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31. Mai 1991 - Angola: Das Friedensabkommen von Bicesse - Zeitworte Folge 3
Ein gescheiterter Schritt auf dem Weg zum Frieden
Von Birgit Morgenrath

Alptraum-Land hat der portugiesische Schriftsteller Pedro Rosa Mendes Angola genannt, "ein Land von Amputierten, Blinden, Witwen, Waisenkindern, Hungernden, Bettlern, Vertriebenen und Heimatlosen."
 
Angola, das riesige, rohstoffreiche Land im Südwesten des afrikanischen Kontinents befand sich 40 Jahre lang in einer Spirale aus Zerstörung und Zerfall. Auch das Friedensabkommen von 1991, im portugiesischen Bicesse ausgehandelt und am 31. Mai, am Mittwoch vor 15 Jahren, in Lissabon unterzeichnet, konnte diese Dynamik von Tod und Vernichtung nicht aufhalten.

Dabei gab es Anfang der 90er Jahre Hoffnung. Damals schien das Tauwetter am Ende des Kalten Krieges auch die heißen Kriege in Afrika löschen zu können. Die angolanischen Kriegsparteien hatten stellvertretend für die Supermächte um die strategische Vorherrschaft in diesem Teil der Welt gekämpft. Kuba und die Sowjetunion an der Seite der regierenden sozialistischen "Volksbewegung für die Befreiung Angolas", MPLA; Südafrika und die USA an der Seite der prowestlichen "Union für die vollständige Unabhängigkeit Angolas", UNITA.

Die Entspannung zwischen den USA und der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre sollte sich auch positiv auf die Rivalen in Angola auswirken. Viele Angolaner hofften darauf, dass sich UNITA und MPLA endlich versöhnten. Das Friedensabkommen von Bicesse schien dies möglich zu machen. Zur Unterzeichnung erschienen Staatspräsident Eduardo dos Santos von der MPLA und UNITA-Führer Jonas Savimbi. Ab sofort sollten die Waffen ruhen, die verfeindeten Armeen sich vereinen, und freie Wahlen sollten stattfinden. Die sozialistische MPLA wandelte sich zur sozialdemokratischen Partei und stand von nun an für Mehrparteiendemokratie und Marktwirtschaft. Die Neue Weltordnung schien auch in Angola installiert. Die UNO schickte 500 Mann, um die Einhaltung des Abkommens zu überwachen. Die kriegsgeschundene Bevölkerung atmete auf. Über 90 Prozent der Angolaner gingen 1992 zur Wahl.

Das Ergebnis der Wahl jedoch war Streit. Die UNITA erkannte den Sieg der MPLA nicht an. Die 18 Monate zwischen dem Waffenstillstand bis zu den Wahlen war offenbar viel zu kurz gewesen, um die tieferen Gründe für die Intoleranz, ja den Hass zwischen MPLA und UNITA auch nur ansatzweise zu bearbeiten. Denn das abgrundtiefe Misstrauen zwischen den beiden politischen Gegnern reichte weit zurück. Die portugiesischen Kolonialherren hatten die Bevölkerung in zwei Klassen gespalten. Auf der einen Seite eine kleine assimilierte Elite an der Küste - die Klientel der MPLA, und auf der anderen Seite die zur Zwangsarbeit herangezogenen Völker aus dem Hochland und Süden Angolas - die Basis der UNITA-Rebellen. Seitdem standen die Bewohner der weltoffenen Stadt gegen die vom rückständigen Land, "Weiße und Mulatten" in der Hauptstadt gegen "Afrikaner" im Binnenland. Die aus dem Süden fühlten sich stets von denen aus dem Norden diskriminiert.

Die UNITA zog sich nach den Wahlen 1992 in ihre Gebiete zurück. Beide Seiten nahmen den Bürgerkrieg wieder auf, einen teuren Krieg. Den konnten sie sich nur leisten, weil sie über schier unerschöpfliche Ressourcen verfügten. Öl schmierte die Kriegsmaschinerie der MPLA. Die Diamanten Savimbis erreichten trotz strikter UN-Sanktionen die weltweit größte Diamantenbörse in Antwerpen. Internationale Öl- und Diamantenkonzerne verdienten mit daran. Die Ökonomie des Krieges war für alle Seiten profitabler als die des Friedens. Angola versank erneut im Alptraum eines grausamen Krieges. Das Friedensabkommen von Bicesse war gescheitert. Die UNO zog sich zurück. Auch die nächsten fast zehn Jahre versteht es die internationale Gemeinschaft nicht, den Frieden in Angola zu befördern. Weitere Friedensabkommen sind nie eingehalten worden - etwa das Lusaka Protokoll von 1994, das eine Machtteilung zwischen MPLA und UNITA vorsah.

Erst seit dem Jahr 2002 schien der Friede in Angola eine reelle Chance zu bekommen. Regierungstruppen hatten UNITA Chef Jonas Savimbi im Februar im Gefecht getötet und damit den Weg frei gemacht für gemäßigte Nachfolger. Diese beschlossen mit der MPLA im April eine Waffenruhe. In den Straßen Luandas tanzten die Angolaner. Aber die Demobilisierung und Konzentration der 50 000  UNITA-Soldaten an bestimmten Sammelpunkten war damit noch nicht beendet. Die ehemaligen Kämpfer und ihre rund 300. 000 Familienangehörigen bekamen zwar erste Hilfslieferungen der MPLA-Regierung. Das "Land von Amputierten, Hungernden, Vertriebenen und Heimatlosen", wie Rosa Mendes es beschrieb, konnte mit dem Wiederaufbau beginnen. Doch noch immer sind die Probleme zwischen den verschiedenen Gruppen nicht gelöst.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



Nun sollen in diesem Jahr - zum ersten Mal seit 1992 - wieder Wahlen stattfinden. Ein neuer Präsident und eine neue Nationalversammlung könnten gewählt werden. Und: Angola hat sich für die Fußballweltmeisterschaft qualifiziert. Die "schwarzen Antilopen" spielen in der Gruppe D gegen Portugal, Mexiko und den Iran. Am 2. Juni findet in Leverkusen ein Testspiel gegen Saudiarabien statt.   

Birgit Morgenrath arbeitet im Rheinischen JournalistInnenbüro Köln rjb-koeln@t-online.de

Ihr Beitrag wurde in der Redaktion Zeitwort im SWR, Redaktion Marie-Elisabeth Müller, gesendet.






Online-Flyer Nr. 46  vom 30.05.2006



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