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Die NRhZ-Kolumne
Eine Bahn für Bürger - nicht für Rendite
von Norbert Arbeiter

Als der große Veränderer Mehdorn die Weichen stellte und der SPD-Verkehrsminister Tiefensee (auch intern Pfütze genannt) ihm dabei den Rücken freihielt, ahnten damals einige, was alle heute entsetzt sehen: Für den Börsengang (Privatisierung) wurde die Bürgerbahn fertig gemacht: Zum Beispiel wurden Wartungsintervalle verlängert bei gleichzeitiger Schließung von Wartungsbetrieben. Kaum Neuanschaffungen, aber Verringerung der Zahl von Ersatzfahrzeugen, Zusammenlegungen und Personalabbau. Konzentration auf profitable Schnellverkehrstrassen (da werden Milliarden ausgegeben um 10 Minuten schneller zu sein) und den boomenden Güterverkehr.

Nur was hohe Rendite versprach, war wichtig, die Daseinsvorsorge für die gesamte Bevölkerung in der Fläche wurde stark vernachlässigt. Ein Drittel der Bahnhöfe seit der Bahnreform 1994 wurde dicht gemacht und jede zweite Weiche abgebaut. Das Schienennetz wurde um 17 Prozent reduziert - unter Beseitigung von Überholgleisen und Gleisanschlüssen. Weniger rentable Strecken wurden sofort privatisiert, auf den anderen fahren verschmutzte, unpünktliche Uraltzüge durch marode Bahnhöfe.

Notwendige Finanzmittel zur Infrastrukturverbesserung in der Fläche verschwinden in skandalösen Großprojekten wie in Stuttgart21 oder unsinnigen Auslandsinvestitionen wie in den Zukäufen von Güterbahnen in Spanien, Polen und der britischen Güterbahn English Welsh & Scottish Railway (400 Millionen Euro). Selbst die Wüste lockt die DB. In Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) will der Staatskonzern zusammen mit der Bahnindustrie komplette Eisenbahnnetze errichten. Geschätztes Auftragsvolumen: Jeweils ein zweistelliger Milliardenbetrag.

Bahnchef Grube spricht von höherer Gewalt, so dass der Eindruck entsteht, in Deutschland und Mitteleuropa ist seit 100 Jahren zum ersten Mal Schnee gefallen. Durch den deshalb kaum noch funktionierenden Winter-Schienenverkehr, regt sich zarter Widerstand der Verkehrsminister einiger Länder. CSU-Verkehrsminister Ramsauer verlangt von der Bahn eine halbe Milliarde Euro Dividende für die Sanierung des Bundeshaushalts gegen den Willen der Länderchefs und der kopfschüttelnden Bevölkerung. Dieses Geld müsste projektbezogen in den Nahverkehr investiert werden. 93 Prozent der Fahrgäste kommen aus dem Nahverkehr und zahlen deshalb 84 Prozent der Stationspreise und 64 Prozent der Trassenpreise. Aber die Bahn will die Rendite durch Verzicht auf 25 Prozent der Fahrgäste steigern. Jetzt wird auch klar, dass die unbedienbaren Fahrscheinautomaten quasi als Zugangssperre eingesetzt wurden.

Von der Politik gibt es keine Kritik an der Unternehmensführung des Herrn Grube. Logisch, denn beide Seiten haben den Börsengang immer noch im Visier, um doch noch den Heuschrecken die Bahn auf dem Teller zu servieren. Die allseits bekannten großen Probleme der Bahnprivatisierungen in Großbritannien, Estland und Neuseeland werden bewusst ausgeblendet.

Der Finanzminister bekäme viel Geld, wenn die LKW-Maut von 12 Tonnen auf 3,5 Tonnen und nicht nur auf Autobahnen geändert würde. Das wäre Chancengleichheit für die Bahn, die ihr eigenes Schienennetz unterhält und dadurch die Straßen entlastet.

 

Ramsauer und Schäuble sind eben Minister einer Partei, die ausschließlich Politik nicht für die kleinen Bürger macht! Daran sollte der "Wutbürger" denken, wenn er wieder mal stundenlang auf einem Bahnhof herum steht und hofft, dass der verspätete Zug doch noch kommen würde. (PK)

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Online-Flyer Nr. 284  vom 12.01.2011



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