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Deutschlands Zusammenarbeit mit den USA bei der Terrorismusbekämpfung
Unrechtsstaaten
Von Hans Georg
Juristen üben nach der gefeierten gezielten Tötung Osama bin Ladens scharfe Kritik an außergerichtlichen Hinrichtungen durch westliche Militärs. Extralegale Exekutionen seien ein Merkmal von Unrechtsstaaten und brächen mit fundamentalen Menschenrechten, urteilt der auf internationales Strafrecht spezialisierte Juraprofessor Kai Ambos in einer aktuellen Stellungnahme. Das treffe auch dann zu, wenn es sich bei dem Opfer der Tötung um einen Terroristen handele.

Merkel und Westerwelle - freuen sich über die "gute Nachricht"
Online-Flyer Nr. 301 vom 11.05.2011
Deutschlands Zusammenarbeit mit den USA bei der Terrorismusbekämpfung
Unrechtsstaaten
Von Hans Georg
Juristen üben nach der gefeierten gezielten Tötung Osama bin Ladens scharfe Kritik an außergerichtlichen Hinrichtungen durch westliche Militärs. Extralegale Exekutionen seien ein Merkmal von Unrechtsstaaten und brächen mit fundamentalen Menschenrechten, urteilt der auf internationales Strafrecht spezialisierte Juraprofessor Kai Ambos in einer aktuellen Stellungnahme. Das treffe auch dann zu, wenn es sich bei dem Opfer der Tötung um einen Terroristen handele.

Merkel und Westerwelle - freuen sich über die "gute Nachricht"
NRhZ-Archiv
Die Folgen außergerichtlicher Hinrichtungen für die Verhältnisse in den exekutierenden Staaten wögen schwer. Die Kritik trifft die Bundesregierung nicht nur, weil die Kanzlerin sowie ihr Außenminister die Tötung bin Ladens explizit gebilligt haben. Darüber hinaus vertreten, wie das Verteidigungsministerium schon letztes Jahr bekräftigte, die Berliner Ministerien die Ansicht, das gezielte Töten ohne jegliches Gerichtsverfahren sei in bestimmten Fällen zulässig. Zudem nimmt Berlin die extralegale Exekution deutscher Staatsbürger in Pakistan widerspruchslos hin. Schließlich sind auch deutsche Soldaten in gezielte Tötungen verwickelt: über ihre Zuarbeit für US-Exekutionskommandos. Berliner Regierungsberater warnen seit einiger Zeit, mit der Teilnahme am sogenannten Anti-Terror-Krieg bewege man sich "an den Grenzen des Rechtsstaats". Die Formulierung kann als diplomatische Umschreibung für gesetzlose Zustände gelten.
Freiwild
Wie Kai Ambos, Richter und Juraprofessor an der Universität Göttingen, in einer aktuellen Stellungnahme urteilt, kann es keine Rechtfertigung für die gezielte Tötung Osama bin Ladens geben. Auch Terroristen hätten ein Recht auf ein reguläres Gerichtsverfahren; werde dabei ihre Schuld festgestellt, würden sie verurteilt, in den USA womöglich sogar "zur Todesstrafe". "Eine Tötung ohne Gerichtsverfahren" aber sei "eine extralegale Hinrichtung", bekräftigt Ambos; dafür würden "Unrechtsstaaten vor Menschenrechtsgremien angeklagt".[1] Der Westen müsse sich nun überlegen, ob er den "terroristischen Feinden jegliches Lebens- und Menschenrecht versagen und sie zum militärischen Freiwild erklären will". Ambos hält das für völlig indiskutabel. Versage der Westen seinen Feinden sogar fundamentale Menschenrechte, dann mache er sich praktisch "mit ihnen gemein". Die Folgen für die inneren Zustände der westlichen Welt wären unabsehbar.
"Gelungene Aktion"
Ambos' Kritik trifft die Bundesregierung in mehrfacher Hinsicht. Zunächst, weil die Kanzlerin und ihr Außenminister die gezielte Tötung Osama bin Ladens einhellig begrüßen. Angela Merkel teilte mit, sie habe US-Präsident Barack Obama "meinen und unseren Respekt für diesen Erfolg und für diese gelungene Kommandoaktion mitgeteilt". Die Meldung von der Exekution sei "schlicht und einfach eine gute Nachricht".[2] Auf Nachfrage äußerte Merkel, sie "freue" sich. Außenminister Guido Westerwelle erklärte, der Bericht von bin Ladens Tötung sei "eine gute Nachricht für alle friedliebenden und freiheitlich denkenden Menschen in der Welt".[3] Bedenken, wie sie Ambos ausführt und begründet, sind aus der Bundesregierung nicht bekannt.
