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Inland
Buchkritik
"Endstation Rücktritt"
Von Uli Klinger

Die beiden erfahrenen Kölner Journalisten haben wieder einmal zugeschlagen. Rücktritte, politische Rücktritte sind dieses Mal ihr Thema. Nach der Einleitung folgt die "Kleine Phänomologie des Rücktritts" (sie ist der politische, wenn auch nicht der seitenstärkste Hauptteil des Buches)  und dann - unterteilt in sieben Kategorien - die Schilderung der (bundesdeutschen) Politikerfälle.

Da finden wir z. B. unter der Überschrift "Die Aufrechten - Rücktritt aus Überzeugung" die Namen Gustav Heinemann, Marianne Birthler, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Oskar Lafontaine. Weitere Politiker haben es in diese Kategorie nicht geschafft, vielleicht wären noch die Namen der 2. Kategorie "Die Verantwortlichen - Rücktritt nach dem Versagen anderer"  hinzuzuzählen: Willy Brandt, Gerhard Stoltenberg und Rudolf Seiters.

Pascal BeuckerDiese Personen sind die (positiven) Ausnahmen, sozusagen die Lichtgestalten, denn der Rücktritt vom politischen Amt ist ja nicht ehrenrührig - wenn er denn aus der Überzeugung gefällt wird, daß man/frau eine politische Frage oder Weichenstellung nicht mehr mittragen kann oder will.  Und gerade Gustav Heinemann oder Oskar Lafontaine sind ja auch Zeugen dafür, wie man trotz dieses Schlußstriches später dann (wenn auch in beiden Fällen mit einem Parteiwechsel verbunden) weiterhin in der Politik arbeiten und sich einsetzen kann. Oder wenn man politische Verantwortung für das Verhalten anderer (weisungsgebundener MitarbeiterInnen) übernimmt, weil deren Handeln fehlerbehaftet war.

Doch dann folgen von Lothar Späth über Laurenz Meyer bis zu Karl Wienand die Zurückgetretenen, denen gar nichts anderes mehr übrig blieb, da entweder ihre persönliche Schuld offensichtlich war oder sie in ihrer jeweiligen Partei zum Abschuß freigegeben waren. Und da liegt die Sache ganz anders. Denn hier reichen die Kategorien von "Die Sünderlein - Rücktritte wegen zu guter "Nehmer-Qualitäten" über "Die Skandalösen" bis zu den "begehrenden Politikern". Natürlich fehlen bei diesen Autoren die Kölner "Dankeschönspenden" nicht, und auch der lange Schatten der (braunen) Vergangenheit wird nicht ausgelassen.

Klar wird auch in der Analyse, dass die Geschichte der Rücktritte auch eine politische Zeitgeschichte ist. Und dass die "erzwungenen" eigentlich immer nur dann eintreten, wenn der persönliche Horizont im Machtgefüge überschritten ist. Wenn die gleichfalls betroffene Partei hinter dem öffentlich benannten "Sünder" steht, ist die Gefahr geringer. Bestes Beispiel hierbei ist Roland Koch, der anläßlich des hessischen Spendenskandals nachweislich die Unwahrheit sagte und heute immer noch Ministerpräsident des Bundeslands Hessen ist.

Frank ÜberallMit viel Sachkenntnis und einer lebendigen Schreibe haben sich die zwei Autoren jedem einzelnen Fall gewidmet. Herausgekommen ist ein Buch, das vieles wieder in Erinnerung bringt, manches erst durch den zeitlichen Abstand richtig wertet. Natürlich fehlen auch Histörchen nicht. Aber das macht es auch für den politisch nicht so Interessierten lesenswert. Und Leser und Leserinnen wünscht man sich diesem Buch. Denn obwohl die pure tabellarische Aufstellung gegen Ende des Buches erschreckt und zu der oft gehörten Negativmeinung über die "verkommene Politikerkaste" verleiten kann, ist dieses gesamte Werk auch der Nachweis, daß die "Demission eines Mandatsträgers ein politisches Korrektiv ist, das in der Verfassung zwar nicht vorgesehen, aber unabdingbar für den Fortbestand unserer Demokratie ist" (Südkurier).



Wie bemerkte doch der Mitverfasser Pascal Beucker so treffend "... bedenkenswert ist, dass ein Rücktritt nicht unbedingt das Ende einer politischen Karriere sein muss. Das gilt insbesondere für politisch motivierte Rücktritte. Gysi und Lafontaine sind heute wieder Fraktionsvorsitzende, wenn der eine dafür auch die Partei wechseln musste. Leutheusser-Schnarrenberger sitzt immer noch für die FDP im Bundestag und Horst Seehofer ist wieder Minister geworden. Und Gustav Heinemann wurde später immerhin sogar Bundespräsident.
Politiker könnten sich also durchaus mehr politisches Rückgrat leisten, als die meisten von ihnen sich trauen".

EndstationRücktrittAutoren Pascal Beucker / Frank Überall
Titel  "Endstation Rücktritt"
Verlag: Econ Verlag 2006
Buch: geb., 354 Seiten, EUR 18,00













Online-Flyer Nr. 39  vom 12.04.2006



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