarten. Dreimal dürfen Sie also raten, woher die dringend benötigten Mittel in Form von realem Geld kommen werden. Richtig! Die Sondersteuer wird bereits ins Kalkül gezogen.
Aber genug der kurzweiligen Analyse, die uns deutlich aufgezeigt hat, dass ein X kein U ist.
Wohin steuert die große Koalition mit ihrer Gesundheitsreform?
Nun, Prognosen sind schwierig zu stellen, wenn sie in die Zukunft gerichtet sind. Stacheldraht wird nicht harmloser und ungefährlicher, wenn man ihn pinkfarben lackiert, will heißen: Solange bundesdeutsche Regierungen, egal welcher Farbschattierung sie auch angehören, nicht darauf hinarbeiten, das Einnahmenproblem zu lösen, solange wird sich immer ein mehr oder minder großes Minus in ALLEN Kassen der gesetzlichen Versicherungen ergeben. Denn: 2 Millionen fehlende Beitragszahler in der Krankenversicherung fehlen auch in der Arbeitslosenversicherung und in der Rentenversicherung. In letzterer wird es zukünftig aufgrund der Beitragssätze (19.5%) zu noch größeren Verwerfungen kommen. Ein Umschichten von Topf zu Topf bringt zwar Umsatz, aber noch lange keinen Gewinn.
Diese Kaufmannsweisheit sollte man bei den Konstrukteuren der Deutschland AG aber voraussetzen können. Die avisierten 16 bis 24 Milliarden Euro zusätzlicher direkt erhobener Steuermittel werden somit jeden deutschen Bürger mit weiteren 200 bis 300 Euro im Jahr belasten. Nach der unter den Regierenden herrschenden Logik, dass Dinge, die ich mangels Geld nicht bezahlen kann, zu teuer sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Bürger sich ernsthaft fragen muss, wie lange er sich diesen Staat noch leisten will (oder kann).
Zur Versöhnung bietet die Regierung darüber hinaus an, den "Wettbewerb zu fördern", indem sie etwa hundert kleinere Krankenkassen vom Markt nimmt. Geschehen soll dies durch Fusionen mit den bereits heute großen Krankenkassen. Die Konzentration von Marktmacht aber auf wenige große Anbieter - so lehrt uns bereits der Gas- und Strommarkt - führt für den Bürger keinesfalls zu mehr Wettbewerb und damit zu geringeren Kosten. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Der Schritt, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf vielleicht ein oder zwei (staatliche!) Krankenkassen zu konzentrieren, wäre grundsätzlich begrüßenswert. Dann würde der gigantische Verwaltungsapparat unnötig und Lobbyarbeit uninteressant. Leider wird man diesen Schritt nicht gehen und damit die Chance versäumen, wenigstens bei der Gesundheitspolitik eine vernünftige, handwerkliche Arbeit abzuliefern.
Würden deutsche Ärzte und Krankenschwestern so arbeiten, wie unsere Politiker, Deutschland wäre bereits ausgestorben.

Online-Flyer Nr. 51 vom 04.07.2006