Weiterentwickelt
Tatsächlich vertritt die Bundesregierung spätestens seit 2010 die Rechtsposition, gezielte Tötungen seien unter bestimmten Umständen erlaubt. Noch wenige Jahre zuvor hatte diese Auffassung unter Rechtsberatern in Berlin als völkerrechtlich zumindest höchst problematisch gegolten. Letztes Jahr hieß es dazu im Verteidigungsministerium, man habe sich "in vielen Bereichen weiterentwickelt". Dies betrifft besonders das Verbot, Aufständische außerhalb konkreter Kampfsituationen zu töten. Einem Papier des Verteidigungsministeriums ist zu entnehmen, Soldaten der Bundeswehr dürften "feindliche Kämpfer gegebenenfalls auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten (...) gezielt bekämpfen, was auch den Einsatz tödlich wirkender Gewalt einschließen kann."[4] Diesem Dekret zufolge wäre die gezielte Tötung Osama bin Ladens legitim.
Kein Widerspruch
Hinzu kommt, dass die Bundesregierung selbst bei einer gezielten Tötung deutscher Staatsbürger nicht einschreitet. Dies trifft zumindest auf die Tötung des 20-jährigen Bünyamin E. zu. E. fiel am 4. Oktober 2010 in Pakistan einer Rakete zum Opfer, die von einer US-Drohne abgeschossen worden war. Dem Drohnenangriff waren keine Kampfhandlungen unmittelbar vorausgegangen. Zudem befindet sich Pakistan nicht im Krieg. Die Bundesregierung, die die US-amerikanischen Drohnenattacken auch sonst umstandslos hinnimmt, obwohl zahlreiche von ihnen außerhalb des afghanischen Kriegsgebiets durchgeführt werden und ihnen viele Zivilisten zum Opfer fallen, schreitet bis heute gegen die Exekution nicht ein; dabei ist sie zum Schutz deutscher Staatsbürger im Ausland verpflichtet. Beobachter gehen vielmehr davon aus, dass die Exekution auf der Basis von Erkenntnissen deutscher Behörden über E. erst möglich wurde - Erkenntnisse, die deutsche Stellen ihren US-amerikanischen Partnern zur Vorbereitung der Attacken weiterleiteten.[5]
Tötungslisten
Deutsche Zuarbeit für US-Tötungskommandos findet auch in Afghanistan statt. Bereits letztes Jahr wurde die sogenannte "Joint Prioritized Effects List" (JPEL) scharf kritisiert, die die Streitkräfte am Hindukusch nutzen. Sie enthält Hunderte Personen, nach denen der Westen fahndet; auf ihr sind die Namen der Gesuchten mit einem Hinweis versehen, ob diese gefangenzunehmen ("c" für "capture") oder zu töten ("k" für "kill") sind.[6] Auch deutsche Soldaten geben Informationen weiter, auf deren Grundlage die Entscheidung über "capture" oder "kill" getroffen wird - ohne Gerichtsverfahren.
Gesetzlose Zustände
Sogar Berliner Regierungsberater warnten bereits im Februar dieses Jahres, die EU manövriere "in ihrer Zusammenarbeit mit den USA bei der Terrorismusbekämpfung" nicht selten "an den Grenzen der Rechtsstaatlichkeit".[7] Die Formulierung kann als diplomatische Umschreibung für Zustände gelten, die den Rahmen des Rechtsstaats längst verlassen haben und nur als gesetzlos beschrieben werden können. Tatsächlich eignen sich die westlichen Staaten mit den gezielten Tötungen dabei Praktiken an, die sie ihren Feinden vorwerfen: das durch keinerlei gesetzlich-normativen Rahmen gezügelte Umbringen von Gegnern. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das - darauf weist in der aktuellen Stellungnahme Juraprofessor Kai Ambos hin - nicht mehr viel zu tun. Der Westen macht sich mit seinen Feinden gemein.(PK)
[1] Kai Ambos: Auch Terroristen haben Rechte; Frankfurter Allgemeine Zeitung 05.05.2011
[2] Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Tötung von Osama bin Laden; Berlin 02.05.2011
[3] Bundesminister Westerwelle zum Tod von Osama bin Laden; www.auswaertiges-amt.de 02.05.2011
[4] s. dazu Gezielte Tötungen
[5] Bünyamins Tod; www.zeit.de 20.01.2011
[2] Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Tötung von Osama bin Laden; Berlin 02.05.2011
[3] Bundesminister Westerwelle zum Tod von Osama bin Laden; www.auswaertiges-amt.de 02.05.2011
[4] s. dazu Gezielte Tötungen
[5] Bünyamins Tod; www.zeit.de 20.01.2011
[6] s. dazu Gezielte Tötungen
[7] Annegret Bendiek: An den Grenzen des Rechtsstaates: EU-USA-Terrorismusbekämpfung; SWP-Studie S3, Februar 2011. S. dazu An den Grenzen des Rechtsstaats
[7] Annegret Bendiek: An den Grenzen des Rechtsstaates: EU-USA-Terrorismusbekämpfung; SWP-Studie S3, Februar 2011. S. dazu An den Grenzen des Rechtsstaats
Online-Flyer Nr. 301 vom 11.05.2011














