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"Sie sagen ja jetzt..." - Teil 13
Weil eine Mutter immer eine Mutter bleibt
Von Ulla Lessmann

Wir haben ja diesen Quatsch schon lange, seit Jahrenden schon, abgeschafft. Wir haben das nicht nötig, uns das vorschreiben zu lassen, aber wer das nötig hat, bitte!

Meine Älteste hat vor Jahren schon gesagt, dass das eine Erfindung der Nazis gewesen ist und deshalb abgeschafft gehört und außerdem läßt sie sich nicht vorschreiben, wann sie sich um mich kümmert. Genau, habe ich meiner Nachbarin gesagt, die immer ein Riesenwesens macht, was sie alles kriegt von ihren Kindern, die man das ganze Jahr nicht sieht, wirklich nie und so recht was aus ihnen geworden ist auch nicht, das sieht man doch, was die für Autos fahren im Gegensatz zu meiner Ältesten. Muttertag hin oder her, da kann die mich nicht mit beeindrucken, wenn die dann kommen mit Riesensträußen in Plastik, und sie bildet sich sonst was ein und ich muß die Montags begucken.

Meine Älteste, habe ich ihr gesagt, die weiß Bescheid, das ist von den Nazis erfunden worden und meine Töchter lassen sich doch nicht von den Nazis vorschreiben, wann sie sich um mich kümmern, die entscheiden das ganz frei und nicht nach Kalender. Meine Jüngste sagt, das haben die Amerikaner erfunden, um ihre Blumenindustrie zu retten und sie sieht nicht ein, dass sie die Blumenindustrie gerade dann unterstützen soll, wo sie mir das ganze Jahr über Blumen schenken könnte, wann sie selber sich danach fühlt und nicht dann, wenn die Amerikaner das wollen und man soll sich sowieso nicht immer so abhängig machen, auch wenn man in der NATO ist.

Ich dachte immer, die Blumenindustrie ist holländisch, aber meine Jüngste sagt, die Amerikaner haben auch einen Mutterkomplex und sie hat keinen und sie sieht nicht ein, wieso sie den Mutterkomplex der Amerikaner unterstützen soll. Meine Mittlere hat schon vor Jahren gesagt, dass sie sich von diesem Konsumterror nicht verrückt machen läßt und ich ja schließlich sowieso kein Mon Cherie mag und dass sie für ihr Leben traumatisiert ist, weil sie im Kindergarten immer was für mich basteln mußte und sie kann mir jeden Tag was schenken, wenn sie das will, aber sie will das frei entscheiden.

Meine Töchter, sage ich zu meiner Nachbarin, entscheiden selbständig, wann sie mir Blumen mitbringen oder sich kümmern oder mir was schenken und überhaupt ist das ja nichts Überliefertes so wie Weihnachten oder Ostern. Das ist völlig traditionslos und völlig unmodern, mit den Nazis sollte man schon mal gar nichts mehr zu tun haben, im Moment sowieso erst recht nicht und den Amerikanern muß man auch nicht alles und jedes nachmachen und wir sind da nicht so abhängig wie manche andere das ist, bloß weil alle das machen.

Meine Töchter sind da ganz modern und unabhängig und wissen, dass sie schließlich zu jeder Tages- und Nachtzeit zu ihrer Mutter kommen könnten, weil eine Mutter immer eine Mutter bleibt und ein Mutterherz nie zu schlagen aufhört, sagte meine Mutter immer. Die brauchen bestimmt nicht am Muttertag zu kommen, bloß weil die Nazis und die Amerikaner das so wollten, sage ich zu meiner Nachbarin, meine Töchter entscheiden selber, wann sie ihre Mutter sehen. Ich merk' mir das schon seit Jahren gar nicht mehr, wann Muttertag ist, weil  meine Töchter viel lieber zu Weihnachten kommen. Da weiß man doch wenigstens, wer das erfunden hat.



Online-Flyer Nr. 43  vom 09.05.2006



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